Dienstag, 30. April 2024

Volontariat (2)

Im September des vergangenen Jahres traf ich beim Einkaufen im Drogeriemarkt zwei Schwestern der Gemeinschaft Mutter Teresas und half ihnen, die schweren Einkaufstaschen zum Auto zu tragen. Wir kamen ins Gespräch („Ihr habt aber einen richtigen Großeinkauf gemacht!“) und sie erzählten mir, dass sie ein Haus haben, in welchem sie Männer in schwierigen Situationen aufnehmen. „Könnt Ihr denn dort auch Hilfe gebrauchen?“ „Ja sicher, irgendjemand muss immer gewaschen oder rasiert werden!“ Ups!, das war jetzt konkreter, als ich mir das vorgestellt hatte. Da eine zweieinhalbmonatige Südamerikareise anstand, war die Frage ohnehin nicht aktuell. Aber die Begegnung blieb mir haften und Anfang Februar wagte ich mich zur Niederlassung der „Missionarie della carità“, fußläufig von meinem Wohnsitz in einer Viertelstunde zu erreichen. Die Oberin zeigte mir das Zimmer, in welchem sich Mutter Teresa bei ihren Rom-Besuchen aufgehalten hatte und meinte, Mittwoch wäre ein günstiger Tag, in der nebenan gelegenen „casa di accoglienza“ (wo also die Männer sind) zu helfen.

Etwas nervös ging ich also am darauffolgenden Mittwoch dorthin und wurde in die Küche geführt. Inzwischen habe ich mehrere Mittwoche dort hinter mir. Sr. Maria Vicuna ist die Küchenchefin, dann helfen noch zwei oder drei freiwillige Damen. Sie waren z.B. froh, als es darum ging, Kürbisse zu schneiden. Das habe ich inzwischen mehrmals getan und beim letzten Mal spürte ich den ganzen Mittwoch-Nachmittag meine Hand. Ob es auch an der Qualität des Messers lag oder nur am harten Kürbis, vermag ich nicht zu sagen.

Ein anderes Mal rieb ich aus alten Semmeln Semmelbrösel, mit einer ganz normalen Reibe. (Ja, es gäbe auch Maschinen, die diesen Vorgang vereinfachten). Mit der Zeit rieb ich mir nicht nur den Latex-Handschuh auf, sondern auch meinen Daumen, der zu bluten anfing. Was Sr. Mary (mal italienisch, mal englisch) sofort nach einem Pflaster Ausschau halten ließ.

Einmal sollte ich Kohl schneiden – und merkte, wie wenig Ahnung ich habe. Als Sr. Mary mich sah, erklärte sie mir, wie das geht, den Strunk herausschneiden usw. Im Nachhinein betrachtet bin ich dankbar für diese Erfahrung: mich „blöd anstellen“ und etwas dazu lernen können. Deswegen fragte ich ein anderes Mal, welches Gemüse ich denn da schneide. „Bietola“, Futterrübe.

Immer wieder werde ich „als (starker) Mann“ um Hilfe gebeten, wenn es z.B. darum geht, einen mit Wasser gefüllten Topf (die sind wirklich groß, es muss für 40 Leute gekocht werden!) von der Spüle bzw. dem Waschbecken auf die andere Küchenseite zum Herd zu tragen. Oder wenn es darum geht, ein Glas mit Tomatensauce oder anderem Inhalt zu öffnen.

Wenn ich ankomme, ca. 8.30 Uhr, sitzen die etwa 40 Männer in zwei großen Räumen beim Frühstück, welches natürlich mit einem Morgengebet beginnt. Sr. Mary Xavier (also nicht die aus der Küche) liest das Tagesevangelium und legt es ein wenig aus. Schon ein paarmal bat sie mich, dies zu tun. Aber sie macht das so gut, das ich gar keine Ambitionen habe, ihr im Gegenteil gerne zuhöre.

Gegen 11.00 Uhr mache ich mich wieder auf den Weg nach Hause…

 

Montag, 15. April 2024

Volontariat (1)

Um nicht nur vorwiegend am Schreibtisch zu sitzen, war ich schon länger auf der Suche nach einer Form freiwilligen Engagements. Vielleicht auch mit Papst Franziskus im Hinterkopf, dass „jede/r wenigstens eine/n Arme/n zum Freund, zur Freundin haben sollte“.

So war ich sehr froh, als vor gut zwei Jahren eine Organisation namens „Slaves no more“ in Zusammenarbeit mit der Diözese Rom Ordensleute einlud, die sich einen Besuchsdienst im CPR (Centro di permanenza per il rimpatrio; früher hieß diese Einrichtung CIE, Centro di Identificazione ed espulsione) Ponte Galeria vorstellen könnten. In diesem etwas außerhalb der Stadt (Richtung Flughafen Fiumicino liegenden) Abschiebehaftzentrum gab es vor der Corona-Pandemie einen Besuchsdienst von (Ordens-)Frauen bei den dort festgehaltenen Frauen. Nach der Pandemie sollte diese Initiative wieder aufgenommen und auch auf den Männerbereich ausgedehnt werden. Allerdings blieb es bei dieser Besprechung vor zwei Jahren – es gab danach nie eine Erlaubnis zum Betreten des Zentrums, offensichtlich ist der politische Widerstand zu groß. Als sich Anfang Februar im Zentrum ein junger Afrikaner das Leben nahm, war das CPR Ponte Galeria kurz in den Medien, weil es eine Art Revolte einiger der dort festgehaltenen Personen gab, die unter anderem Matratzen und ein Polizeiauto in Brand steckten. Aber inzwischen herrscht wieder Schweigen.

Vor ca. 15 Jahren hatte ich in Madrid regelmäßig Menschen im dortigen CIE (dort bedeutet die Abkürzung Centro de internamiento de extranjeros) besucht. Obwohl uns Besucher*innen der Zugang schwer gemacht wurde, wurde uns immerhin Einlass gewährt. In Spanien ist vor einem Jahr ein Themenheft mit dem Titel: „Los CIE: instrumentos de sufrimiento inútil“ (Die CIE: Instrumente unnötigen Leidens) veröffentlicht worden. Tatsächlich habe ich das Madrider Zentrum ebenso in Erinnerung: es gleicht einem Gefängnis, aber im Gegensatz zum Gefängnis fehlen den dort festgehaltenen Menschen Dinge, welche Gefangenen im Gefängnis zugestanden werden, z.B. Freizeit-, Arbeits-, Fortbildungsmöglichkeiten oder auch „religiöse Betreuung“.

Ich hatte zwischendurch noch zweimal bei „Slaves no more“ nachgehakt. Beim ersten Mal bekam ich eine Antwort mit dem Hinweis auf schwierige politische Verhandlungen, beim zweiten Mal kam nicht einmal mehr eine Antwort. Dafür Ostergrüße via Mail. Wobei ich bei der Besprechung vor zwei Jahren einen guten Eindruck von den Engagierten hatte. Es scheint tatsächlich politisch zu „haken“.

Nach dem Suizid des jungen Afrikaners Anfang Februar kam mir die Idee, ob nicht wenigstens vor dem CPR gebetet werden könnte. In Madrid hatten wir seinerzeit einen Kreuzweg vor dem CIE gebetet, natürlich unter Polizeiaufsicht, aber das könnte ja auch hier so geschehen. So begann ich mich auf die Suche nach Mitstreitern bzw. -betern zu machen.

Dabei wurde mir klar, dass auch Organisationen, die sich sehr wohl für Geflüchtete einsetzen, das CPR nicht (mehr) auf dem Schirm haben. Im Centro Astalli etwa, dem italienischen Zweig des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes sagte mir jemand am Telefon, sie hätten vor fünf Jahren zum letzten Mal einen Kontakt mit dieser Einrichtung gehabt.

Auch im Telefonat mit einem Priester der Diözese, zu der Ponte Galeria gehört, ergab sich nichts Hilfreiches.

Dann gibt es unter den Ordenskurienmitarbeitern solche, die sich in Gruppen unter der Thematik „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ zusammenfinden. Aber die hatten schon einen Kreuzweg geplant und so wurde aus meiner Idee des Kreuzwegs beim CPR zunächst einmal nichts.

Ich werde versuchen, weiterhin aufmerksam zu bleiben und die Menschen in mein Gebet hineinnehmen…