Mittwoch, 31. Oktober 2012

Der Zahnarzt und die Ewigkeit

Richtig Herbst ist es! Habe ich seine Schönheit bei der Rückfahrt aus dem Norden noch genossen, die bunten Wälder im Sonnenlicht, so bin ich bei der Ankunft hier im dichten Nebel gelandet. Schon tagelang sei das so, sagten mir die anderen. Also bin ich am österreichischen Nationalfeiertag mit unserem aus Tirol stammenden Mitbruder in die Höhe gefahren, einfach, um einmal dem Nebel zu entkommen. Es hat funktioniert! Schien zunächst sogar das Auto fahren gefährlich, weil man kaum etwas sah, so hatten wir oben tatsächlich nicht gerade Sonne, aber immerhin freie Sicht.

Herbst, freie Sicht: auch Allerheiligen und Allerseelen gehören dazu. Menschen schmücken die Gräber ihrer verstorbenen Angehörigen, besuchen diese – und sind dadurch fast automatisch mit der Frage nach dem eigenen Leben, seinem Ende und dem „Danach“ konfrontiert. Zeit und Ewigkeit...

Für die Relativität des Zeitempfindens muss oft einmal der Zahnarzt herhalten: die Zeit vergeht mir viel zu schnell, wenn ich mit meiner besten Freundin, meinem besten Freund zusammen bin. Und sie vergeht mir viel zu langsam, wenn ich auf dem Behandlungsstuhl des Zahnarztes sitze. Das kann einem wie eine Ewigkeit vorkommen. Am Morgen des Tages unserer Fahrt aus dem Nebel in die Zone der freien Sicht war ich auf besagtem Stuhl gesessen, bzw. gelegen. Es war darum gegangen, das Provisorium auf dem Zahn, dessen Wurzelkanal gut eine Woche zuvor behandelt worden war, jetzt durch eine richtige Füllung zu ersetzen. Weil das in einer halben Stunde geschehen war, schlug mir der Zahnarzt vor, noch an eine weitere Füllung heran zu gehen. Bei dem Zahn zeigte sich allerdings unter dem heraus gebohrten Amalgam noch Karies, so dass die Sache langwieriger wurde. Und ich schließlich insgesamt 90 Minuten gemütlich gelegen war – bis auf das gefühlt beinahe ausgerenkte Unterkiefer.

Zum Abschied meinte dann der Zahnarzt, dass die Füllungen wohl einige Jahre halten könnten. „Es geht um Gebrauchsgegenstände“ sagte er, „da gibt es Abnutzung“. Aha! „Wir können nicht für die Ewigkeit arbeiten, garantieren“ - ich weiß nicht mehr genau, wie er das sagte. Aber dann grinste er mich an und sagte: „das ist in Ihrer Profession vielleicht anders!“ Was ich nickend bejahte, zum Viel -Reden war mir mit dem gefühlt ausgerenkten Unterkiefer noch nicht zumute.

Im Flur der Zahnarztpraxis gibt es sinnigerweise eine Statue der heiligen Apollonia. Man erkennt diese Heilige an der Zange, die sie in der Hand hält – und in der Zange ein Zahn. Der heidnische Pöbel soll dieser frühchristlichen Märtyrerin alle Zähne ausgeschlagen bzw. mit einer Zange ausgerissen haben. Mein Ordensgründer hat sie verehrt, weil er wohl immer wieder mit Zahnschmerzen zu tun hatte.

Also grüße ich beim Verlassen der Zahnarztpraxis die heilige Apollonia und frage mich, ob das stimmt, was der Zahnarzt meinte, dass ich es eher mit der Ewigkeit zu tun hätte. Es kann natürlich sein, dass Menschen, die sich eine meiner Predigten anhören oder einen Post im Blog lesen, die dafür verwendete Zeit auch wie eine Ewigkeit vorkommt. Aber darum geht es ja nicht. Kann ich auf eine unspektakulär unaufdringliche Weise deutlich machen, dass ich die Ewigkeit ernst nehme?
„Sub specie aeternitatis“ - im Hinblick auf die Ewigkeit – sollten Entscheidungen getroffen werden, so riet es nicht nur der Heilige, dessen Namen ich trage. Das wäre ja nicht nur von einem Wahlkampf zum nächsten denkenden und rechnenden Politikern zu wünschen. Ich glaube daran, dass sich im Hinblick auf die Ewigkeit engagiert-gelassen leben lässt. Ich muss nicht alles in die Zeitspanne meiner irdischen Lebensjahre hinein packen wollen. Das entlastet. Aber diese Zeitspanne hängt zusammen mit der, ist Teil der Ewigkeit – das nimmt in die Pflicht und gibt Verantwortung. Und wie sagte der Heinz, ein Freund aus vergangenen Tagen, mit ein wenig Pathos in der Stimme: „Ewigkeit, das ist nicht langweilig und eintönig! Ewigkeit das ist `geballtes Jetzt´“.
Gute Zeit und gute Ewigkeit wünsche ich!


Montag, 15. Oktober 2012

Theology Slam

Im Radio habe ich unlängst von einem „poetry slam“ gehört – eine Art Kleinkunstwettbewerb. Kabarettisten begeben sich nacheinander auf die Bühne und stellen ihr Programm vor, wozu sie eine genau fest gelegte Zeit zur Verfügung haben. Und das Publikum stimmt darüber ab, wer seine Sache am besten gemacht, bzw. am meisten Unterhaltungswert gehabt hat. So kann ein Sieger, bzw. eine Siegerin gekürt werden. Und scheinbar hat so manche Kabarettistenkarriere mit solch einem Wettbewerb begonnen.

Wenig später las ich dann in der Zeitung von einem „science slam“. Hier besteht die Aufgabe für die Teilnehmenden darin, einen wissenschaftlichen Sachverhalt in einer vorgegebenen Zeit möglichst einleuchtend und ohne „Fachchinesich“ zu erklären. Im erwähnten Zeitungsartikel war davon die Rede, dass hierbei – ganz wissenschaftlich – die Dezibelstärke des gespendeten Beifalles gemessen wird und entscheidend sei für die Bestimmung des Siegers. Also erklärt zum Beispiel einer ein „Schwarzes Loch“ und ein anderer einen Zusammenhang aus der Gentechnik und die Zuhörenden klatschen umso lauter, je mehr sie verstanden haben.

Während ich noch über den poetry slam und den science slam nachdenke – und zugegebenermaßen Gefallen an beidem finde – kommt mir die Idee eines „theology slam“. Wie wäre das, wenn Theologen innerhalb kurzer Zeit einen theologischen Sachverhalt, ein „Glaubensgeheimnis“ allgemein verständlich zu erklären versuchten und Zuhörende dass bewerten könnten?

Wobei – Vorsicht beim Weiterlesen: jetzt kommen die Einwände, wobei...

Also zum einen ist natürlich auch Theologie „science“ und ich fände es reizvoll, wenn unter den Natur- und Geisteswissenschaftlern, die da irgendwelche Sachen über „Schwarzes Loch“ und „Neurolinguistik“ erklären, auch ein Theologe mit der „Dreifaltigkeit“ vertreten wäre. Das spricht gegen einen eigenen eigenen „theology slam“...

Zum anderen schwanke ich auch noch: auf der einen Seite gefällt mir diese „slam – Form“. Auf der anderen Seite weiß ich nicht, ob dadurch nicht auch eine Form des Umgangs mit Information und Wissen unterstützt wird, die in Frage gestellt werden muss. Durch die mediale Informationsaufbereitung sind wir inzwischen an Informationsaufnahme im „Häppchen-Format“ gewöhnt. Ob das gründlich genug ist, ob da tiefere Zusammenhänge aufgezeigt werden können? Vielleicht wäre es hin und wieder angebracht, sich der Mühe zu unterziehen, ein ganzes Buch (oder zwei) zu lesen, um eine Sache zu verstehen oder dem Verständnis zumindest näher zu kommen.

Und in Verbindung damit ein weiterer vorsichtiger Einwand: so sehr mir die Publikumsbeteiligung gefällt – und ich mich tatsächlich auch immer über ein „Lob“ für eine Predigt freue – so sehr hege ich da gleichzeitig eine gewisse Skepsis. Lässt sich der Beifall ganz eindeutig allein auf die Darstellung eines Sachverhaltes beziehen? Oder wird damit auch der Inhalt selbst „beklatscht“?
Über Glaubensinhalte könnte man eben nicht auf diese Weise „abstimmen“. Und nur weil einer die Sache „appetitlich“ und anregend „rüber bringt“, muss noch nicht unbedingt richtig sein, was er da gesagt hat.

Auf jeden Fall müsste man sich gut überlegen, welche Bedingungen Redner/innen und Zuhörende bei einem etwaigen theology slam erfüllen müssten. Zum Beispiel könnte man ja überlegen, ob man nur Menschen mit einem akademischen Abschluss in Theologie auf die Bühne lässt.
Mir geht die Frau nicht aus dem Sinn, die ich bei einer Fronleichnamsprozession zum Kind neben sich sagen hörte: „so, jetzt knien wir uns hin, weil in diesem Brot in der Monstranz, da ist Jesus!“. Natürlich hatte sie eine andere Ausgangssituation als ich bei der Predigt zuvor in der Kirche. Aber ob ich in gut sieben Minuten Redezeit die Sache so auf den Punkt zu bringen vermochte, wie die Frau in einem Satz?