Richtig Herbst ist es! Habe ich seine
Schönheit bei der Rückfahrt aus dem Norden noch genossen, die
bunten Wälder im Sonnenlicht, so bin ich bei der Ankunft hier im
dichten Nebel gelandet. Schon tagelang sei das so, sagten mir die
anderen. Also bin ich am österreichischen Nationalfeiertag mit
unserem aus Tirol stammenden Mitbruder in die Höhe gefahren,
einfach, um einmal dem Nebel zu entkommen. Es hat funktioniert!
Schien zunächst sogar das Auto fahren gefährlich, weil man kaum
etwas sah, so hatten wir oben tatsächlich nicht gerade Sonne, aber
immerhin freie Sicht.
Herbst, freie Sicht: auch Allerheiligen
und Allerseelen gehören dazu. Menschen schmücken die Gräber ihrer
verstorbenen Angehörigen, besuchen diese – und sind dadurch fast
automatisch mit der Frage nach dem eigenen Leben, seinem Ende und dem
„Danach“ konfrontiert. Zeit und Ewigkeit...
Für die Relativität des
Zeitempfindens muss oft einmal der Zahnarzt herhalten: die Zeit
vergeht mir viel zu schnell, wenn ich mit meiner besten Freundin,
meinem besten Freund zusammen bin. Und sie vergeht mir viel zu
langsam, wenn ich auf dem Behandlungsstuhl des Zahnarztes sitze. Das
kann einem wie eine Ewigkeit vorkommen. Am Morgen des Tages unserer
Fahrt aus dem Nebel in die Zone der freien Sicht war ich auf besagtem
Stuhl gesessen, bzw. gelegen. Es war darum gegangen, das Provisorium
auf dem Zahn, dessen Wurzelkanal gut eine Woche zuvor behandelt
worden war, jetzt durch eine richtige Füllung zu ersetzen. Weil das
in einer halben Stunde geschehen war, schlug mir der Zahnarzt vor,
noch an eine weitere Füllung heran zu gehen. Bei dem Zahn zeigte
sich allerdings unter dem heraus gebohrten Amalgam noch Karies, so
dass die Sache langwieriger wurde. Und ich schließlich insgesamt 90
Minuten gemütlich gelegen war – bis auf das gefühlt beinahe
ausgerenkte Unterkiefer.
Zum Abschied meinte dann der Zahnarzt,
dass die Füllungen wohl einige Jahre halten könnten. „Es geht um
Gebrauchsgegenstände“ sagte er, „da gibt es Abnutzung“. Aha!
„Wir können nicht für die Ewigkeit arbeiten, garantieren“ - ich
weiß nicht mehr genau, wie er das sagte. Aber dann grinste er mich
an und sagte: „das ist in Ihrer Profession vielleicht anders!“
Was ich nickend bejahte, zum Viel -Reden war mir mit dem gefühlt
ausgerenkten Unterkiefer noch nicht zumute.
Im Flur der Zahnarztpraxis gibt es
sinnigerweise eine Statue der heiligen Apollonia. Man erkennt diese
Heilige an der Zange, die sie in der Hand hält – und in der Zange
ein Zahn. Der heidnische Pöbel soll dieser frühchristlichen
Märtyrerin alle Zähne ausgeschlagen bzw. mit einer Zange
ausgerissen haben. Mein Ordensgründer hat sie verehrt, weil er wohl
immer wieder mit Zahnschmerzen zu tun hatte.
Also grüße ich beim Verlassen der
Zahnarztpraxis die heilige Apollonia und frage mich, ob das stimmt,
was der Zahnarzt meinte, dass ich es eher mit der Ewigkeit zu tun
hätte. Es kann natürlich sein, dass Menschen, die sich eine meiner
Predigten anhören oder einen Post im Blog lesen, die dafür
verwendete Zeit auch wie eine Ewigkeit vorkommt. Aber darum geht es
ja nicht. Kann ich auf eine unspektakulär unaufdringliche Weise
deutlich machen, dass ich die Ewigkeit ernst nehme?
„Sub specie aeternitatis“ - im
Hinblick auf die Ewigkeit – sollten Entscheidungen getroffen
werden, so riet es nicht nur der Heilige, dessen Namen ich trage. Das
wäre ja nicht nur von einem Wahlkampf zum nächsten denkenden und
rechnenden Politikern zu wünschen. Ich glaube daran, dass sich im
Hinblick auf die Ewigkeit engagiert-gelassen leben lässt. Ich muss
nicht alles in die Zeitspanne meiner irdischen Lebensjahre hinein
packen wollen. Das entlastet. Aber diese Zeitspanne hängt zusammen
mit der, ist Teil der Ewigkeit – das nimmt in die Pflicht und gibt
Verantwortung. Und wie sagte der Heinz, ein Freund aus vergangenen
Tagen, mit ein wenig Pathos in der Stimme: „Ewigkeit, das ist nicht
langweilig und eintönig! Ewigkeit das ist `geballtes Jetzt´“.
Gute Zeit und gute Ewigkeit wünsche
ich!