Dienstag, 31. Dezember 2013

und noch einmal die Bahn...

Und noch einmal die Bahn! Weil ich einfach solidarisch leide mit all denen, die Unannehmlichkeiten auf einer von mir in den vergangenen Jahren häufig gefahrenen Strecke, nämlich München-Salzburg, bzw. -Kufstein, in Kauf nehmen müssen. Also das geht ja wirklich nicht, wie das dort läuft. Bzw. eben nicht läuft! Ab 7.Januar soll es besser werden – wir werden sehen!

Für die Reise zu einem Ordensmännertreffen in Castel Gandolfo im Februar bei Rom habe ich selbstverständlich zunächst den Zugfahrplan studiert. Die Reisezeit von 11 ½ Stunden hätte mich noch nicht völlig abgeschreckt. Aber da gibt es allerhand Umsteigebahnhöfe mit leider längeren Wartezeiten. Also wird es doch das Flugzeug werden. Wenn keine Vulkanasche in der Luft ist oder ein Streik die Sache behindert. Wir werden sehen!

Bis heute beeindruckt mich das Nachspiel einer Bahnreise, welche ich vor einem guten Jahr machte. Es ging zurück aus der Nähe von Frankfurt nach Schellenberg in Liechtenstein, bzw. zum Bahnhof Feldkirch in Vorarlberg. Während die Hinreise anstandslos funktioniert hatte, klappte auf der Rückfahrt allerhand nicht und ich hatte so viel Verspätung, dass ich auf eine Entschädigung hoffen konnte. Vorbildlicherweise wies uns eine Zugbegleiterin im Nahverkehrszug ab Ulm darauf hin. Und diese Dame teilte auch gleich Fahrgastrechteformulare an die Reisenden aus – ich war ja nicht der einzige von der Zugverspätung Betroffene. Also nutzte ich gleich die Zeit im Zug und füllte das Fahrgastrechteformular aus, 25% des Fahrpreises müsste ich wohl zurück erstattet bekommen. Nachdem ich mit einer Sparpreiskarte unterwegs war, nicht viel, aber immerhin...

Als ich in Feldkirch, wo ich die Fahrkarte gekauft hatte, ankam, weigerten sich allerdings die Bahnbediensteten, mein Fahrgastrechteformular anzunehmen, steckte es doch in einem an die Deutsche Bahn adressierten Umschlag. Also schickte ich das Formular an die DB, Servicecenter Fahrgastrechte in Frankfurt. Danach erhielt ich sechs (!) Briefe! Hat irgend jemand einmal den Service der Bahn in Frage gestellt?
Einer der Briefe kam vom Rhein-Main-Verkehrsverbund, denn in dessen Tarifbereich hatte ich meine Reise in der Nähe von Frankfurt begonnen.
Ein weiterer Brief kam von der DB, genauer der Leiterin des Servicecenter Fahrgastrechte. Sie teilte mir mit, dass meine Anfrage an die ÖBB in Wien weiter geleitet worden sei.

Die ÖBB bat mich dann um meine Kontoangaben – ich wohnte ja damals in Liechtenstein, die Entschädigung musste also auf ein Auslandskonto überwiesen werden, das schien die Sache zu verkomplizieren.
Genau drei Monate nach diesem Brief erhielt ich einen weiteren von der ÖBB, in der mit mit geteilt wurde, dass mein Antrag auf Entschädigung geprüft und positiv erledigt wurde. Und ich mit einer Überweisung zu rechnen hätte, auf die ich jedoch noch einmal gesondert hingewiesen würde.

Und tatsächlich: 10 Tage danach kam ein weiterer ÖBB-Brief, der mir mitteilte, dass 7,11 Euro auf mein Konto überwiesen werden würden, was dann tatsächlich auch geschah.
Wenn ich zu diesem Betrag jetzt noch die Portokosten von sechs Briefen hinzu rechne, dann haben sich die verschiedenen Bahn-Dienstleister die Sache doch allerhand kosten lassen.
Also das wieder zur Versöhnung für alle derzeit unzufriedenen und genervten Bahnkunden. Mein Einsatz hatte sich auf das Ausfüllen eines Fahrgastrechteformulars und die Übermittlung meiner Kontoangaben beschränkt. Und zwischendurch war immer wieder einmal ein Brief von der DB oder der ÖBB oder dem Rhein-Main-Verkehrsverbund im Briefkasten.

In diesem Sinn wünsche ich gutes Unterwegs-Sein in diesem Neuen Jahr, wohin immer die Reise auch gehen mag. Und vielleicht macht ja die ein oder andere Panne dann auch noch ein wenig Freude...

Sonntag, 15. Dezember 2013

Fußballer im Advent

Am Samstag vor dem ersten Advent kamen sie: etwa 20 junge Männer, die Spieler der ersten Mannschaft des örtlichen Fußballvereins. Was mache ich denn mit denen? So fragte ich mich schon Wochen vorher – denn sie sind nicht die normale „Klientel“ am Wallfahrtsort hier.

Klar war mir, dass ich nicht irgendeinen Vortrag halten kann, sondern dass unser Zusammensein eher Gesprächscharakter werde haben müssen. Aber auch so ein Gespräch muss ja in Gang kommen und Inhalte haben.

Und es kam in Gang! Und bestätigte mich in meiner Überzeugung, dass es ja eigentlich nur darauf ankommt, miteinander Gott zu entdecken. Beispiele?

Da war der eine, der erzählte, er habe letztes Jahr geheiratet und jetzt ist ein Kind da, eine kleine Tochter. Seine Augen leuchteten, als er das erzählte, das ganze Gesicht strahlte vor Glück und Dankbarkeit.
Ein anderer arbeitet seit zwei Jahren als Heizungsbauer in einer Behinderteneinrichtung. Und auch das hat seine Perspektive verändert. Der junge Mann macht sich zum Beispiel darüber Gedanken, was er machen würde, wenn er selbst ein behindertes Kind hätte. Es zu Hause lassen und dort zu fördern versuchen oder es in eine solche Behinderteneinrichtung geben, wo die Fördermöglichkeiten vielleicht größer und besser sind, wobei er sein Kind eben dann weg geben müsste...
Einen dritten habe ich noch in Erinnerung, der erzählte, wie er bei einer Gehirnblutung seines Vaters zu beten begann und auch der Überzeugung ist, dass sein Gebet geholfen hat, dass sein Vater überlebte.
Wie viel Dankbarkeit und – ja – Respekt überkam mich beim Zuhören!

Und ich verstehe neu den Appell von Papst Franziskus, hinaus zu gehen! Nicht zuerst um zu predigen, sondern um „das Evangelium zu lernen“. Oder womöglich eine „Kirchensprache“ zu verlernen.
Oder noch einmal anders formuliert: „mehr menschlich und weniger spirituell“ zu werden.
Apropos: könnte man nicht Weihnachten genau so verstehen? Diese geniale Idee Gottes, uns nicht mit himmlischen Botschaften aus dem Überirdischen zu beglücken, sondern uns als ein verletzliches Baby entgegen zu kommen?

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch das Lob eines Kollegen weiter geben, das an dem Abend mit den Fußballern als Licht kam. Ein Diakon, den einige von ihnen kennen und bei der ein oder anderen Gelegenheit erlebt haben. „Der redet wie wir“ sagte einer. „Der ist einer von uns“ meinte ein anderer. Noch einmal: Weihnachten! „Der redet wie wir, der ist einer von uns“.

Mir selbst hatte Impulse für das Gespräch mein Bruder Stefan geliefert, nachdem er auch ein Leser dieses Blog ist, auch hier noch einmal: „danke, Stefan!“ Auf meine Frage hin, mir ein paar Tipps zu geben, was wohl Themen für „eine erste Mannschaft“ wären, hat er mir eine ganz Liste zusammen gestellt, die offensichtlich traf. Und unser Gespräch in Gang brachte und sehr lebendig werden ließ!

Samstag, 30. November 2013

Markierungen

Vor kurzem bin ich wieder einmal gewandert. An einem wunderschön sonnigen Tag und bei klirrender Kälte, Schnee fiel erst am Tag darauf. Im Hinblick auf eine mögliche mehrtägige Fußwallfahrt nach Maria Baumgärtle erkundete ich den Neu-Ulmer Anschlussweg zum Allgäu-Schwäbischen Wanderweg Augsburg-Sonthofen. Mir ging es um den Abschnitt Baumgärtle-Babenhausen.

Gott sei Dank war ich mit meinem Wanderführer-Büchlein „Fernwanderwege Voralpenland“ unterwegs, in welchem auch der Allgäu-Schwäbische Wanderweg samt seinen Anschlusswegen beschrieben ist. Denn dieser Wanderweg wurde Ende der 1970er Jahre angelegt. Eigentlich ist es ohnehin erstaunlich, wie viel von den Markierungen noch erhalten ist. Aber eben längst nicht jede! Die Holztafeln sind, falls sie noch stehen, teilweise sehr verwittert und die auf Bäume und Häuser gemalten blauen Andreaskreuze zum Teil auch nur noch äußerst mühsam und eher zufällig erkennbar.

Alles in allem hatte ich einen schönen Tag und hatte am Abend nach reichlich Gehen auf Asphalt auch ein deutliches Gespür dafür, Füße zu haben.

Die Sache mit den Markierungen beschäftigte mich aber noch weiter. Nach welchen Markierungen halte ich Ausschau? Halten wir, z.B. in der Kirche, Ausschau? Kann es sein, dass wir manchmal versuchen, uns an Markierungen zu orientieren, die schlicht nicht mehr da, vorhanden sind? Anstelle darüber zu schimpfen, könnte man jetzt natürlich einen Farbeimer nehmen und die Markierungen erneuern. Bzw. weitere, zusätzliche anbringen, weil womöglich auch mancher Baum mit Markierung nicht mehr steht.

Andererseits lassen sich aber bei genauem Hinsehen vielleicht inzwischen andere Markierungen erkennen. Und auch Wege. Zwischen dem Jahr 2000, als ich von Baumgärtle weg gezogen bin und heute, hat sich die Zahl der Wanderweg-Schilder vervielfacht. Überall stehen sie, die neueren eher aus Metall. Wanderwege ohne Ende... Soll ich, sollen wir einmal einen davon ausprobieren?

Ich möchte sie ja gar nicht gegeneinander ausspielen, die schönen alten Holztafeln des Allgäu-Schwäbischen Wanderweges und die neuen Metallschilder. Nur anregen zur Frage, wonach ich Ausschau halte, ob ich durch die Konzentration auf die alten Schilder auch noch offen bin für neue. Für neue Wege!

Wer weiß, welche Entdeckungen da noch möglich sind!
Manchmal leide ich zugegebenermaßen darunter, wenn Kirchenleute unsere heutige Zeit und Welt als „gottvergessen“ kennzeichnen, womöglich noch mit einem Unterton, welcher an den nahen Weltuntergang denken lässt. Ob das nicht Ausdruck einer subtilen Form des Unglaubens ist? Klar, es gilt auch hier genau hin zu schauen, bzw. zu hören. Zweifellos ist Gott da. Und genauso zweifellos suchen Menschen nach ihm. Ob sie es wissen oder nicht.

Wenn wir doch verstünden, auf die Markierungen hinzuweisen, um ihm auf die Spur zu kommen, um seine Anwesenheit in der einen Erfahrung oder dem anderen Erlebnis zu erkennen. Aber eben nicht nur auf Markierungen hinweisen, sondern auch gemeinsam solche entdecken. „Die Welt ist Gottes so voll“, schrieb Alfred Delp 1945. Und daran hat sich nichts geändert...
Nur nicht Menschen zu ausgetretenen Pfaden zwingen wollen, die ihnen überhaupt nicht entsprechen. Miteinander immer wieder neu die Schönheiten unterschiedlicher Lebenslandschaften mit all ihren Reichtümern kennen lernen und uns auf den Weg machen...

Freitag, 15. November 2013

Atemschutz und Feuermelder...

Kürzlich war ich zu einer Informationsveranstaltung im Krankenhaus, es ging um das „künstliche Knie- und Hüftgelenk“. Nachdem der Chefarzt zunächst eine Stunde erzählt hatte, gab er danach Gelegenheit, Fragen zu stellen. Eine Frau wollte wissen, ob sie im Fall des Falles sich einen Operateur aussuchen könne. Der Chefarzt beruhigte sie und sagte, seine beiden Oberärzte wären genauso fähig wie er, würden die Sache mindestens genauso gut, wenn nicht besser machen. „Wenn mir aber die Nase nicht passt“, meinte die Frau. Und der Chefarzt lächelte: „deswegen tragen wir einen Atemschutz, eine Maske“. Dann sieht die Patientin nicht so genau das Gesicht des Chirurgen...

Wenn mir die Nase eines Menschen nicht passt... Kennen Sie das auch? Mit der einen oder dem anderen tun wir uns nicht so leicht. Sehr brutal reden manche vom „Feuermeldergesicht“, dass einer haben kann: „zum Reinschlagen“. So deftig wird es nicht immer sein. Aber doch so, dass ich ihm lieber aus dem Weg gehe, mit ihr vielleicht nicht zu tun haben möchte.

So etwas gibt es natürlich auch bei Priestern. Und das besondere Gewand, das wir Priester für die Feier der Liturgie anlegen, mag durchaus etwas mit dem „Atemschutz des Chirurgen“ zu tun haben. In dem Sinn, dass es darauf hinweist, dass wir in der Feier Stellvertreter eines anderen, eines größeren sind. Auf der anderen Seite wird uns in der Aus- und Weiterbildung Authentizität nahe gelegt. Und die Menschen, mit denen wir feiern, erwarten das zu Recht von uns. Ich kann und darf mich nicht „im priesterlichen Gewand verstecken“. Also wie jetzt, wenn meine Nase der einen oder dem anderen nicht passt, die mich in der Kirche erleben und ausgerechnet „mich erwischen“, wenn sie z.B. die Sonntagsmesse mit feiern?

In Baumgärtle, wo ich Dienst tue, haben die Menschen noch den Vorteil, dass es Abwechslung gibt. Wir sind mehrere Priester, die an diesem Ort Liturgie feiern. Aber wie geht es in Gemeinden, wo Jahr und Tag derselbe dem Gottesdienst vorsteht? Oder – fast noch schlimmer – was höre ich immer wieder Schwesterngemeinschaften stöhnen, die mit einem Hausgeistlichen auskommen müssen, der ihnen große Mühe macht. Jeden Tag aufs Neue...

Im Monat November beschäftige ich mich mit einem Wort aus dem Epheserbrief, versuche, damit zu leben und zu beten: „Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat“ (Eph 4,32). In ihrem Kommentar zu diesem Wort aus der heiligen Schrift schreibt Chiara Lubich: „Barmherzigkeit heißt, die anderen annehmen, wie sie sind, nicht so, wie wir sie gerne hätten: also mit einem anderen Charakter, mit unseren eigenen politischen Vorstellungen, mit unseren religiösen Überzeugungen und ohne all die Fehler und Verhaltensweisen, an denen wir uns ständig stoßen. Nein! Wir sollen unser Herz weit machen und fähig werden, die anderen in ihrer Andersartigkeit anzunehmen, mit all ihren Grenzen und Armseligkeiten“.

Ganz schön herausfordernd! Und ich verstehe diese Worte auch nicht als einen Appell dazu, Unliebsames unter den Teppich zu kehren bzw. nicht auch Schwierigkeiten ins Wort zu bringen. Vielleicht wäre es hilfreich, dem einen oder der anderen auch einmal zu sagen, womit ich mich an ihr oder ihm schwer tue, was mir „auf den Wecker geht“. Idealerweise werde ich das in Verbindung mit zwei oder drei Motiven der Freude tun, was ich am anderen schätze und mir so richtig gut gefällt bei ihm oder ihr. Und das ehrlich! Nicht mit einem „Scheinlob“ anfangen, um hinterher die Keule zu schwingen! Und dann hilft es eben auch, sich bewusst zu sein, dass die anderen mit einem selbst leben und mich aushalten müssen. Und der liebe Gott uns aushält. „Weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat“ ist die Begründung der zitierten Epheserbriefstelle. Ob Gott lächelt über unsere Eigenheiten? Er möge uns helfen, uns ohne Masken (bzw. Atemschutz) zu begegnen und das Liebenswürdige aneinander zu entdecken...

Donnerstag, 31. Oktober 2013

Seelsorge, die durch den Magen geht...

„Dürfen wir Ihnen eine Gans auf Kirchweih vorbei bringen? Sie haben das so schön gemacht bei unserer Goldenen Hochzeit – wir möchten uns einfach noch einmal bedanken.“ Als einer, der vielleicht gerade noch fähig ist, Würste heiß zu machen oder ein Spiegelei zu braten, zögerte ich einen Moment und sagte dann zu, vor allem um dem Jubelpaar eine Freude zu machen. Und war dann froh, als Tatjana in der Küche sagte, sie käme wohl mit der Gans zurecht und man könne sie eventuell ja als ganze einfrieren – die ganze Gans... Kurz darauf kam sie, ein großes Exemplar, morgens geschlachtet, noch warm... Aber Gott sei Dank schon gerupft, gezupft...

Mir fielen dann andere Episoden ein. Vor Jahren hatte ich einmal das Kind eines Försters und Jägers getauft und bekam danach von ihm Wildschweinrouladen, von seiner Frau bereits mariniert, also bratfertig. Leider gerieten diese dann in der Küche nicht so toll. Was mich darüber nachdenken ließ, wie das ist, wenn wir mit gutem Material nicht sachgerecht und adäquat umgehen. Das ist ja ähnlich wie bei der Predigt: die Grundlage, Gottes Wort in der Heiligen Schrift, ist grandios. Und wir machen nicht immer das Beste daraus, wir Predigerinnen und Prediger. Aber halt – ich wollte nicht gleich „zur Moral von der Geschicht´“ kommen, es gibt noch eine andere tatsächliche Küchenszene.

Die liegt länger zurück. Ich war Kaplan in Klagenfurt. Wo ich gar nicht alle Einladungen „auf a Jaus´n“ annehmen konnte. Auch von Nicht-Kirchgängern übrigens. Und einmal läutete in der Mittagszeit die Hausglocke und vor mir stand der Nachbar mit einem Riesen-Fisch in den Händen. „Den habe ich beim Angeln gefangen und wollte ihn Ihnen schenken“ strahlte er mich an. Nach einem Moment der Sprachlosigkeit bedankte ich mich und erklärte, noch schnell eine Platte holen zu wollen, um den Karpfen, ein solcher war´s, in Empfang zu nehmen. Als ich eine große Platte gefunden hatte und mit dieser bei der Haustür war, legte der Nachbar den Karpfen auf die Platte und der Karpfen schien mir noch einmal zu zappeln, zu meinem großen Entsetzen („lebt der etwa noch?“) – aber wenigstens hüpfte er nicht von der Platte herunter...

Ach ja, zum Essen gehört ja auch das Trinken. „Herr Pfarrer, meine Mutter ist untröstlich! Die Sternsinger sind dieses Jahr nicht hier gewesen. Können Sie die nicht noch bei uns vorbei schicken?“ So sagte mir eine hörbar verzweifelte Frau in Salzburg an einem 7. oder 8. Jänner am Telefon. Ich musste ihr erklären, dass die Sternsingeraktion abgeschlossen sei, die Königsgewänder wieder verstaut bis ins kommende Jahr. „Das geht nicht, Herr Pfarrer, meine Mutter hält das nicht aus, das können Sie nicht machen“. Als mir die Not der Anruferin klar wurde, fragte ich vorsichtig: „würde es denn eine Hilfe sein, wenn ich als Pfarrer vorbei käme, um einen Besuch zu machen und den Segen an die Haustür zu schreiben?“ „Das würden Sie tun, Herr Pfarrer? Das wäre wunderbar!“ Gesagt, getan, wir vereinbarten einen Termin. Ich ging zu der alten Dame und bekam außer der Sternsingerspende auch die für die Sternsingerkinder zurück gelegten Schokoladetafeln. Und damit nicht genug: an Ostern ließ die Dame eine Flasche edlen Champagners bei mir vorbei bringen – immer noch als Dank für den nachgeholten Sternsingerbesuch...

Was sich vor kurzem zugetragen hat: ich ging zu Fuß zur Abendmesse nach Bedernau. Wann immer ich kann, leiste ich mir diesen Luxus, ca. vier Kilometer, 40 Minuten, ein wunderschöner Weg. Als ich am Freitag nach der Messe zurück ging, hörte ich plötzlich jemand „Pater Alois“ rufen. Als ich mich umdrehte, stand da eine Frau bzw. sie lief auf mich zu mit einer kleinen Tüte in der Hand: „ich wollte Ihnen eine Brotzeit mit auf den Weg geben!“ „Wie wissen Sie denn, dass ich jetzt gerade hier vorbei komme?“ „Ja der Christoph (Anmerkung: der Sohn besagter Frau) hat doch ministriert und der sagte mir: `jetzt musst du schnell sein, wenn du dem P.Alois noch etwas mit auf den Weg geben möchtest´“. Also ging ich den Weg weiter mit köstlich knusprigen Salzspitz ausgestattet, die ich mir tatsächlich nach der Rückkehr noch schmecken ließ. Dankbar für die Aufmerksamkeit und zufrieden über den abendlichen Fußmarsch...

Dienstag, 15. Oktober 2013

"Beleidigte Leberwurst"...

Da haben wir sie wieder gehört: die schöne Geschichte aus dem Buch Jona über die Einwohner Ninives, die ihr böses Treiben ließen, umkehrten und damit auch Gott zum Umdenken brachten.
„Da reute Gott das Unheil, das er ihnen angedroht hatte, und er führte die Drohung nicht aus“ (Jona 3,10).
Ist Gott so? Beleidigt, wenn wir Menschen uns nicht anständig benehmen, so dass wir uns anstrengen müssen, irgendwie „gut Wetter zu machen“? Oder übertragen wir da nicht eine allzu menschliche Vorstellung auf ihn? Weil wir uns irgendwie behelfen müssen, möchten...

„Caro mio ben Gesú, non ti vorrei offender´ piú“ - so habe ich einmal ein italienisches Gebet gelernt. „Mein lieber Jesus, ich möchte dich nicht mehr beleidigen“. Und im Beichtstuhl begegnet mir auch immer wieder diese Formulierung: „ich habe Gott beleidigt“. Achtsam versuche ich mit so etwas umzugehen, klar. Und doch auch mit einer gewissen Sorge: dass jemand die Sache mit Gott für sich eventuell zu schnell klar hat. Gott beleidigen – wieder brav sein – neu anfangen. Ohne unruhig zu bleiben, auf der Suche nach dem wirklichen, nie begreifbaren Gott. Der immer ganz anders ist.

Unter den aktuellen Neuerscheinungen auf dem theologischen Buchmarkt heißt ein Titel: „Kann man Gott beleidigen?“ Untertitel: „Zur aktuellen Blasphemie-Debatte“. Immer wieder zogen in den letzten Jahren Menschen demonstrierend, protestierend vor Kinos, wenn ihnen der zu zeigende Film „beleidigend für Gott“ schien. Und manche Christen verweisen dann auf das Verhalten mancher Muslime, die sich Karikaturen des Propheten Mohammed und anderes eben nicht gefallen lassen. Was wäre los, wenn...

Blasphemie-Gesetze sind eine heikle Angelegenheit, wenn sie vor allem dazu gemacht scheinen, um eine Handhabe gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, Angehörige einer bestimmten Religion in der Hand zu haben.
„Kann man Gott beleidigen?“

Und wieder zitiere ich den Satz des großen mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin: „non enim Deus a nobis offenditur, nisi ex eo, quod contra nostum bonum agimus“. Auf deutsch: „Gott wird durch nichts (anderes) beleidigt, außer durch dasjenige, womit wir uns selbst schaden, was wir gegen unser eigenes Wohl anrichten“.
Ich glaube, es ist der einzige Satz von Thomas, den ich mir aus meinem Studium in Erinnerung behalten habe. Und immer noch bin ich glücklich über diesen Satz. Er korrigiert ein Verständnis, das Gott und Mensch als Konkurrenten erscheinen lässt. So in die Richtung: „die Menschen müssen tun, was dem lieben Gott gefällt. Und wehe nicht: dann gibt es Ärger! Gott ärgert sich, ist beleidigt und die Menschen haben gefälligst umzukehren“. Dabei gerät aus dem Blick, das Gott ja ein „Gott für uns“ ist, der an nichts so interessiert ist wie an unserem Wohlergehen. Und dass wir zu unserem Heil am besten dann finden, wenn wir uns für Gott und seine Maßstäbe interessieren.
Also: umkehren nicht, um den zornigen Gott wieder gnädig zu stimmen. Sondern um etwas für sich selbst zu tun!

Und nach all dem: so fragwürdig ich die Vorstellung des beleidigten Gottes halte, ich kann mir auch nicht vorstellen, dass mein und unser Verhalten Gott völlig kalt lässt. Wenn ich mit Gott in einer Beziehung lebe, dann kann es nicht sein, dass er unbeweglich wie ein Felsblock registriert, was ich tue und wie es mir ergeht...

Vor allem aber möchte ich das Gespräch mit Menschen suchen, für die es überhaupt kein Thema ist, ob sie „Gott beleidigen“ oder nicht...

Sonntag, 15. September 2013

Die Hütte

Viele Menschen haben in den vergangenen Jahren William P. Youngs „Die Hütte“ gelesen, eine unkonventionelle Annäherung an das Geheimnis des dreieinigen Gottes.

Ich erzähle von einer anderen und ebenfalls wichtigen Hütte, dem Lagerungsort für Gartenmaterial und -möbel bei meinen Eltern zu Hause. Schon länger hatten die Eltern darum gebeten, das Dach dieser Hütte zu erneuern. Am letzten Samstag im August war es dann so weit: während einer meiner Brüder schon mehrere Tage die Gartenlaube der Eltern gestrichen hatte, ein Anstrich nach dem anderen, das Holz schien viel Durst nach Farbe zu haben, machten sich ein anderer Bruder, Helmut und ich an das Dach des Gartenhäuschens.

Konkret wusste Helmut, der gelernte Schreiner und Praktiker, wie die Sache anzugehen ist und ich versuchte mich als Handlanger.
Als wir damit begannen, die alte Dachpappe zu entfernen, stellte sich heraus, dass die darunter liegenden Holzplatten bereits teilweise angefault waren. Klar, da lag so manchen Winter allerhand Schnee auf dem Hüttendach. Helmut hatte es öfter frei geschaufelt.
Also reichte die eine Rolle neue Dachpappe nicht aus, die Helmut bereits besorgt hatte. Wir fuhren zum Baumarkt vor Ort und suchten nach neuen Holzplatten. Wasserfeste Sperrholzplatten gab es nicht im Angebot, der Verkäufer schlug uns OSB-Platten vor. Und erklärte, dass das Zuschneiden genauso teuer wäre wie die Platten selbst. „Schneidet die lieber selbst“. Also: acht Holzplatten, eine weitere Rolle Dachpappe und die dazugehörigen Nägel eingekauft und zurück zur Baustelle.

Dort ging es jetzt um eine Säge zum Zuschnitt der Holzplatten, was die Nachbarin meiner Eltern mit bekam. Sie schickte ihren Lebensgefährten ins Nachbarhaus und er kam mit einer Handkreissäge zurück. Auch die nötigen Holzböcke, um die Holzplatten aufzulegen, stellte der Nachbar zur Verfügung.
Und nun ans Werk: weitere Dachpappe entfernen, Holzplatten herunter nehmen, neue Holzplatten zuschneiden und auf der Hütte anbringen. Zunächst auf einer der beiden Dachseiten – Helmut hatte den Plan und die nötige Ahnung.

Mittlerweile kam die Nachbarin von der anderen Seite, die zuvor schon einmal Unzufriedenheit darüber geäußert hatte, wie ich die neuen Holzplatten abgestellt hatte – sie hatte Sorge um ihre Pflanzen. Und jetzt erschien sie wieder und behauptete, die neuen Holzplatten wären länger als die alten, das Dach der Hütte würde noch weiter als bisher schon in ihr Grundstück hinein reichen. Mit bewundernswerter Ruhe konnte Helmut diesen Vorwurf entkräften, in dem er eine der alten Platten auf eine neue legte und zeigte, dass das Maß dasselbe ist. Die Nachbarin meinte, dass wir wenigstens darauf hinweisen hätten können, dass wir am Samstag arbeiten und Krach machen. Und erzählte, dass sie auch auf der anderen Seite ihres Hauses den Krach einer anderen Baustelle auszuhalten hatte. Und von dort her noch Staub auf ihre zum Trocknen aufgehängte Wäsche geflogen sei. Die gute Frau war ziemlich ungehalten und ich fand es sehr beachtlich, wie Helmut die Ruhe bewahrte.

Die hat er ja auch mir gegenüber gebraucht, der ich eben kein Fachmann bin und das ein oder andere Mal geschickter hätte zupacken können. Helmut vertraute mir sogar die Bohrmaschine und den Akkuschrauber an und schimpfte nicht einmal, als ich letzteren nicht ganz sachgerecht bediente.
Und gab mir noch den Hinweis, den Hammer doch besser weiter hinten zu halten. Nachmittags war die Gartenhütte mit neuen Holzplatten und neuer Dachpappe gedeckt und ich hatte Freude daran und am Zusammenarbeiten und der Art des Umgangs miteinander. Was auch unser Vater wohlwollend bemerkt hatte: „woanders schreien sie auf den Baustellen – bei euch ging alles ganz ruhig zu, Hand in Hand...“.
Helmut machte sich auf den Weg zur Geburtstagsfeier eines Arbeitskollegen und wir ließen uns ein Feierabendbier im Biergarten schmecken...
Formen des Zusammenarbeitens und der Nachbarschaft gehen mir nach...

Samstag, 31. August 2013

Monika und Augustinus

Zwei Nordafrikaner. Monika und Augustinus, Mutter und Sohn. Tagaste hieß ihr Wohnort damals, heute ist das algerisches Staatsgebiet. Augustinus war ein Suchender. Zeit seines Lebens. Seine Suche führte ihn auch nach Europa.

Damals waren die Umstände anders als heute. Denn heute könnte es sein, dass Augustinus bei seiner Reise von Afrika über das Meer nach Europa nicht ankäme, sondern wie viele andere Afrikanerinnen und Afrikaner sein Grab im Mittelmeer fände. An dessen Stränden Touristen Sonne und Wind genießen. Tagsüber liegen die Touristen am Strand, nachts werden die Leichen angeschwemmt. Menschen auf der Flucht, auf der Suche nach einem anderen, einem besseren Leben.

Augustinus hatte Glück. Er kam an, erreichte europäisches Festland. Und wurde auch bei seiner Suche fündig. Predigten des Ambrosius in Mailand gaben ihm Antwort auf seine existentiellen Fragen. Und so ließ sich Augustinus von Ambrosius taufen – zur Freude seiner Mutter Monika.

Dies könnte allzu Ängstlichen zu denken geben, die sich vor allzu viel nicht-christlichen, muslimischen Einwanderern fürchten. Obwohl diese Thematik angesichts der Not und des Elends als äußerst nebensächlich scheint. Aber wer sagt denn, dass „Bekehrung“ nur in eine Richtung gehen muss? Ob ansteckend gelebtes Christ-Sein nicht auch Auswirkungen haben könnte?

Aber da sind wir ja schon wieder bei der Ausgangssituation: Christen in Europa scheinen großenteils andere Probleme zu haben als Not leidende Menschen aus Afrika aufzunehmen. Wenn aber darunter ein Augustinus wäre? Der heute als einer der vier heiligen lateinischen Kirchenväter verehrt wird, wohl als deren bedeutendster? Am 28.August steht er im Kalender, seiner Mutter Monika einen Tag vorher, am 27.

Der Generalvikar der Diözese Augsburg schrieb jüngst einen Brief an die Pfarrer seines Bistums mit der Bitte, Wohnraum für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Das ist eine gute kirchliche Maßnahme! Nicht jedes Gebäude eignet sich, klar. Und allein mit dem Gebäude ist es realistischerweise noch nicht getan. Aber so manches Pfarrhaus steht leer. Und vielleicht bekäme es dem Haus gar nicht schlecht, wenn es nicht so lange leer stünde. Ganz abgesehen von den Möglichkeiten, die sich für eine Gemeinde ergäben, wenn da plötzlich eine Familie aus Syrien wohnte und – ja – Hilfe bräuchte.

Die Bundesländer Bayern und Hessen haben sich jetzt erst einmal auf einen jährlichen „Tag der Vertreibung“ im September geeinigt. Nett! Wann sind jetzt gleich noch einmal die Landtags- und Bundestagswahlen?
Auch historischer Vertreibung zu gedenken ist nicht unproblematisch. Angesichts von Menschen, die heute ohne jegliches Hab und Gut vor unserer Tür stehen, scheint das Gedenken allerdings doch weniger herausfordernd zu sein.
Was, wenn das für Gedenkveranstaltungen ausgegebene Geld dafür investiert würde, Asylanträge schneller zu bearbeiten und Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen?

Nein, ich will gar nichts gegeneinander ausspielen. Nur Zusammenhänge aufzeigen und Querverbindungen herstellen...

Donnerstag, 15. August 2013

Missionarsgeschichten

Urlaub war es keiner – eine wunderschöne Woche trotzdem!
Zu einer Tagung von Ordensmännern war ich eine Woche in der Nähe von Verona. Wir waren ca. 70, aus 30 verschiedenen Ordensgemeinschaften und bis auf Australien war jeder Kontinent vertreten.

Wie so oft war neben inhaltlichen thematischen Schwerpunkten und der eigentlichen Konferenzarbeit auch hier das Informelle ganz wichtig: also nicht nur das gemeinsame Meditieren oder Hören gelehrter Vorträge, sondern auch das Tischgespräch. Und das hat ja schon eine besondere Qualität, wenn da neun Ordensmänner aus aller Welt miteinander an einem Tisch sitzen.
Bei einem Mittagessen saß ich gegenüber Armando, der seit 30 Jahren als Missionar in Kamerun arbeitet. Ein prächtiger Xaverianer – Pater. Männer aus der Gemeinschaft der Xaverianer arbeiten übrigens auch in Brasilien in der Diözese Altamira mit unserem Bischof Erwin Kräutler zusammen. Und seit Jahren schon bin ich mit Matteo befreundet, einem italienischen Xaverianer in Indonesien.
Armando erzählte also bei Tisch, wie die Einheimischen in Kamerun ohne Magenprobleme Wasser aus Tümpeln trinken, aus denen auch das Vieh trinkt und in denen die Menschen sich selbst und ihre Kleider waschen. Daran hat sich sein Magen nicht gewöhnt. Für ihn als ausländischen Missionar gilt die eiserne Regel: „immer Wasser dabei haben. Es sei denn, Du weißt sicher, dass an dem Ort, zu dem du gehst, ein Brunnen ist, aus welchem Grundwasser geschöpft werden kann!“
Nachdem wir schon beim Trinken waren, wurde Armando auch nach dem Essen gefragt. „Esst ihr dort auch Schlangen?“ „Ja sicher!“ „Du auch?“ „Ja klar, man isst das, was die Leute essen!“ „Und wie schmeckt Schlange?“ „So wie Fisch, gar nicht übel!“.

Während wir in Europa lebenden Ordensmänner noch etwas skeptisch drein blickten, meldete sich vom anderen Tischende Gino zu Wort, ein schon lange im brasilianischen Amazonien wirkender Missionar. „Klar, man passt sich den Leuten an! Mir hat geholfen, was meine Mutter mir sagte, als ich vor vielen Jahren ins Seminar eintrat: `richte dich im Verhalten nach dem, was die anderen tun, damit du zurecht kommst!´“ Mit dieser Devise wollte Ginos Mutter ihm natürlich nicht nahe legen, ein „Mitläufer“ zu werden, sondern tatsächlich eine hilfreiche Verhaltensregel an die Hand geben. Und ich staunte und freute mich, wie dieser mütterliche Ratschlag das Leben des Missionars über die Jugendzeit im Seminar hinaus prägt.

Auf dem Weg zum Bahnhof am letzten Tag erzählte Armando dann noch, dass auch in Afrika die Berufungen zum Priestertum und Ordensleben zurück gehen. Ich fragte nach, weil uns im Flüchtlingsdienst gesagt wurde, für Afrikaner sei Gott immer ein Thema. Und da unterschied Armando fein und klar zwischen „Religion“ und „Leben nach dem Evangelium“. Viele Menschen sind irgendwie religiös – und in Afrika wohl mehr als in Europa. Aber das konsequente Leben des Evangeliums ist dann noch einmal etwas anderes – und das dürfte jetzt für Afrika und Europa gleichsam gelten.

Dieses Thema geht mir ehrlich gesagt noch mehr nach als die Sache mit den exotischen Speisen...
Victor fällt mir noch ein, ein spanischer Freund, Piaristenpater. In Madrid sind wir uns öfter begegnet. Und jetzt ist er seit kurzem in Indonesien – ganz weit entfernt von Matteo. Und ich habe gehört, eine der Anfangsschwierigkeiten für Victor ist durchaus das ungewohnte Essen.

Zum Schluss heute eine Werbeeinschaltung. Wenn Du mehr missionarische Erzählungen lesen möchtest, wenn Sie sich für Mission auf höherem Niveau als in diesem Post interessieren, dann empfehle ich KONTINENTE, ein von 24 verschiedenen Ordensgemeinschaften heraus gegebenes Missionsmagazin, das zwei-monatlich erscheint.

Mittwoch, 31. Juli 2013

Digitale Theologie

Wir haben einen neuen Generaloberen in unserer Gemeinschaft! Auf dem Foto, das ihn bei der ersten Messe in seinem neuen Amt zeigt, sehe ich, dass auf dem Altar vor ihm kein Messbuch, sondern ein Tablet-PC liegt. Das passt zu ihm, denn auch zum Stundengebet verwendet er dieses Gerät, nicht etwa ein Buch, das klassische „Brevier“.

Es erinnert mich an eine gewisse Irritation, die mich überkam, als ich im vergangenen Jahr in Kufstein und Salzburg mit unseren italienischen Seminaristen zusammen betete und sah, dass einige ein Buch, andere aber ihr Smartphone auf der Kirchenbank vor sich liegen hatten. Nanu! Als ich diese daraufhin ansprach, lächelten sie mich an und erklärten: „normalerweise verwenden wir schon ein Buch. Auf Reisen nehmen wir aber immer wieder das Handy“. Bin ich zu misstrauisch? Wenn ich mir vorstelle, wie das den Seminaristen beim Breviergebet geht, wenn gleichzeitig neue Facebook-Nachrichten angezeigt werden...

In einer Klagenfurter Pfarrei mokieren sich die Leute darüber, dass ihr indischer Priester ebenfalls kein Buch mehr in der Liturgie verwendet, sondern sowohl die Schrifttexte als auch die Gebete von seinem Tablet abliest.

Ohne irgendwie werten zu wollen, versuche ich zu verstehen, was da passiert, was welche Empfindungen auslöst. Die Sonntagsmesse der Klagenfurter Pfarre wird doch sicher nicht nur von Technik-feindlichen Menschen mit gefeiert. Da sind sicher gewiss solche darunter, die in Beruf und Freizeit mit dem PC arbeiten. Lustigerweise habe ich aber gerade von jungen Leuten Missfallen gegenüber dem PC in der Liturgie gehört, einer ist ein EDV-Spezialist...

Und ich weiß, dass die neuseeländische Bischofskonferenz verboten hat, solche elektronischen Geräte in der Liturgie zu nutzen, da soll beim Buch geblieben werden. Dieser Beschluss war und ist umstritten und ich bin gespannt, wie die Entwicklung auf Weltkirchenebene weiter geht.

Die Technik, der Computer halten immer mehr Einzug in alle Lebensbereiche. Aus der Liturgie soll sie, soll er draußen bleiben? Was bedeutet das? Wünschen wir uns in der Liturgie in eine andere Welt hinein zu treten? Oder schreiben wir der Liturgie eine gewisse „(Vor-)Gestrigkeit“ zu, welche zu moderner Technik im Gegensatz steht?

Sind wir misstrauisch, dass der Priester mit demselben Gerät, das er eben zur Messe verwendet, am Vorabend vielleicht einen Krimi oder Western angesehen oder seine Post erledigt hat?
Kann es sein, dass uns diese Vermischung von Alltag und Liturgie etwas zu weit geht? Und was sagt das alles über uns selbst? Über unser Verständnis von Liturgie, von Gottesdienst, von dem, was Christ-Sein heißt und ausmacht?

Geht es „nur“ um ästhetische, um Stil-Fragen? Oder liegt dahinter bzw. darunter verborgen noch Tieferes? Prägt denn mein Christ-Sein meine konkreten Alltagsvollzüge? Kann uns die Frage nach dem richtigen Mittel zur Gottesdienstgestaltung – herkömmliches Buch oder elektronisches Gadget – gar helfen, dass wir neu verstehen, Christ-Sein nicht auf gottesdienstliche Vollzüge am Sonntag und gelegentliche Kontobewegungen für Wohltätiges zu beschränken?

An der Jesuitenfakultät Gregoriana in Rom gibt es seit kurzem einen Lehrstuhl für „digitale Theologie“. Mag sein, dass sich die Menschen dort genau mit solchen Fragen beschäftigen. Sie sind es allemal wert!

Montag, 15. Juli 2013

Wem nützt was?

Soll die EU weitere Beitrittsverhandlungen mit der Türkei führen? Diese Frage stellt sich nach dem harten Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen Demonstranten in verschiedenen türkischen Städten in den letzten Wochen. Wem nützt was? Es gibt ja auch die Ansicht, dass gerade im Hinblick auf die bedrängten Demonstranten EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei geführt werden müssen, um diesen den Rücken zu stärken.

Die evangelische Kirche in Deutschland hat ein Papier verabschiedet und veröffentlicht, in dem es um Ehe geht. Ich gebe zu, ich habe dieses Papier nicht gelesen. Von daher schreibe ich das Folgende sehr ungeschützt, vielleicht sogar leichtfertig. Aufgrund der vielfältigen Resonanz zu besagtem Papier in den Medien wird deutlich, dass der traditionelle christliche Ehebegriff darin aufgeweicht wird. Was Kritiker innerhalb der evangelischen Kirche auf den Plan rief, aber auch einen katholischen Bischof in Deutschland dazu brachte, die Ökumene als solche in Frage zu stellen. Wem nützt was? Könnte etwa nicht ernsthafte Ökumene bedeuten, das Gespräch in der Sache zu suchen, mit Hartnäckigkeit über den Ehebegriff zu reden? Wenn katholische Würdenträger mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten Martin Luthers die Gelegenheit nutzen, aufgrund eines EKD-Papiers zum Thema „Ehe“ ihren ökumenischen Widerwillen zu zeigen, dann wirkt das befremdlich und peinlich. Ein evangelischer Verteidiger des verabschiedeten Ehepapiers sprach davon, dass es nicht um eine Relativierung der christlichen Ehe gehe, sondern um ein Aufgreifen und Benennen der gesellschaftlich gelebten Wirklichkeit. Das Faktische wahrnehmen, ohne sich von der „normativen Kraft des Faktischen“ bestimmen zu lassen und die eigenen Ideale dabei über Bord zu kippen! Das gilt für die Ehe wie die Ökumene. Was die Ökumene angeht, zeigt sich an solch schwierigen Diskussionen und den durch sie ausgelösten Formulierungen wohl, vor welchem Hintergrund jemand Ökumene betreibt. Wenn mir die Einheit der Christen ein Anliegen ist, dann leide ich an der ein oder anderen Aktion, aber es geht um meine Brüder und Schwestern. Diese Geschwisterlichkeit kann ich nicht aufkündigen, weil mir etwas nicht passt. Ökumene ist keine Politik, obwohl sie sicher auch mit Diplomatie zu tun hat.

Papst Franziskus hört nicht auf, die Menschen in der Kirche dazu aufzufordern, an die Ränder zu gehen. Lieber draußen bei einem Unfall verletzt werden, als in der stickigen Luft drinnen krank werden! Gratwanderungen, die als Folge einer solchen Aufforderung unternommen werden, mögen ungewohnte Ausblicke ermöglichen und sie sind gefährlich.

Neulich habe ich einen Mitbruder der Arroganz bezichtigt – und es war in der Situation noch eher das Harmloseste, was mir einfiel. Aus Sicht des Angegriffenen mag es verständlich sein, dass er sich gar nicht mehr dafür interessiert hat, wieso ich ihn mit diesem Attribut belege, er reagierte mit Gesprächsverweigerung, als ich ihm meine Haltung erklären wollte. Diplomatisches Fingerspitzengefühl ist nicht nur bei EU-Beitrittsverhandlungen und im ökumenischen Gespräch gefragt...

Sonntag, 30. Juni 2013

Umzug

„Du Zigeuner!“ sagte mir eine Pfarrsekretärin, als ich ihr von meinem bevorstehenden Umzug berichtete. Meine häufigen Ortswechsel in den letzten Jahren lassen solch eine Deutung freilich zu. Wollte ich mich auf mein „Missionar“-Sein berufen, könnte das missverstanden werden. Der Gründer unserer Gemeinschaft meinte ja: „der Missionar ist keine unbewegliche Statue!“.

Also: ich möchte mich nicht rechtfertigen. Vielleicht haben diejenigen Recht, die meinen, dass ich es schlicht nirgends lange aushalte und dies Ausdruck einer inneren Instabilität sei. Sei´s drum!

Ganz frech würde ich solchen dasjenige entgegenhalten, was ich bei Ida Friedrike Görres als „Pilgersünde“ bezeichnet gefunden habe: „des Weges müde zu werden und sich voreilig eine Hütte zu bauen“, um „der angstvollen Unermesslichkeit des Unsichtbaren, des rufenden Ewigen“ auszuweichen. Wir sind und bleiben unterwegs...

Beim Schachteln packen ging mir Papst Franziskus nicht aus dem Kopf, der vor kurzem, vor den Gefahren des Reichtums warnend, humorvoll und gleichzeitig drastisch sagte: „ich habe noch nie einen Umzugswagen dem Leichenwagen hinterher fahren gesehen“. Beim Einpacken von 26 Umzugskartons – das geschah immerhin an einem Tag! - dachte ich wehmütig an meinen Umzug vor ein paar Jahren nach Madrid zurück. Es gelang zwar, eine Fluglinie zu finden, die mich gegen einen geringen Aufpreis zwei Gepäckstücke mitnehmen ließ, aber das war´s dann auch: ein Koffer und der große Rucksack. Und ich kam gut mit dem mitgenommenen Material aus, musste in Madrid kaum etwas einkaufen. Und jetzt: 26 Umzugskartons!

Wobei diese Kartons auch schon öfter umgezogen sind. Auf ein paar steht „P.Alois – Baumgärtle“ drauf und diese Aufschrift stammt von einem ersten Umzug dorthin im Jahr 1996. Diese, wie die anderen Kartons auch, nimmt man aufgrund ihres Zustands besser nicht mehr an den dafür vorgesehenen seitlichen Griffen, sondern trägt sie, am Boden unten haltend.

Wenigstens muss ich keine Möbel mitnehmen – das macht ja für andere Leute einen Umzug besonders mühsam. Das heißt, ein Möbelstück gibt es: mein Meditationshocker. Den Unkundige als Tischchen bezeichnen. Und auch ebenso verwenden, etwa, um eine Pflanze darauf abzustellen.
Dieses Möbelstück passt aber in einen Umzugskarton hinein. Ich hatte es auch nach Madrid mit genommen – im Rucksack! - , im Gegensatz etwa zum Kelch für die Eucharistiefeier. Kelche stehen überall herum. Aber solch ein Meditationshocker? Handwerker hätten sich vermutlich schnell selbst einen gebastelt. Tatsächlich fanden die spanischen Mitbrüder ebenso Gefallen an diesem Möbelstück und wollten ein solches. So dass ich auf Weihnachten hin in Traunstein ein Paket packte, zwei Exemplare Meditationshocker hinein gab, das Ganze mit Weihnachtsplätzchen, bzw. -keks gut polsterte und nach Madrid sandte.
Kelch und Meditationshocker: Symbole für „Über-Lebensmittel“ für mich. Ohne die Eucharistiefeier und eine halbe Stunde Meditation am Tag fehlt mir etwas.

Der Umzug ist mit Abschied nehmen verbunden. Und obwohl das durchaus auch angenehme Seiten haben kann, wird es gleichzeitig schwerer, je älter ich werde – das spüre ich.
Für das Neu-Anfangen gibt es zwei entgegen gesetzte Grundregeln. Die eine sagt: „schau erst einmal ein Jahr, bevor Du etwas änderst!“. Die andere: „wenn Du etwas ändern möchtest, tu es sofort. Später gelingt das nicht mehr!“ Ich habe mich nie strikt an eine der beiden Regeln gehalten, gefühlsmäßig gefällt mir die erste besser. Beim Blick auf meine Zeit in Schellenberg stelle ich fest, dass ich etwas sofort verändert habe – hierzu gibt es den Post von 31.1.12 „Die Brille und das Kabel“ - anderes habe ich lange ertragen. Wobei ich mir deswegen nicht unbedingt Vorwürfe mache, denn eventuell ist ja hin und wieder „Ertragen“ angesagt.

Welch ein Luxus, umziehen zu können, mit 26 Kartons und manchem Krimskrams. Und nicht mit ein paar Habseligkeiten am Leib flüchten zu müssen...

Freitag, 31. Mai 2013

Fini Zenkl

„Ich möchte gerne die Ministranten einmal zum Essen einladen. Sie müssen aber mit gehen!“ So sagte mir damals Frau Zenkl, vor vielen Jahren in Klagenfurt, wo sie sich um die Sakristei kümmerte, in der Pfarrei, in der ich Kaplan war. Und dann wurde sie noch konkreter: „ich habe da ein Lokal in der Bahnhofsstraße gesehen, wo immer viele junge Leute sind. Das könnte etwas für die Ministranten sein, oder?“ Also zogen wir an einem Samstag Nachmittag in die Klagenfurter Bahnhofsstraße, sieben oder acht Ministranten, Frau Zenkl, damals bestimmt schon Mitte 60 Jahre alt und ich, der Kaplan. Das Lokal, welches Fini Zenkl ausgesucht hatte, war eines aus der Fastfood-Kette mit dem gelben M. Alle Ministranten durften sich etwas zu essen auswählen, ich natürlich auch, und Fini Zenkl bezahlte. Was der Kassiererin den an die Kinder gerichteten Kommentar entlockte: „habt Ihr aber eine nette Oma und einen lieben Papa!“

Frau Zenkl lebte ihren Mesnerdienst ganzheitlich, mit großer Hingabe und ebensolchem Einsatz. Wir blieben lange in Kontakt, die letzten Jahre war er schwächer geworden und ich war dann von der Nachricht ihres Todes überrascht. Und hatte den Wunsch, ihr Grab zu besuchen. Was ich am vergangenen Pfingstfest, das ich in Kärnten verbrachte, dann auch tat.

Von Beruf war Fini Zenkl Krankenschwester gewesen – und Sauberkeit und Hygiene blieben bei ihr groß geschrieben. Ich erinnere mich daran, dass Pater Johannes, mit dem ich gemeinsam in der Klagenfurter Pfarre lebte, eines Morgens von einem schrecklichen Traum erzählte, den er in der Nacht gehabt hatte. Frau Zenkl hatte die halbe Kirche ausgeräumt, die Bänke auf die Seite geschoben, um ja gut putzen zu können. Und dann hatte sie noch alles mit einem Desinfektionsspray eingesprüht. Über solch einem Traum war Johannes wohl aufgewacht. Regelmäßig litt er darunter, wenn Fini Zenkl oder jemand anderer mit zu viel Wasser das Holz der Kirchenbänke oder des Parkettbodens behandelte.

Christian, damals einer der Ministranten und inzwischen Pfarrgemeinderatsobmann der Gemeinde, erinnerte sich, dass er versuchte, den Bitten Fini Zenkls umgehend nachzukommen. „Einmal meinte sie, man müsste doch das Glasvordach vor der Kirche abspritzen, weil es so schmutzig sei. Und ich bemühte mich, möglichst schnell zur Stelle zu sein und das zu tun, weil ich Angst hatte, dass sie womöglich selbst hinaufsteigen und putzen würde, und dann eventuell herunter fallen könnte“. Denn sie legte sich auch Bretter auf die Kirchenbänke, auf welche sie dann eine Staffelei stellte, um die Kirchenlampen putzen zu können.

Mir selbst ist noch die Akribie in Erinnerung, mit der Fini Zenkl Altartücher bügelte und auf den Altar legte. Manchmal, wenn ich später in Kirchen irgendwo recht zerknitterte Tücher sah, musste ich daran zurück denken.

Aber Fini Zenkl war nicht nur eine Person mit einem Reinlichkeits- und Ordnungsfimmel. Mit dem sie unter Umständen, das ist vermutlich deutlich geworden, Menschen auch lästig werden, auf die Nerven gehen konnte. Der Kirchenbau war ihr tatsächlich so etwas wie ein Zuhause. Oft einmal richtete sie ihre Arbeit so ein, dass sie mittags in der Kirche war, wenn die Glocken läuteten. Und dann betete sie das Gebet des „Engel des Herrn“. Gar keine Frage, dass sie auch sonst zu jedem Gottesdienst anwesend war.

Am Ende ihres Leben sei es schwieriger mit ihr geworden, sie konnte sich wohl auch nicht mehr so ganz leicht mit wechselnden Priestern in der Gemeinde und deren jeweils neuen Eigenheiten abfinden. Und trotzdem wünsche ich vielen Gemeinden solche Menschen wie Fini Zenkl. Und weiß gleichzeitig, dass es sie gibt, immer wieder und gar nicht so selten...

Mittwoch, 15. Mai 2013

Pfingsten

Gottes

guter

Geist

gibt Gelassenheit,

gewährt Großmut,

gebietet Gerechtigkeit,

geißelt Gier,

gestaltet Gesellschaft,


Gottes

guter

Geist

- für uns, in uns, durch uns, mit uns!


Dienstag, 30. April 2013

Polen, Ende April...

Breslau, etwa 700.000 Einwohner (100.000 davon Studenten) zählende Hauptstadt Niederschlesiens, viertgrößte Stadt Polens und Sitz des Provinzialates der polnischen ASC (Anbeterinnen des Blutes Christi)-Provinz. Die letzte Tatsache war der Grund unseres Besuches dort in der vergangenen Woche. Denn seit 18 Jahren leben und arbeiten Schwestern aus dieser Provinz mit uns Missionaren vom Kostbaren Blut gemeinsam in Maria Baumgärtle. So fuhren der bisherige Rektor, P.Josef, und ich als sein Nachfolger, gemeinsam mit Sr.Ewa und Sr.Yvonne, den beiden ASC-Schwestern, die momentan in Baumgärtle sind, nach Breslau.

Und die Schwestern freuten sich offensichtlich sehr über diesen Besuch! Polnische Gastfreundschaft ist ja sprichwörtlich, aber in den gemeinsam verbrachten Tagen schien sie nicht mehr zu überbieten. Zwischendurch war ich fast ein wenig beschämt, auf jeden Fall aber sehr dankbar für die Begegnungen. Und für die neu gewonnene Klarheit darüber, wie wichtig es ist, sich für den anderen, bzw. die andere und seine/ihre Welt zu interessieren. Und dies konkret werden zu lassen, eben etwa durch einen Besuch in der Heimat des/der anderen.

Neben der Provinzialoberin und ihren beiden Rätinnen leben im Breslauer Haus noch die Provinzsekretärin, eine Schwester arbeitet als Religionslehrerin, eine als Ärztin, sie macht gerade die Anästhesie-Facharzt-Ausbildung zu Ende, eine arbeitet in einem Pfarrbüro, eine begleitet hauptberuflich Pilgerfahrten, eine ist für die Küche im Haus zuständig, eine begleitet Gruppen von Laien, die mit den Schwestern in Verbindung sind und eine pflegt zur Zeit ziemlich rund um die Uhr ihre Mutter.

Außer den offiziellen und informellen Gesprächen gab es viel Zeit für touristische Unternehmungen. Das Haus der ASC-Provinzleitung liegt in der Nähe des Olympiastadions. So weit war es also nicht bis ins Zentrum, welches wir an einem Vormittag erkundeten. Natürlich die Kirchen (Kathedrale, Dominikanerkirche, Namen-Jesu-Kirche, die polnisch-katholische Kirche...), aber auch den großen Marktplatz. Und am Ende der Stadtführung fuhren wir mit dem Aufzug auf einen der beiden Türme der Kathedrale, 60 Meter hoch, und genossen den Blick über die Stadt.
Am Nachmittag gab es noch Zeit für einen Ausflug bzw. eine Wallfahrt nach Trzebnica/Trebnitz zur hl.Hedwig – und ich bat diese Völker verbindende Frau unter anderem auch für eine weiterhin gute Zusammenarbeit von polnischen Schwestern und deutsch(sprachig)en Patres in Baumgärtle.

Einen weiteren ganzen Tag nahmen wir uns für einen gemeinsamen Ausflug Zeit. Unterwegs holten wir Sr.Ewa bei ihrer Mutter ab, sie hatte die Gelegenheit zu einem Kurzbesuch genutzt. Und dann ging es weiter nach Krzeszów/Grüssau – die „Perle des europäischen Barock“. Eine riesengroße Kirche, welche mit Mitteln der europäischen Union in den letzten Jahren hervorragend renoviert wurde. Direkt neben dieser (Kloster-)Kirche noch eine weitere (,die ehemalige Pfarrkirche). Sie ist dem hl.Josef geweiht und P.Josef meinte, er habe in seinem ganzen Leben noch nicht so viele Josefsdarstellungen auf einem Fleck gesehen. Während der kommunistischen Herrschaft hatte es ja keine Erlaubnis für Kirchenrestaurierungen gegeben, aber jetzt erstrahlen diese Kirchen wirklich. Und außerdem gab es einen ganz hervorragenden Audioguide: inhaltlich, sprachlich und technisch gut gemacht.
Nach der Kultur schließlich noch die Natur: über die Grenze fuhren wir weiter zu den Adersbacher Felsen in Tschechien, zwischen denen wir beinahe drei Stunden herum wanderten – und mit dem letzten Schnee den ein oder anderen Ball formten und warfen...

Tags darauf führte uns der Rückweg nach Deutschland über Bolesławiec/Bunzlau – die Stadt ist für ihr Porzellan bekannt. Und hier begann die Geschichte der ASC in Polen. Heute leben etwa 20, vorwiegend ältere Schwestern im dortigen Kloster. Und auch diese freuten sich über den Besuch aus Baumgärtle, zumal zwei von ihnen selbst dort gelebt und gearbeitet hatten. Die Gründerin der ASC-Schwestern, die vor zehn Jahren heilig gesprochene Maria de Mattias, wurde übrigens vor fünf Jahren zur Stadtpatronin von Bolesławiec/Bunzlau erklärt. Aus diesem Anlass gibt es dieses Jahr von Pfingsten ein Jubiläumsprogramm (fünf Jahre Stadtpatronin, zehn Jahre Heiligsprechung) mit Theater, Konzert, Film und Gottesdienst, gemeinsam veranstaltet von der Stadt, der Pfarrei und den Schwestern.

Montag, 15. April 2013

Ladegut im Zug

Von Erlebnissen beim Bahn-Fahren könnte ich lange erzählen. Vielleicht fahre ich deswegen so gerne mit dem Zug, wegen des Erlebniswertes...

Und inzwischen ließen sich verschiedene Kategorien von Erlebnissen einteilen. Heute soll es nicht um interessante Mitreisende, nicht um Verspätungen und verpasste Anschlüsse gehen, sondern um „Ladegut“.

Öfter war und bin ich mit ziemlich viel Gepäck unterwegs. Zum einen hat das damit zu tun, dass ich meistens zu viel einpacke und mit nehme. Sicher ist sicher! Zum anderen habe ich außer den persönlichen Sachen oft auch noch „Dienstliches“ dabei. Und sei es die Gitarre, die ich für irgendwelche missionarischen Einsätze benötige.

Wenn ich also in den Zug steige, dann nicht nur in der Hoffnung, einen Sitzplatz zu ergattern, sondern auch auf der Suche nach Stauraum für das Gepäck. Je nach Zugart reicht die Ablagefläche über dem Sitz oder sie ist so schmal, dass sich außer einer schmalen Tasche nichts darin verstauen lässt. Geht es hinter oder unter dem Sitz? Oder sind am Waggon-Eingang oder in dessen Mitte Abstellmöglichkeiten?

So sehr ich mich über die geräumige Gepäckfläche über dem Sitz freue – ich habe mir dort beim Aufstehen auch schon ziemlich den Kopf angeschlagen. Früher gab es das Gepäcknetz, da ließ sich allerhand verstauen. Die Art ist teilweise geblieben – keine durchgehende Fläche, sondern Gitterstruktur. Aber das Material ist stabil – nachgeben, dehnen tut sich da nichts mehr. Und manchmal ist die Unterlage bei der Gepäckablage auch durchgehend, was – wie an den beiden nun zu schildernden Erlebnissen deutlich wird – durchaus Vorteile hat.

Vor vielen Jahren waren mein Bruder und ich auf dem Rückweg von den Großeltern nach Hause. Und die Großeltern hatten uns eine Tasche Äpfel mit gegeben, vielleicht von den eigenen Apfelbäumen, ich weiß es nicht mehr. Obwohl wir die Tasche sorgsam in der Gepäckablage verstauten, scheint sie sich irgendwie, vielleicht durch die Bewegung des Zuges, geneigt zu haben. Was wir daran merkten, dass es auf einmal „Äpfel regnete“. Und während wir die ersten aufzufangen versuchten, kamen schon die nächsten herunter. Die Situationskomik war viel größer als der Peinlichkeitseffekt – lange noch lachte ich weiter, nachdem wir die Äpfel wieder eingesammelt und neuerlich verstaut hatten.

Jahre später war ich mit einem befreundeten Ordensmann unterwegs und hatte offensichtlich meine Wasserflasche nicht richtig zugeschraubt. Was ich an der Reaktion der Dame auf den Sitzen vor uns mit bekam, die genervt nach oben schaute und sich Wasser vom Kopf wischte. Auch hier gingen die Entschuldigung und das unterdrückte Lachen miteinander einher. Auf jeden Fall stand ich auf, um die Wasserflasche in der Gepäckablage richtig zu zuschrauben.

Besonders eindrücklich war ein Erlebnis, das sich kürzlich ereignete. In Feldkirch war ich eingestiegen, hatte mein Gepäck verstaut, diesmal auch wieder einmal die Gitarre. Ohne zu grüßen und zu fragen, ob der Platz auch frei sei, setzte sich eine junge Dame mir gegenüber. Und kurz nachdem sich der Zug in Bewegung gesetzt hatte, rutschte die Gitarre von oben herunter, streifte den Kopf der jungen Dame und glitt sanft auf den Mittelgang des Zuges. Ich vermute, dass bei meinem Gegenüber der Schrecken größer war als der Schmerz. Auf jeden Fall rief, bzw. stöhnte sie: „Mein Gott!“ (aha! Sie ist doch nicht stumm!), packte ihre Jacke und suchte sich fluchtartig einen anderen Platz. Wahrscheinlich vermutete sie in mir so eine Art „katholischen Taliban“ und schätzte sich glücklich, durch einen Terrorakt nicht mehr geschädigt worden zu sein. Natürlich hatte ich mich bei der jungen Dame entschuldigt, wobei sie das vor lauter Schreck wohl gar nicht mehr wahrzunehmen in der Lage war. Und froh war ich, dass die Gitarre keinen Schaden davon trug...

Mittwoch, 3. April 2013

Österliche Begegnungen...

An Ostern kann man schon einmal etwas übersehen, nicht wahr? Zum Beispiel, dass es Zeit für einen Post im Blog wäre...
Nach dem „Übersehen“ noch zwei Tage offline führen jetzt zu diesem verspäteten Eintrag.

Wobei wir ja Ostern eine ganze Woche feiern – und die Osterzeit bis Pfingsten dauert. Da wird mindestens noch ein Post folgen – versprochen!

Also kurzer Rückblick auf die letzten Tage:
in Baumgärtle war ich zur Aushilfe. Ab dem Sommer werde ich meine Zelte überhaupt dort aufschlagen. Damit habe ich mich jetzt allerdings weniger befasst, denn in der Karwoche ging es vor allem um den Dienst für Menschen, die zur Beichte kamen. Es gab Lachen, es gab Tränen, es gab Aufatmen – wunderschöne Erlebnisse mit den Brüdern und Schwestern, die sich auf den Weg gemacht hatten.
Immer neu bin ich fasziniert von der Möglichkeit, welche die Beichte bietet, das eigene Leben aus der Perspektive Gottes anzuschauen und die Eindrücke davon auch ins Wort zu bringen. Irgendwo genial! Ich denke, es gibt da Zusammenhänge: diese Übung wird helfen, auch zwischendurch das Leben aus einer anderen Blickrichtung heraus wahrzunehmen. Und die Bemühung, meinen vielleicht bisweilen sehr banal wirkenden Alltag in seiner Tiefendimension wahrzunehmen, ist zweifelsohne die Beichtvorbereitung schlechthin...

Danach, auf dem Rückweg hierher, Begegnung mit meinen Eltern und Brüdern und deren Familien. Neue Begeisterung, diesmal über die Kinder. Ich habe den Eindruck, dass sie mich auf ihre Weise ebenfalls lehren, das Leben auf eine andere Weise wahrzunehmen. Vergiss mal alles andere und bewundere Felix, die weiße Plüschtier-Robbe!

Abschließend zitiere ich aus dem Bericht (kurz vor Ostern) einer deutschen Ärztin, die einige Jahre in der Zentralafrikanischen Republik gearbeitet hat und bitte mit ihr zusammen um das Gebet um den Frieden.

Seine Stadt Bangassou (1200 km hinter Bangui) und der Bischof Aguirre selbst wurden letzte Woche brutal geplündert, alle Autos, PC's u Kommunkationsmittel weg, Krankenhäuser und Schulen kaputt geschlagen von 5 verschiedenen marodierenden ausländischen Rebellengruppen aus den umliegenden Ländern (Uganda, Sudan und Tschad), die sich nun als Islamisten gegen alle Christen richten- und vor allem Frauen und Kinder brutalst misshandeln und ermorden. Es ist unbeschreiblich, was da abgeht!

Als ich gestern mit Bruno, meinem Pflegesohn in Bangui, endlich telefonieren konnte, - immerhin lebt er noch! - , saß er im Dunkeln unterm dem Tisch - wie ich damals 2003 - und ich hörte die Schießereien um ihn.
Auch tagsüber sind die Straßen leer und wer nicht fliehen kann, bleibt am besten in seinem Mauseloch unsichtbar und hofft, dass die Plünderer an ihm vorbeiziehen. Es stinkt schon nach rumliegenden Leichen.

Er sitzt seit Tagen im Haus fest und hat wie so viele dort , kein Trinkwasser mehr, weil es seit Samstag nacht weder Strom noch Wasser noch Radio gibt.Diese völlige Ungewissheit, was passiert ist und wie lange dieser Zustand dauert, ist auch sehr schlimm. Wie bei so vielen ist sein Arbeitsplatz geplündert, all seine Habe dort weg - und die Humanitäre Organisation, bei der er arbeitete, stellt ihre Aktivitäten ein bzw. ist geflohen, das heißt, er ist gleichzeitig auch wieder arbeitslos, obwohl er vor kurzem als vorbildlicher Buchhalter eine Beförderung erhalten hatte.

Vor 10 Jahren hat sich der Präsident Bozizé beim 7. Putsch an die Macht geputscht, (4 Putsche hab ich erlebt), nun ist er geflohen und dieses Mal weiß man noch nicht mal, wer denn die Macht will, welcher der unzähligen Rebellenführer (meist keine Zentralafrikaner!) sich durchsetzen wird.

Keiner kann aus dem Haus, kein Gottesdienst kann stattfinden - das ist lebensgefährlich. So leben die Menschen die Karwoche wirklich "live" und sind auf einem steilen Kreuzweg!“

Freitag, 15. März 2013

Von Benedikt zu Franziskus...

Einverstanden! Ich hätte noch andere Ideen gehabt, aber in diesen Tagen einen Post für den Blog zu schreiben, da kommt einer ja fast nicht dran vorbei. Wobei auch das Motto: „es ist zwar schon alles gesagt worden, aber noch nicht von jedem“ gelten könnte.

Benedikt von Nursia hat in einer unruhigen Zeit (Völkerwanderung) mit seinen Klöstern ein festigendes, Ruhe gebendes Element entwickelt. Und viele Klöster betrieben Landwirtschaft, rodeten gleichsam Urwald und pflanzten Nützliches und Nahrhaftes an. Ganz abgesehen von anderen Kulturleistungen der Mönche, die bis heute Europa und die Welt prägen.

Franz von Assisi war im eigentlichen und besten Sinn ein Kirchenreformer. „Zurück zum Evangelium“ war seine Devise. In einer Kirche, in der sich manch Nebensächliches in den Vordergrund geschoben hatte. Konkreten Ausdruck fand Franziskus Haltung vor allem in der Betonung und im Leben der Armut.

Nach dem großen Papst Benedikt XVI. beginnt nun Papst Franziskus seinen Dienst als Papst. Welche Gedanken kamen mir, als er zum ersten Mal die Loggia des Petersdomes betrat und die Leute grüßte?

Er grüßte mit: „buona sera“ - guten Abend. Ein Papst hätte auch mit „laudetur Jesus Christus“ - „gelobt sei Jesus Christus“, grüßen können. Und damit nicht mehr alle Anwesenden und vielmehr über Bildschirme Zusehenden angesprochen. Für den liturgischen Gebrauch mag das ein passender Gruß sein – für den Anlass auf dem Balkon war „buona sera“ die offenere Grußformel.

Was Papst Franziskus nicht daran hinderte, gleich hinterher zum Beten (für seinen Vorgänger) einzuladen. Hier zeigte er eindeutig Profil: der Papst kann, ja, er muss zum Beten einladen!

In den folgenden Worten beschwor er beinahe die „fratellanza“, die „Geschwisterlichkeit“ - das ist wieder offen und greift die am wenigsten verwirklichte Forderung der französischen Revolution und einen viele Menschen verbindenden Traum auf. „Liberte, egalite, fraternite“ - Freiheit und Gleichheit sind weit fortgeschritten, mit der weltweiten Geschwisterlichkeit hapert es noch.
Und in diesen Zusammenhang hinein stellte Papst Franziskus dann auch die Evangelisierung. Damit Gedanken aufgreifend, welche sein Vorgänger Papst Benedikt in seiner letzten Generalaudienz geäußert hatte.

Vor dem Segen lud er dann die Menschen ein, für ihn zu beten und beugte sich demütig an der Balustrade des Balkons. Großartig! Er bittet um das Gebet der Menschen und weist sie damit gleichsam auf ihren Part hin. Und stiftet damit gleichzeitig eine ganz tiefe Beziehung.
Als Form wählt er dieses Mal das schweigende Gebet. Faszinierend, wie es auf dem eben noch lärmigen Petersplatz still wird und die Leute seine Einladung wirklich ernst nehmen – auch wir vor dem Bildschirm taten es. Ob nicht das wiederum ein sehr segensreicher Dienst des Papstes heute ist, die Leute in dieser geschwätzigen Welt zum Schweigen einzuladen? Das kann die „Live-Ticker“ ganz schön aus dem Konzept bringen, wenn es Bruchteile einer Minute still ist und kein Programm mehr gibt.

Eine andere Sache verstand ich erst im Nachhinein: beim Zusehen hatte ich den Eindruck, Papst Franziskus betont über die Maßen seinen Dienst als Bischof von Rom und erwähnt überhaupt nicht die weltweite Dimension des Papstamtes. Was, wenn das gezielt geschah? Als Botschaft der Kollegialität. Der Papst zeigt sich als einer der Bischöfe. Und macht den Leuten deutlich, dass sie als Katholiken in einer Ortskirche zu Hause sind, nicht nur in der großen Weltkirche. Es ist ja bekanntlich leichter, die weiter entfernten Nächsten zu lieben als die der unmittelbaren Umgebung. Es ist dies auch eine Geste gegen einen übermäßigen Zentralismus: die Musik spielt nicht nur in Rom, sondern auch bei Dir zu Hause. Höre dorthin und spiele dort mit!

Donnerstag, 28. Februar 2013

Stranieri...

… „Fremde“, hieß der Titel, „ein Bewegungstheaterstück zum Thema illegale Einwanderung“, das sprach mich an. So fuhr ich hin, am vergangenen Freitag Abend nach Buchs, ins Kleintheater Fabriggli. Ich war früh dran. Also suchte ich nach einem Spaziergang, an der nahe gelegenen katholischen Kirche vorbei, die Wärme und betrat das Theatergebäude.
Im Vorraum waren bereits Leute, eine angenehme Atmosphäre, gedämpftes Licht, auf dem Tresen verschiedene Sorten – vermutlich selbst gebackene - „Gipfeli“. Menschen um runde Partytischchen mit bunt gestreiften Tischdecken bei einem Glas Wein oder Bier im Gespräch.
Plötzlich trat eine ganze Gruppe Jugendlicher ein, ich schätze so 14, 15 Jahre alt, immer mehr wurden es. Jugendgruppe, Schulklasse? Wahrscheinlich letzteres. Als die Zahl vollständig schien, ging ein Erwachsener, wohl der Lehrer, an die Kasse, um die Billets zu besorgen. Drei Mädchen neben mir bemerkte ich, die einige Augenblicke lang damit beschäftigt waren, die Güte ihrer Lippenstifte zu vergleichen, bzw. die Qualität deren Anwendung.

Um 20.00 Uhr begann die Vorstellung, wir wurden in den Theaterraum eingelassen, vielleicht 70 Zuschauer, die damit die Tribüne auch beinahe völlig füllten. Lustigerweise hatte ich eine Eintrittskarte ohne Nummer – und die Sitzplätze waren nummeriert. Auf jeden Fall hatte jemand noch ein Billet mit der Nummer des Sitzes, auf dem ich saß. Und den auf der Bühne stehenden Stuhl wollte ich sicherheitshalber nicht in Anspruch nehmen, ohne das Stück zu kennen:-). Aber es gab noch einen Platz unter den Zuschauern.

Die Handlung: ein Nachmittag, eine Nacht und ein Morgen in der Wohnung einer Gruppe illegal eingewanderter Menschen. Aufführende: das „Zwischentraumtheater“, sieben junge Schauspieler, vier Frauen, drei Männer, alle etwa Mitte 20 Jahre alt, Absolventen der scuola teatro Dimitri, sie boten eine hervorragende Leistung.

Ausgeliefert dem horrenden „Mietpreis“ für das Wohnen in einem Loch, auf der Suche nach Arbeit, um leben zu können, denn schließlich waren sie ja dem Elend zu Hause entflohen. Wobei das auch Anlass zu Auseinandersetzungen bot. Als der eine von seiner Familie zu Hause sprach, musste er sich von einer anderen anhören: „geh zurück! Wieso bist du geflohen? Ich habe niemand zu Hause!“

Eine der Illegalen hatte Arbeit gefunden – als Prostituierte. Als sie spät abends die gemeinsame Wohnung verlassen hatte, ging eine andere, noch eher junge, an das Schminkzubehör der Prostituierten und trug sich Lidschatten auf. Was wiederum eine andere, Muslimin mit Schleier, protestieren und das junge Mädchen ernstlich zur Rede stellen ließ: „tu das nicht! Willst auch du dich verkaufen?“
Das junge Mädchen tanzte jedoch später – in diesem elenden Loch, mit der Handykamera von einem anderen gefilmt, ihren Model-Traum.

An dieser Stelle fragte ich mich, was wohl in den Köpfen der jungen Zuschauerinnen auf den Plätzen vor mir vor sich gehe, die sich vor der Vorstellung noch über die Qualität ihres Make-up unterhalten hatten.

Tragikomisch wurde es, als wir Zuschauerinnen und Zuschauer einen der Illegalen beim Sprache lernen erlebten, mit Hilfe einer CD tat er das. Deren Text wurde über den Lautsprecher eingeblendet. „Familie Bergmann in München hat eine schöne Wohnung. Mein Kompliment!“ Diesen Text wiederholte der junge Mann in seinem Loch sitzend – und das „Mein Kompliment!“ hatte sich ihm besonders eingeprägt, er verwendete es auch bei anderen passenden und unpassenden Gelegenheiten.

Und traurig auch die Szene, als einer der schon länger in der „Wohnung“ Lebenden einen Neuankömmling zum Kühlschrank führte, aus dem er etwas Essbares nahm, das er in der Mülltonne gefunden hatte. Was der Erfahrene nutzte, um dem Neuen zu erklären, wie sich wohlschmeckende Lebensmittel im Müll finden lassen.
„Niemand will uns!“, so einer der Sätze, mit denen das Stück endete.

Freitag, 15. Februar 2013

in anderen Mokassins...

Es ist kurz nach 21.00 Uhr. Wir sind auf der Rückfahrt von einer Veranstaltung des Palliativ-Netzes. Ein Auto kommt uns entgegen, bei dem einer der beiden Scheinwerfer kaum leuchtet, der andere dagegen blendet. „Ganz schön leichtfertig, so durch die Gegend zu fahren!“ denke ich, leicht verärgert, „eine Zumutung für die anderen Verkehrsteilnehmer!“ Luise am Steuer sagt: „mit solch einem Licht fahren zu müssen ist schon unangenehm. Wenn eines nicht funktioniert, dann fährt man mit Fernlicht, um etwas auszugleichen. Und wenn dann Gegenverkehr kommt, dann sollte man abblenden und sieht kaum mehr etwas“.
Nach der wertvollen Veranstaltung, von der wir gerade kommen, habe ich noch etwas gelernt! Während ich aus meiner Position heraus wenig freundlich über den anderen Autofahrer gedacht hatte, hat sich Luise in ihn und seine Lage hinein versetzt und Verständnis gezeigt.

Was mich an die indianische Weisheit erinnert: „Bevor du über einen Menschen urteilst, musst du mindestens 3 Monde in dessen Mokassins gehen!“ Vielleicht müsste ich sie mir die Spruchkarte mit diesem Text wieder einmal auf den Schreibtisch stellen...

Und eine weitere Erinnerung kommt noch. Als ich mich beim Centro Astalli in Rom auf die Arbeit mit Flüchtlingen vorbereitete, bekam ich von einem Aufsatzwettbewerb dieser Einrichtung mit. Um Schülerinnen und Schüler für die Thematik „Flucht und Migration“ zu sensibilisieren, schrieb das Centro Astalli diesen Wettbewerb aus unter dem Titel „nei panni dei rifiugiati“, wörtlich: „in den Kleidern der Flüchtlinge“, deutsch würden wir vielleicht formulieren: „in der Haut eines Flüchtlings stecken“. Ich war damals bei der Preisverleihung des Wettbewerbs dabei und staunte über die entstandenen Texte. Inzwischen gibt es eine Arbeitshilfe des Centro Astalli, welche zum Beispiel im Schulunterricht eingesetzt werden kann, unter dem selben Titel: „nei panni dei rifiugiati“.

Einen etwas anderen Zugang wählt der Freud-Schüler Bruno Bettelheim: „Wenn Sie jemand etwas Abseitiges, etwas Untragbares tun sehen, sagen Sie sich, dass dieser Mensch wahrscheinlich die beste Lösung gewählt hat, damit er nicht leiden muss“. Auch hier geht es darum, sich in die Haut des anderen hinein zu versetzen. (Ich gebe offen zu, dass ich kein „Bettelheim-Spezialist“ bin, sondern das Zitat gefunden habe. In einem sehr lesenswerten Buch, „Aufbruch zum Miteinander“, ein Interview von Dennis Gira mit Bischof Albert Rouet von Poitiers).

Und da war doch noch... Richtig! Hin und wieder lese ich auch bei meinem Ordensgründer nach. Der schrieb einmal: „Halten Sie sich nur zwei Dinge vor Augen, die Sie im Lauf der Jahre besser verstehen werden: Zum einen, dass Sie mit Ihrem Nächsten Mitgefühl haben müssen und dass nur Gott ohne Fehler ist; zum anderen, dass das Leiden nie fehlen wird“.
Was mir hierbei gefällt ist einerseits der Realismus: „dass das Leiden nie fehlen wird“, dieser aber gepaart mit der Andeutung von Veränderungspotential: „die Sie im Lauf der Jahre besser verstehen werden“.

Es besteht die Hoffnung, dass ich bei der nächsten Autofahrt reagiere wie Luise, mit Verständnis oder gar Barmherzigkeit. Inzwischen höre ich nicht auf, mich an den zu wenden, der immer neu barmherzig mit mir umgeht. Es färbt hoffentlich mit der Zeit etwas von ihm auf mich ab...



Donnerstag, 31. Januar 2013

Von A (Schellenberg) nach B (Castel Gandolfo)...

Vielleicht bin ich selbst schuld! Hätte ich fliegen sollen? Aber das Easy Jet – Angebot nach Rom galt ab dem Flughafen Basel. Und bis ich von Schellenberg in Basel bin... Also folge ich meinem ökologischen Gewissen und wähle die Bahn! Mit Sparpreis, soweit als möglich.

Zum Bahnhof in Feldkirch ist es zwar näher als zum nächsten Flughafen. Aber die besseren Busverbindungen beginnen erst am Vormittag. Mein Zug fährt um 8.09 Uhr ab, so bitte ich P.Hermann, mich mit dem Auto zum Bahnhof zu bringen. Wenn alles gut geht, schafft man das normalerweise in einer Viertelstunde. Sicherheitshalber entscheiden wir uns dafür, um 7.30 Uhr in Schellenberg zu starten. Wie gewohnt, über den kleinen Grenzübergang, die Wetterbedingungen lassen es zu. Und dann? Nanu, da steht ja immer noch die Sperrtafel! Sollte die Sperre nicht diese Woche aufgehoben werden? Zumindest hatten wir das so gehört. Was machen wir jetzt? Riskieren wir es trotzdem? Aber wenn es dann nicht weiter gehen sollte, immer noch Holz auf dem Weg liegen sollte... Wir drehen um und fahren auf einem anderen Weg nach Feldkirch. Und geraten jetzt in den – eigentlich einkalkulierten – morgendlichen Berufsverkehr. Oh nein! Hermann blödelt und meint: „sonst fahren wir halt bis Innsbruck weiter!“ Ich beginne, Alternativen zu überlegen – die billige Fahrkarte gilt ja mit Zugbindung. Aber wir schaffen es...

In Innsbruck muss ich umsteigen und treffe am Bahnhof drei alte Bekannte, Ordensmänner, die so wie ich zum Treffen nach Castelgandolfo unterwegs sind: Arno, ein Benediktiner, Markus, ein Kapuziner und Sebastian, ein Prämonstratenser. (Was es alles gibt!) Wir freuen uns, das nächste Stück gemeinsam fahren zu können. Denn ab Bologna müssen wir uns wieder trennen, die drei und ich haben verschiedene Züge für die Weiterfahrt nach Rom reserviert, mein Zug geht 20 Minuten eher. So einigen wir uns darauf, dass ich in Rom für uns vier schon einmal die Fahrkarten Rom – Castelgandolfo erstehe, die gab es nämlich in Österreich nicht zu kaufen.

In Roma Termini angekommen marschiere ich also zum Fahrkartenautomaten und stelle fest, dass er meine Eingabe „Castelgandolfo“ nicht akzeptiert. Komisch! Als ich es mit „Castel Gandolfo“ versuche, klappt es! Und – ein Lob der italienischen Bahn: der Fahrkartenautomat fordert mich sogar in gesprochenem Deutsch auf, das Geld einzuwerfen. Mehrsprachig sind ja auch deutsche und österreichische Automaten, aber das Ganze noch akustisch finde ich doch beachtlich!

Nicht nur ich kam mit Verspätung in Rom an, auch der Zug mit dem die drei anderen kommen ist verspätet. Es ist 19.20 Uhr und der Zug nach Castel Gandolfo fährt um 19.21 Uhr von Gleis 18 ab. Dieses Gleis liegt zwar zwischen den Gleisen 17 und 19, allerdings muss man aus der Bahnhofshalle 400 Meter (!) gehen, um zum entsprechenden Bahnsteig zu gelangen. Wild entschlossen machen wir uns auf den Weg und – sehen nicht einmal mehr die Bremslichter des abgefahrenen Nahrverkehrszuges! Einer geht noch, bekommen wir heraus, der letzte am Tag, um 20.21 Uhr, eine Stunde später, laut Fahrplan wieder auf Gleis 18. Nachdem wir schon dort sind, bleiben wir draußen stehen, um nicht die 400 Meter wieder zurück zu müssen. Was sich als folgenschwerer Fehler herausstellen soll. Denn irgendwie bekommen wir um 20.20 Uhr mit, dass der 20.21Uhr-Zug von Gleis 19 abfährt. So eilen wir zurück Richtung Bahnhofshalle. Sebastian und ich sind etwas schneller und bleiben in der Tür des Waggons stehen, einen Fuß auf dem Bahnsteig. Der Schaffner, oder Zugbegleiter, schimpft wie ein Rohrspatz: „was fällt euch ein? Wir müssen abfahren!“ Aber Arno und Markus sind noch nicht da. Mittlerweile hat auch der Lokomotivführer sich zum Fenster heraus gelehnt und stimmt in das Schimpfen mit ein. Und da kommen Arno und Markus, steigen ein und der Zug fährt ab. Der Schaffner schimpft noch ein bisschen weiter, ich versuche zaghaft, die Situation zu erklären.
Als er nach einer Viertelstunde kommt, um unsere Fahrkarten zu kontrollieren, lächelt er und sagt: „ah, ihr seid die, wegen denen wir nicht abfahren konnten!“ Sympathisch!
In Castel Candolfo bekommen wir tatsächlich noch etwas zum Abendessen...

Dienstag, 15. Januar 2013

Priester mit Ruhm

Weiter lesen? Allergisch gegen das, was kommen könnte? Keine Angst: es kommt ganz anders!

Am Sonntag gehen wir ins Nachbarkloster zum Mittagessen. Am vergangenen Sonntag war dort auch eine vielköpfige Familie gemeinsam mit uns eingeladen. Wovon ich profitierte: nicht nur, weil ich die Lebendigkeit genieße, wenn da Kinder mit bei Tisch sind. Nein, die Schwestern hatten – ganz aufmerksam und um Kindervorlieben wissend - Pommes vorbereitet. Und das freut eben nicht nur die Kinder, sondern auch mich. Als Dessert gab es Obstsalat. Da wir viele Personen waren, mehrere Schüsseln voll. Bei der Schüssel, die zu meinen Mitbrüdern und mir gelangte, war ein Zettel dabei: „Priester mit Ruhm“. Ob es der Schalkhaftigkeit der Schwester zuzuschreiben ist, oder sich nur um einen Rechtschreibfehler handelt, kann ich nicht beurteilen. Wir mussten jedenfalls zunächst einmal lachen. Die aufmerksame Schwester, die den Obstsalat vorbereitet hatte, wollte einerseits den Kindern keinen Alkohol vorsetzen, andererseits für die Priester den Obstsalat extra mit Rum anreichern. Und damit es nicht zu Verwechslungen käme, hat sie durch einen kleinen Zettel für Klarheit gesorgt. Also keine Aussage über ruhmreiche Priester, sondern über den Rum im Obstsalat... Übrigens haben die älteren Söhne der Familie auch aus der „angereicherten“ Schüssel geschöpft.

Das Erlebnis erinnert mich an eine Geschichte, die meine Tante erzählte. Ganz kann ich sie nicht mehr wieder geben, es ging jedoch darum, dass bei einem Festmahl die anwesenden Priester offensichtlich bevorzugt bedient werden sollten. Was in der Küche bzw. bei den bei Tisch Auftragenden zu der Formulierung führte: „hier ist die Platte mit dem Priesterfleisch“. Im Zusammenhang war die Sache klar: da sollten wohl besonders große oder fettarme Stücke Fleisch zu dem Tisch getragen werden, an dem mehrere Priester saßen. Aus dem Zusammenhang gerissen könnte man freilich kannibalische Anklänge heraus hören: da hat jemand seiner Wut über die Priesterkaste freien Lauf gelassen und rächt sich nun auf brutale Weise...

An dieser Stelle möchte ich das Oberhaupt der mit Rom unierten griechisch-katholischen Kirche der Ukraine, Großerzbischof Swjatoslav Schewtschuk von Kiew zitieren. In einem Interview kritisierte er am vergangenen Wochenende den von der Regierung angestrebten Beitritt zur Zollunion von Russland, Weißrussland und Kasachstan. Schewtschuk betonte, es sei eine Illusion, dass ein anderes Land der Ukraine nur helfen wolle: „Den einzigen kostenlosen Käse gibt es in der Mausefalle“. (Quelle: Newsletter von Radio Vatikan vom 13.1.13)

Die Kehrseite der bevorzugten Behandlung einer Gruppe („kostenloser Käse“) sind die damit verbundenen Erwartungen an dieselbe („Mausefalle“). Wenn also z.B. die Priester extra bedient werden, dann gelten ihnen auch extra Erwartungen. Abgesehen davon, dass es vom Neuen Testament her zu hinterfragen ist, ein solches Spiel mit zu machen, hat auch das II.Vatikanische Konzil, dessen 50-Jahr-Jubiläum wir in diesem Jahr feiern, weitere Klarheit geschaffen. (Das Titelfoto dieses Blogs zeigt übrigens das sogenannte „Konzilsfenster“ in der Pfarrkirche Schellenberg).
Eine Zerrform ist es, wenn die Körperfülle eines Priester halb wohlwollend, halb spöttisch so kommentiert wird: „wenn sie schon nicht heiraten dürfen, dann sollen sie wenigstens gut essen!“ So kämpfe ich dagegen, dass aus meinem Bauchansatz mehr wird...

Durch die Sonderbehandlung von Menschen kann man sich diese unter Umständen auch fern halten, bzw. sich selbst heraus halten. Die Schwierigkeiten im Zusammenhang von derzeit vorgenommenen Strukturveränderungen in der Kirche scheint mir auch mit solchen Vorgehensweisen („Priesterfleisch“) in der Vergangenheit zu tun zu haben. Ganz gut, wenn jetzt anders aufgeteilt wird...