Sonntag, 31. Oktober 2021

Wollsocken und Klimagipfel

Was haben meine Wollsocken mit dem Klimagipfel COP 26 in Glasgow zu tun?

Während meiner Studienzeit habe ich manchmal die Mitstudentinnen beneidet, die in langweiligen Vorlesungen am stricken waren: „wenigstens etwas kommt bei diesem Sitzen heraus!“ Später habe ich auch junge Männer stricken gesehen, ich selbst habe diese Fähigkeit nie erworben. Aber immer wieder habe ich selbstgestrickte Socken geschenkt bekommen, tatsächlich viele Paare.

In diesem Jahr bin ich in Rom direkt vom sommerlichen Barfuß auf herbstlich-winterliche Wollsocken umgestiegen, ohne Zwischenphase mit dünner Fußbekleidung. Da hier grundsätzlich die Heizung erst im November eingeschaltet wird, obwohl man sie bisweilen im Oktober auch schon gut vertragen könnte, bin ich umso dankbarer um die warmen Füße. Mit einigen Exemplaren der Wollsocken verbinde ich Erinnerungen an die Damen, von denen ich sie geschenkt bekam. Einige habe ich sogar bei ihrer Tätigkeit gesehen: Frau G., die auf ihrem Balkon gegenüber der Pfarrkirche in Salzburg saß oder, während eines Urlaubsaufenthaltes, Frau T., auf dem „Bänkli“ vor ihrem Haus in Amden, hoch über dem Schweizer Walensee. Ich erinnere mich an die Geschichte der Frau, die sich bei ihrem geistlichen Begleiter darüber beklagte, nicht beten zu können, immer abgelenkt zu sein. „Was macht Ihnen denn Freude?“, fragt der Begleiter. „Stricken“, antwortet nach einigem Zögern die Frau. Und der Begleiter rät ihr, sie solle sich doch vorstellen, dass Gott ihr beim Stricken zuschaue. Gesagt, getan, und die Frau findet ihre Weise, sich mit Gott zu verbinden, gleichsam ihn ihm versunken zu sein, mit den Stricknadeln in der Hand...

Manche meinen, dass angesichts des Klimawandels, der kritischen Phase, die wir da inzwischen erreicht haben, individuelle Veränderungen gar nicht mehr helfen. Es brauche größere Maßnahmen in Landwirtschaft und Industrie. Als passionierter Wollsocken-Träger ziehe ich aber trotzdem auch einen Pullover an, anstatt die Heizung einzuschalten oder das Ventil weiter aufzudrehen.

Wobei ich bezüglich Klima(schutz) bestimmt kein Vorbild bin, eher zu den Theoretikern gehöre. Spöttisch schmunzle ich über mich selbst, wenn ich im Internet an einer Veranstaltung zum Thema teilgenommen habe, etwa vom weltweiten Netzwerk „Laudato si“, und danach in den Garten gehe, wo Patrice am arbeiten ist. Der aus Madagaskar stammende Missionar von der heiligen Familie ist der Praktiker. Mit großer Freude arbeitet er viele Stunden im Garten. Gerade hat er Kiwis geerntet. Ich hatte sie zwischendurch betastet und befunden, dass sie noch hart seien. Patrice weiß, dass sie durchaus in diesem Zustand geerntet und dann noch ein wenig gelagert werden, bevor sie gut genießbar sind.

Freude bereitet mir, wenn ich auf einer Zugfahrkarte lesen kann, wie viel CO2 ich durch die Wahl dieses Verkehrsmittels eingespart habe. Mögen mich ruhig manche belächeln, wenn ich für die Strecke Rom-München die Bahn anstatt das Flugzeug wähle. Als sparsamer Schwabe ist das ja auch für mich bisweilen eine Herausforderung, wenn das Flugticket billiger wäre als es die Bahnkarte ist. Aber vielleicht gerade deswegen will ich diese Politik nicht unterstützen.

Gerade eben nahm ich an einer Zoom-Konferenz zur Vorbereitung des COP26-Gipfels in Glasgow teil und ich freue mich über die Leidenschaft der jungen Leute und ihren Einsatz. „We all are leaders“, „wir alle sind Anführer/Leiter“, sagte da eine junge Dame sehr selbstbewusst. Es geht ja nicht nur darum, vorne auf der Bühne zu stehen oder zu sitzen. Und sie ermutigte dazu, sich zu informieren, Gelegenheiten dazu zu suchen und zu nutzen. Was unter Umständen auch herausfordernd sein kann. Z.B. versuchte ich mich bezüglich Aluminium schlau zu machen, weil bei uns im Haus viele Cola-Dosen getrunken bzw. die leeren dann weg geworfen werden. Recycling schön und gut. Ich meinte mich zu erinnern, dass allein die Produktion von Aluminium nicht sehr umweltfreundlich sei. Die Seiten im Internet, die ich jetzt dazu fand, verwirrten mich etwas. Dort wurde Alu mit Glas und Plastik verglichen und schnitt dann gar nicht so schlecht ab. Ob die Aluminium-Industrie hinter solchen Auskünften steckt? Nicht entmutigen lassen, weiter forschen. Und – wie ich persönlich – das Leitungswasser bevorzugen (dank Filter auch bei uns im Haus trinkbar)... Guten COP26-Gipfel!

Freitag, 15. Oktober 2021

Weihe-Diplomatie

 Seit 1997 sind Missionare vom Kostbaren Blut auch in Vietnam vertreten. Wenn ich es recht verstehe, dann sind vietnamesisch-stämmige Männer, welche als boat-people in den 70er-Jahren in den USA gelandet waren, damals noch Kinder, dort bei den Missionaren vom Kostbaren Blut eingetreten und eben später als solche in ihr Ursprungsland zurück gekehrt. Wobei es für Christen – vorsichtig ausgedrückt – im kommunistischen Vietnam alles andere als einfach ist. Im Gegensatz zu schon lange im Land ansässigen Ordensgemeinschaften wie den Franziskanern oder den Jesuiten fehlt den Missionaren vom Kostbaren Blut außerdem eine formelle staatliche Anerkennung. Teilweise üben die Missionare deswegen offiziell einen anderen Beruf aus, z.B. als Englisch- oder Informatik-Lehrer. Dann gibt es wohl auch andere Restriktionen, welche die Möglichkeiten für ein Glaubensleben im Alltag stark einschränken. Unklar ist, wie und ob hinter manchem auch China steckt...

Mir wurde berichtet, dass bei einem Treffen der mit uns verbundenen Laien aus aller Welt ein vietnamesischer Missionar erklärte, dass es in diesem Land unter anderem eben nicht so einfach sei, eine katholische Gruppe mit Laien aufzubauen. Am Ende seines Berichtes, der viel unterstützenden Applaus erhielt, seien die polnischen Vertreter aufgestanden und hätten erklärt: „wir verstehen das sehr gut, wir kennen so etwas aus unserer Geschichte“.

Nichtsdestotrotz gibt es unter diesen schwierigen Umständen ein paar Missionare vom Kostbaren Blut und junge Männer, die sich für diese Gemeinschaft interessieren und – auf teilweise verschlungenen Wegen – ihre Ausbildung durchlaufen. An deren Ende gewöhnlich die Diakonen- und Priesterweihe steht. Diese braucht – im Land - eine staatliche Erlaubnis - und die gibt es nicht. Deswegen sind vor zwei Jahren zwei vietnamesische Missionare vom Kostbaren Blut in Rom zu Diakonen geweiht worden. Und – normalerweise beträgt die Diakonenzeit zwischen einem halben und einem Jahr – es steht längst die Priesterweihe für die beiden an.

Der zuständige Provinzial in den USA fragte bei uns an, weil es wohl für die Vietnamesen unkomplizierter ist nach Rom als in die USA zu reisen, ob die Priesterweihe hier stattfinden könnte. Und das beschäftigt uns jetzt. Z.B. werde ich mich wohl um die Vorbereitungen von Visa kümmern, zur Kongregation für die Institute gottgeweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens (kurz: Ordenskongregation) und anschließend zum vatikanischen Staatssekretariat marschieren, um Stempel für ein Dokument zu bekommen, mit dem die beiden um ein Visum ansuchen können.

Etwas anderes ist die Feier selbst: wer (Bischof), wann und wo? Auf der Suche nach einer vietnamesisch-katholischen Gemeinde stießen wir auf zwei vietnamesische Trinitarier-Patres, Pfarrer und Kaplan in einer Gemeinde in Vatikan-Nähe. Und diese boten bereitwillig ihre Mithilfe an. Die äußeren Bedingungen werden ja völlig anders sein, als bei Priesterweihen, wie wir sie kennen (oder kannten?), zu denen Busse aus den Heimat- und Praktikumsgemeinden der Weihekandidaten kommen. Unsere beiden Kandidaten werden vermutlich „mutterseelenallein“ nach Rom reisen. So versprachen die beiden Trinitarier, ihre vietnamesischen Landsleute in Rom zu informieren, dass eine gewisse Feiergemeinde entstehen kann. „Wir werden versuchen, den Weihekandidaten ein wenig Familie zu sein!“ Bis hin zu etwas „vietnamesischer Kost“ im Anschluss an die Feier. Für die Weihe muss schließlich auch noch ein Bischof gefunden werden. An solchen ist in Rom kein Mangel. Und die Liturgiesprache wird wohl ohnehin Italienisch sein – die Weihekandidaten müssen die Antworten vorher lernen. Wobei wir hoffen, dass die vietnamesische Gemeinde die liturgischen Gesänge in der Muttersprache singen wird und auch die Schriftlesungen auf Vietnamesisch gelesen werden können.

Momentan peilen wir einen Samstag im Januar an und hoffen darauf, dass alles klappt...