„Da kamen die Jünger des Johannes zu ihm und sagten: Warum fasten deine Jünger nicht, während wir und die Pharisäer fasten? Jesus antwortete ihnen: Können denn die Hochzeitsgäste trauern, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam weggenommen sein; dann werden sie fasten.“ (Mt 9,14f.) Als wir am Freitag nach dem Aschermittwoch dieses Geschichte aus dem Evangelium hörten, fiel mir eine andere Geschichte wieder ein.
Vor einigen Jahren feierten wir den 77. Geburtstag von P. Bruno. Er fiel in besagtem Jahr auf den Karfreitag. Scherzhaft sagte ich: „77 ist eine Schnapszahl. Wir müssten eigentlich einen Schnaps auf Deinen Geburtstag trinken!“ Wobei ich nicht im Ernst daran gedacht hätte, das dann auch zu tun! Aber siehe da: kaum hatte ich es ausgesprochen, ging P. Hermann – ausgerechnet Hermann! - zum Schrank und holte eine Flasche Hochprozentigen heraus – und wir stießen an. Hoffentlich stößt sich jetzt kein frommer Mensch daran. Ich selbst wollte ja zunächst auch nicht glauben, was da geschah: Schnaps am strengen „Fast- und Abstinenztag“. Aber dann staunte und freute ich mich über die Freiheit meiner Mitbrüder, einfach beeindruckend. Freiheit! Um die geht es...
Noch weiter zurück liegt die Geschichte mit Alfred, einem wunderbaren Menschen in der Pfarrei, in der ich als Kaplan gearbeitet habe. Völlig zerknirscht kam er an einem Karfreitag-Abend zu mir und sagte: „stell Dir vor, was mir passiert ist. Ich war mit Sabine (seine kleine Tochter) in der Stadt und habe ihr eine Leberkässemmel gekauft! Ich hatte total vergessen, dass Karfreitag ist“. In Österreich sind die Geschäfte geöffnet, also konnte dieser Vorfall sich ereignen. Einigermaßen gelang es mir, Alfred zu beruhigen.
Fasten und Freiheit. Fasten will nicht Freiheit einschränken, sondern (neu) möglich machen.
Unvergessen bleibt für mich, wie der 2011 verstorbene Elmar Gruber, Priester und Schriftsteller, erzählte, was er wiederholt jungen Eltern empfohlen hatte. Er arbeitete im Fachbereich Religionspädagogik der Erzdiözese München, hielt unter anderem Fortbildungen für Erzieherinnen. „Gehen Sie“, so Gruber zu den jungen Eltern, „gehen Sie mit ihrem Kind in den Supermarkt, ohne etwas einzukaufen!“ Wahrscheinlich hat die eine oder der andere von Euch und Ihnen schon ein quengelndes Kind (und seine genervte Mutter/seinen genervten Vater) im Geschäft erlebt, das unbedingt dieses und jenes möchte. Irgendwo schreibt Gruber: „wohl dem Kind, dem nicht alle Wünsche sofort erfüllt werden!“. Freiheitstraining. Okay, vielleicht rümpft jetzt mancher auch die Nase! Man muss ja nicht extra in den Supermarkt gehen, um nichts zu kaufen, einverstanden.
Wie schrieb Dietrich Bonhoeffer – und das im Gefängnis: „Es gibt erfülltes Leben trotz unerfüllter Wünsche“.
Schon der alte Sokrates (oder war es Aristoteles?) soll beim Schlendern über den Markt gestaunt und gesagt haben: „was gibt es nicht alles, das ich nicht brauche!“
Ich schreibe diese Zeilen am Ende meiner diesjährigen Fastenwoche, langjährige Blog-Leser/innen kennen das ja schon. Fasten nach Mayr, mit Milch und Semmeln. Lustig waren die sich abwechselnden Reaktionen meiner Mitbrüder. Zuerst waren sie besorgt um mich und es beruhigte sie eigentlich vor allem meine Bestätigung, dass ich eine derartige Fastenwoche schon öfter praktiziert habe. Sie ließen mir auch einen gewissen Freiraum. Der Bitte des einen, ihn beim wöchentlichen Einkauf zu vertreten, konnte ich am Mittwoch schon gut nachkommen, da war der schwierige Anfang (Kopfschmerzen am ersten Tag) hinter mir. So fuhr ich mit Sr. Malwina zum Einkaufen und wir beluden zwei große Einkaufswagen mit Lebensmitteln... Gegen Ende der Woche wurde aus der anfänglichen Sorge meiner Mitbrüder fast so etwas wie Staunen oder Anerkennung. Und ich merke, dass sie das Fastenerlebnis wohl in Zukunft mir mir verbinden werden. Auch wichtig! Oft einmal achte ich sehr auf das Gemeinsame und passe mich an. Hin und wieder fördert jedoch gerade das Betonen des Eigenen die Gemeinschaft. Ein Lernprozess... Fasten und Freiheit!