Freitag, 31. Juli 2020

Corona und Freiheit

Ich las einige Ausgaben der Monatszeitschrift „The New Wine Press“ unserer US-amerikanischen Mitbrüder aus der Kansas City Province. Ich kannte die Zeitschrift schon aus dem Internet, aber tatsächlich blättere ich doch lieber eine gedruckte Ausgabe durch.

In der Mai-Ausgabe gibt es unter der Überschrift „New Possibilities“ (Neue Möglichkeiten) einen Artikel von P. Dave Kelly C.PP.S., einem Mitbruder, den ich sehr schätze. Er vergleicht die von vielen angesichts der Corona-Krise gemachten Erfahrungen („sich eingesperrt fühlen, Kontakte mit Familienangehörigen sind nur eingeschränkt bzw. schwer möglich, das Gefühl von Unsicherheit etc.“) mit demjenigen, was er bei seinen Besuchen im Gefängnis oder in der Abschiebehaft hört: es klingt ziemlich ähnlich!

In der März-Ausgabe der Zeitschrift erzählt Raphael Jackson, wie es ihm als Strafentlassenem nach einer langen Gefängnisstrafe in der Freiheit geht, wie dankbar er für Begleitung und Unterstützung in der für ihn neuen Lebenssituation ist.

Ich versuche, das Gelesene ebenfalls mit der Corona-Krise in Verbindung zu bringen. Sperrt uns diese Krise ein oder setzt sie uns frei?

Ich hoffe, dass mich jetzt niemand für verrückt hält. Wir beten hier jeden Tag für alle Erkrankten, alle in der Pflege Tätigen, für die aufgrund Covid-19 Gestorbenen und diejenigen, die um sie trauern, für alle, die unter den wirtschaftlichen Folgen der Krise leiden und darum, dass so schnell als möglich ein Impfstoff entdeckt und produziert wird. Ich meine, mir der Dramatik der Situation einigermaßen bewusst zu sein und stelle trotzdem die oben genannte Frage.

Ich könnte noch weiter Konkretes aus meinem Lebensbereich nennen: an drei aufeinander folgenden Tagen veranstalteten wir Video-Konferenzen mit unseren höheren Oberen in aller Welt, um uns auszutauschen, nachdem ein geplantes Zusammenkommen mit allen Ende August, Anfang September zunächst einmal aufgeschoben wurde. Einer der Oberen ist Maximo, der erste Provinzial unserer neuen lateinamerikanischen Provinz, welche am 31.1.20 errichtet wurde. Die Provinz und ihre Leitung konnten noch gar nicht richtig zu arbeiten beginnen, Maximo hat sich selbst mit dem Virus infiziert.

Oder ich habe hier in Rom Jakobus besucht, einen deutschen Franziskaner, den ich schon lange kenne. Er kam Ende Januar nach Rom, ins Kommissariat des hl. Landes, um sich auf seine Aufgabe in Israel vorzubereiten, wohin er an Ostern reisen wollte. Er sitzt immer noch in Rom und hofft, im September oder Oktober reisen zu können. Ähnlich geht es einem jungen Missionar aus Madagaskar, der in Chile Spanisch lernen wollte, um danach in Kuba zu arbeiten. Er ist in Rom gestrandet...

Also: eingeschränkt, eingesperrt, oder frei?

Nicht nur bei den Video-Konferenzen hörte ich öfter, eine Begleiterscheinung der Krise ist eine neue Qualität zum einen des Gemeinschaftslebens und zum anderen des persönlichen Gebetes, das der ein oder andere intensiviert hat. Und noch in Maria Baumgärtle hatte ich selbst den Eindruck, dass das Miteinander zu Beginn der Krise eher entspannter war. Ein gewisser Druck fiel weg, wir wurden aus dem „Hamsterrad“ heraus katapultiert. Und tatsächlich verwende ich inzwischen mehr Zeit fürs Gebet...

Nein, ich will bestimmt nichts schön reden. Aber auch ich erinnere an eine bessere Luftqualität in manchen Städten, an die Erholung manchen Gewässers und die Rückkehr mancher Tierart. Wie gehen wir mit dieser unserer Welt um? Hilft uns „die Pandemie die Pandemien (Hunger etc.) wahr zu nehmen“? Viele Tagelöhner in Indien oder Südamerika haben die Wahl, entweder zu Hause zu bleiben und zu verhungern, oder arbeiten zu gehen und sich dabei evtl. mit Covid-19 zu infizieren....

Mittwoch, 15. Juli 2020

Fauna und Flora im Generalat

Die ersten 14 Tage in Rom verbrachte ich in Quarantäne und freute mich über den großen Garten, in dem ich täglich morgens und abends meine Runden drehte. Jetzt bin ich ja alles andere als ein Kenner von Pflanzen und Tieren, demzufolge ist meine Beschreibung sehr bruchstückhaft.

Beginnen wir mit den Pflanzen. Große Pinien stehen am Rand des Geländes, neun davon habe ich auf der Seite der Viale di Porta Ardeatina gezählt. Wie bereits im Februar hing auch jetzt ein Ast gefährlich herunter. Und eines Tages kam dann ein Spezialist, Juan nannte ihn „Spiderman“, der hinauf kraxelte, um diesen Ast abzusägen, bevor er jemand auf den Kopf fällt. Jemand erzählte, die Bäume seien auch gefährlich, weil sie Flachwurzler sind. Auf der anderen Seite sind die Pinien in Rom wohl geschützt. Scheinbar – hoffentlich! - sind wir versichert, falls so ein Teil auf die Straße fällt. Schön sind natürlich die großen Pinienzapfen...

Auch einige Zypressen befinden sich im Gelände...
Dann gibt es einige Agaven, eine davon eine ganz große. Und Palmen, auch davon ein paar Stück. Und Bananenstauden. Wir teilen uns ja das Haus mit einer anderen Ordensgemeinschaft, den Missionaren von der hl. Familie, die auch hier ihr Generalat haben. Zwei davon, aus Madagaskar stammend, sehe ich jeden Tag im Garten arbeiten – sie halten ein Stück Gemüsegarten gut gepflegt. Und sie müssen natürlich viel gießen. Die ersten zwei Wochen meines Aufenthalts hier hat es nie geregnet.
Juan hat eine Rasenbesprenungsanlage eingerichtet, damit wir nicht bald alles braun haben.

In der Mitte des Gartens gibt es eine Art Pergola mit einigen (Kletter-)Rosen und noch anderem Gewächs, dessen Namen ich nicht kenne.

Nicht vergessen darf ich zwei – gut tragende – Mispelbäume: zwei Wochen lang aßen wir jeden Tag davon. Die Bäume sind mit schwarzen Netzen abgedeckt, damit die Papageien (s.u.) uns nicht beim Verzehr der Früchte zuvor kommen. Unsere Nachbarn – ich habe den Eindruck, sie sind eindeutig die besseren „Hausmänner“ - haben sogar Saft aus den Mispeln produziert. Die Probe, die sie uns vorbei brachten, hatte aber auch einen gewissen Alkoholgehalt (und da war noch kein Gärungsprozess im Gang).

Gehen wir zur Tierwelt über: von den Papageien habe ich bereits im Februar erzählt. Wirklich schöne Tiere, etwa Nymphensittichgröße, allerdings in hellem Grün mit einem roten Schnabel. Scheinbar fühlen sie sich in der Stadt besonders wohl, es gibt inzwischen sehr viele, 10.000 habe ich irgendwo gelesen. Irgendwann scheinen erste Exemplare aus Käfigen entkommen zu sein und sich in der „freien Wildbahn“ eingerichtet zu haben. Die Fachleute sprechen von zwei Sorten, die eine aus Asien, die andere aus Südamerika stammend. Spatzen gibt es und Krähen, Tauben und – Möwen. Und die scheinen bisweilen aggressiv. Jemand erzählte, dass Papst Franziskus irgendwann eine „Friedenstaube“ fliegen ließ, die kurz danach von einer Möwe angegriffen wurde.

Und dann die Katzen. Scheinbar gibt es zwei Katzenfamilien im Gelände. Mir ist regelmäßig eine Katzenmama mit vier jungen Kätzchen begegnet, von denen keines dem anderen gleicht. Und sie sind ja wirklich süß. Wenn sie miteinander spielen oder aufeinander liegen, „eine Handvoll Katze“.
In meine Ankunftszeit hier fiel die „Laudato-Si-Woche“ (anlässlich des Jubiläums fünf Jahre nach dem Erscheinen der gleichnamigen Enzyklika von Papst Franziskus). In dieser Woche wurde unter anderem ein Einkehrtag via Internet angeboten, an dessen erster Hälfte ich teilnahm. Das war wunderschön. Unter anderem gab es die Anregung, so wie Franz von Assisi tatsächlich mit der Natur zu beten, den Schöpfer zu loben. Bei meinen Morgen- und Abendrunden im Garten habe ich das aufgegriffen und bete: „gelobt seist du mein Herr mit Schwester Kätzchen“.

Weniger leicht fällt das Lob mit den Ameisen – auch deren gibt es ganz viele, Juan ist regelmäßig im (Gift-)Kampf mit ihnen. Was ich am Anfang nicht ganz verstehen wollte. Bis sie auch bei unserem Marmeladenglas angekommen waren.

Und dann noch die Goldfische im kleinen Brunnen. Auf dem Rand sitzt regelmäßig eine Katze und vermutlich hat sie auch schon den ein oder anderen Fisch heraus geholt.