Freitag, 15. November 2013

Atemschutz und Feuermelder...

Kürzlich war ich zu einer Informationsveranstaltung im Krankenhaus, es ging um das „künstliche Knie- und Hüftgelenk“. Nachdem der Chefarzt zunächst eine Stunde erzählt hatte, gab er danach Gelegenheit, Fragen zu stellen. Eine Frau wollte wissen, ob sie im Fall des Falles sich einen Operateur aussuchen könne. Der Chefarzt beruhigte sie und sagte, seine beiden Oberärzte wären genauso fähig wie er, würden die Sache mindestens genauso gut, wenn nicht besser machen. „Wenn mir aber die Nase nicht passt“, meinte die Frau. Und der Chefarzt lächelte: „deswegen tragen wir einen Atemschutz, eine Maske“. Dann sieht die Patientin nicht so genau das Gesicht des Chirurgen...

Wenn mir die Nase eines Menschen nicht passt... Kennen Sie das auch? Mit der einen oder dem anderen tun wir uns nicht so leicht. Sehr brutal reden manche vom „Feuermeldergesicht“, dass einer haben kann: „zum Reinschlagen“. So deftig wird es nicht immer sein. Aber doch so, dass ich ihm lieber aus dem Weg gehe, mit ihr vielleicht nicht zu tun haben möchte.

So etwas gibt es natürlich auch bei Priestern. Und das besondere Gewand, das wir Priester für die Feier der Liturgie anlegen, mag durchaus etwas mit dem „Atemschutz des Chirurgen“ zu tun haben. In dem Sinn, dass es darauf hinweist, dass wir in der Feier Stellvertreter eines anderen, eines größeren sind. Auf der anderen Seite wird uns in der Aus- und Weiterbildung Authentizität nahe gelegt. Und die Menschen, mit denen wir feiern, erwarten das zu Recht von uns. Ich kann und darf mich nicht „im priesterlichen Gewand verstecken“. Also wie jetzt, wenn meine Nase der einen oder dem anderen nicht passt, die mich in der Kirche erleben und ausgerechnet „mich erwischen“, wenn sie z.B. die Sonntagsmesse mit feiern?

In Baumgärtle, wo ich Dienst tue, haben die Menschen noch den Vorteil, dass es Abwechslung gibt. Wir sind mehrere Priester, die an diesem Ort Liturgie feiern. Aber wie geht es in Gemeinden, wo Jahr und Tag derselbe dem Gottesdienst vorsteht? Oder – fast noch schlimmer – was höre ich immer wieder Schwesterngemeinschaften stöhnen, die mit einem Hausgeistlichen auskommen müssen, der ihnen große Mühe macht. Jeden Tag aufs Neue...

Im Monat November beschäftige ich mich mit einem Wort aus dem Epheserbrief, versuche, damit zu leben und zu beten: „Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat“ (Eph 4,32). In ihrem Kommentar zu diesem Wort aus der heiligen Schrift schreibt Chiara Lubich: „Barmherzigkeit heißt, die anderen annehmen, wie sie sind, nicht so, wie wir sie gerne hätten: also mit einem anderen Charakter, mit unseren eigenen politischen Vorstellungen, mit unseren religiösen Überzeugungen und ohne all die Fehler und Verhaltensweisen, an denen wir uns ständig stoßen. Nein! Wir sollen unser Herz weit machen und fähig werden, die anderen in ihrer Andersartigkeit anzunehmen, mit all ihren Grenzen und Armseligkeiten“.

Ganz schön herausfordernd! Und ich verstehe diese Worte auch nicht als einen Appell dazu, Unliebsames unter den Teppich zu kehren bzw. nicht auch Schwierigkeiten ins Wort zu bringen. Vielleicht wäre es hilfreich, dem einen oder der anderen auch einmal zu sagen, womit ich mich an ihr oder ihm schwer tue, was mir „auf den Wecker geht“. Idealerweise werde ich das in Verbindung mit zwei oder drei Motiven der Freude tun, was ich am anderen schätze und mir so richtig gut gefällt bei ihm oder ihr. Und das ehrlich! Nicht mit einem „Scheinlob“ anfangen, um hinterher die Keule zu schwingen! Und dann hilft es eben auch, sich bewusst zu sein, dass die anderen mit einem selbst leben und mich aushalten müssen. Und der liebe Gott uns aushält. „Weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat“ ist die Begründung der zitierten Epheserbriefstelle. Ob Gott lächelt über unsere Eigenheiten? Er möge uns helfen, uns ohne Masken (bzw. Atemschutz) zu begegnen und das Liebenswürdige aneinander zu entdecken...

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