Kürzlich war ich zu einer
Informationsveranstaltung im Krankenhaus, es ging um das „künstliche
Knie- und Hüftgelenk“. Nachdem der Chefarzt zunächst eine Stunde
erzählt hatte, gab er danach Gelegenheit, Fragen zu stellen. Eine
Frau wollte wissen, ob sie im Fall des Falles sich einen Operateur
aussuchen könne. Der Chefarzt beruhigte sie und sagte, seine beiden
Oberärzte wären genauso fähig wie er, würden die Sache mindestens
genauso gut, wenn nicht besser machen. „Wenn mir aber die Nase
nicht passt“, meinte die Frau. Und der Chefarzt lächelte:
„deswegen tragen wir einen Atemschutz, eine Maske“. Dann sieht
die Patientin nicht so genau das Gesicht des Chirurgen...
Wenn mir die Nase eines Menschen nicht
passt... Kennen Sie das auch? Mit der einen oder dem anderen tun wir
uns nicht so leicht. Sehr brutal reden manche vom
„Feuermeldergesicht“, dass einer haben kann: „zum
Reinschlagen“. So deftig wird es nicht immer sein. Aber doch so,
dass ich ihm lieber aus dem Weg gehe, mit ihr vielleicht nicht zu tun
haben möchte.
So etwas gibt es natürlich auch bei
Priestern. Und das besondere Gewand, das wir Priester für die Feier
der Liturgie anlegen, mag durchaus etwas mit dem „Atemschutz des
Chirurgen“ zu tun haben. In dem Sinn, dass es darauf hinweist, dass
wir in der Feier Stellvertreter eines anderen, eines größeren sind.
Auf der anderen Seite wird uns in der Aus- und Weiterbildung
Authentizität nahe gelegt. Und die Menschen, mit denen wir feiern,
erwarten das zu Recht von uns. Ich kann und darf mich nicht „im
priesterlichen Gewand verstecken“. Also wie jetzt, wenn meine Nase
der einen oder dem anderen nicht passt, die mich in der Kirche
erleben und ausgerechnet „mich erwischen“, wenn sie z.B. die
Sonntagsmesse mit feiern?
In Baumgärtle, wo ich Dienst tue,
haben die Menschen noch den Vorteil, dass es Abwechslung gibt. Wir
sind mehrere Priester, die an diesem Ort Liturgie feiern. Aber wie
geht es in Gemeinden, wo Jahr und Tag derselbe dem Gottesdienst
vorsteht? Oder – fast noch schlimmer – was höre ich immer wieder
Schwesterngemeinschaften stöhnen, die mit einem Hausgeistlichen
auskommen müssen, der ihnen große Mühe macht. Jeden Tag aufs
Neue...
Im Monat November beschäftige ich mich
mit einem Wort aus dem Epheserbrief, versuche, damit zu leben und zu
beten: „Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander,
weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat“ (Eph 4,32). In
ihrem Kommentar zu diesem Wort aus der heiligen Schrift schreibt
Chiara Lubich: „Barmherzigkeit heißt, die anderen annehmen, wie
sie sind, nicht so, wie wir sie gerne hätten: also mit einem anderen
Charakter, mit unseren eigenen politischen Vorstellungen, mit unseren
religiösen Überzeugungen und ohne all die Fehler und
Verhaltensweisen, an denen wir uns ständig stoßen. Nein! Wir sollen
unser Herz weit machen und fähig werden, die anderen in ihrer
Andersartigkeit anzunehmen, mit all ihren Grenzen und
Armseligkeiten“.
Ganz schön herausfordernd! Und ich
verstehe diese Worte auch nicht als einen Appell dazu, Unliebsames
unter den Teppich zu kehren bzw. nicht auch Schwierigkeiten ins Wort
zu bringen. Vielleicht wäre es hilfreich, dem einen oder der anderen
auch einmal zu sagen, womit ich mich an ihr oder ihm schwer tue, was
mir „auf den Wecker geht“. Idealerweise werde ich das in
Verbindung mit zwei oder drei Motiven der Freude tun, was ich am
anderen schätze und mir so richtig gut gefällt bei ihm oder ihr.
Und das ehrlich! Nicht mit einem „Scheinlob“ anfangen, um
hinterher die Keule zu schwingen! Und dann hilft es eben auch, sich
bewusst zu sein, dass die anderen mit einem selbst leben und mich
aushalten müssen. Und der liebe Gott uns aushält. „Weil auch Gott
euch durch Christus vergeben hat“ ist die Begründung der zitierten
Epheserbriefstelle. Ob Gott lächelt über unsere Eigenheiten? Er
möge uns helfen, uns ohne Masken (bzw. Atemschutz) zu begegnen und
das Liebenswürdige aneinander zu entdecken...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen