Ich sitze bzw. liege auf dem Stuhl in der Zahnarztpraxis.
Was die Zahnärztin sagt, verstehe ich nicht immer gut, denn sie sitzt zu meiner
Rechten – und da bin ich taub. Aber ich höre das Radio im Hintergrund. Und
irgendwann, während die Ärztin am Bohren ist, höre ich gleichzeitig hinter mir
ein paar Bruchstücke einer Meldung, wo es um UNICEF und die Mangelernährung von
Kindern geht. Und ich frage mich, mit welchem Recht oder Glück ich mich in
einer Zahnarztpraxis behandeln lassen kann, während anderen das Lebensnotwendige
fehlt.
Etwas früher am selben Tag war ich zum Freiwilligendienst im
Männerwohnheim der Schwestern Mutter Teresas. Mein Dienst sieht (inzwischen) so
aus, dass ich zuerst beim Putzen helfe (manchmal habe ich den Eindruck, dass es
auch in einem Krankenhaus nicht sauberer zugehen kann: nach dem Frühstück sind
Bewohner, Schwestern und ich Freiwilliger alle mit Putzkübeln und -lappen
unterwegs) und danach mit einigen der Männer einen kleinen, knapp halbstündigen
Spaziergang mache. „Es tut ihnen gut, wenn sie mal rauskommen“, sagte mir eine
der Schwestern beim ersten Mal. Beim gemeinsamen Gehen kommen wir ein wenig ins
Gespräch und ich lerne den ein oder anderen ein bisschen näher kennen. Manchmal
lachen wir miteinander und ich merke, wie sie mir ans Herz wachsen. Michele
fehlt diesmal, er ist im Krankenhaus. Zwischendurch war auf der
Intensivstation. Eine Schwester erzählte mir, er habe 50 Jahre seines Lebens
auf der Straße gelebt. Und ich stelle mir die Frage, die sich Papst Franziskus
immer wieder bei Besuchen im Gefängnis stellt: „wieso er und nicht ich?“.
Beim Lesen des Newsletters von Radio Vatikan fallen mir an
einem Tag drei Meldungen auf, wo es um Gewalt an Priestern geht: in Spanien
wurde ein Franziskanerkloster überfallen und vier ältere Patres geschlagen
(einer starb inzwischen an den Folgen), in Polen wurde ein Priester überfallen
und noch in einem südamerikanischen Land. Und wieder wird mir bewusst, dass
mein „beschaulich römisches Leben“ alles andere als der Normalfall ist.
Und schließlich sind es die Unwetterkatastrophen: Valencia
war und ist ganz furchtbar, aber in diesem Jahr waren auch immer wieder
einzelne Regionen Italiens betroffen. Bei den Fernsehnachrichten abends sehe
ich Autos schwimmen oder Menschen in Gummistiefeln Schlamm wegschaufeln und
verstehe, dass nicht alle im Sessel sitzend Nachrichten schauen können, so wie
ich.
In Italien beginnt die Heizsaison zentral, so etwas habe ich
ja bereits in Spanien erlebt. In der Provinz Rom sollte zwischen 15. und 19.
November die Heizung eingeschaltet werden. Schon vorher war es merklich frisch.
Seit ein paar Jahren verfügen wir über eine Klimaanlage, die individuell im
Zimmer zu regulieren ist. Mit dieser könnte ich auch heizen. Und ich tue es
nicht. Vielleicht wird manche/r das als Masochismus bezeichnen. Aber wenn ich
an die Menschen in der Ukraine denke, dann tue ich mich einfach schwer damit
und friere lieber ein wenig solidarisch. Wobei ich froh war, als einen Tag nach
dem angekündigten Termin 15.11. doch jemand kam, um die Heizung im Haus
anzuwerfen.
Und jetzt, Ende des Monats, bin ich ziemlich erkältet. Aber ich kann am Schreibtisch sitzen und Tee trinken und mich gegebenenfalls auch einmal hinlegen – welch ein Luxus!