Donnerstag, 28. Februar 2013

Stranieri...

… „Fremde“, hieß der Titel, „ein Bewegungstheaterstück zum Thema illegale Einwanderung“, das sprach mich an. So fuhr ich hin, am vergangenen Freitag Abend nach Buchs, ins Kleintheater Fabriggli. Ich war früh dran. Also suchte ich nach einem Spaziergang, an der nahe gelegenen katholischen Kirche vorbei, die Wärme und betrat das Theatergebäude.
Im Vorraum waren bereits Leute, eine angenehme Atmosphäre, gedämpftes Licht, auf dem Tresen verschiedene Sorten – vermutlich selbst gebackene - „Gipfeli“. Menschen um runde Partytischchen mit bunt gestreiften Tischdecken bei einem Glas Wein oder Bier im Gespräch.
Plötzlich trat eine ganze Gruppe Jugendlicher ein, ich schätze so 14, 15 Jahre alt, immer mehr wurden es. Jugendgruppe, Schulklasse? Wahrscheinlich letzteres. Als die Zahl vollständig schien, ging ein Erwachsener, wohl der Lehrer, an die Kasse, um die Billets zu besorgen. Drei Mädchen neben mir bemerkte ich, die einige Augenblicke lang damit beschäftigt waren, die Güte ihrer Lippenstifte zu vergleichen, bzw. die Qualität deren Anwendung.

Um 20.00 Uhr begann die Vorstellung, wir wurden in den Theaterraum eingelassen, vielleicht 70 Zuschauer, die damit die Tribüne auch beinahe völlig füllten. Lustigerweise hatte ich eine Eintrittskarte ohne Nummer – und die Sitzplätze waren nummeriert. Auf jeden Fall hatte jemand noch ein Billet mit der Nummer des Sitzes, auf dem ich saß. Und den auf der Bühne stehenden Stuhl wollte ich sicherheitshalber nicht in Anspruch nehmen, ohne das Stück zu kennen:-). Aber es gab noch einen Platz unter den Zuschauern.

Die Handlung: ein Nachmittag, eine Nacht und ein Morgen in der Wohnung einer Gruppe illegal eingewanderter Menschen. Aufführende: das „Zwischentraumtheater“, sieben junge Schauspieler, vier Frauen, drei Männer, alle etwa Mitte 20 Jahre alt, Absolventen der scuola teatro Dimitri, sie boten eine hervorragende Leistung.

Ausgeliefert dem horrenden „Mietpreis“ für das Wohnen in einem Loch, auf der Suche nach Arbeit, um leben zu können, denn schließlich waren sie ja dem Elend zu Hause entflohen. Wobei das auch Anlass zu Auseinandersetzungen bot. Als der eine von seiner Familie zu Hause sprach, musste er sich von einer anderen anhören: „geh zurück! Wieso bist du geflohen? Ich habe niemand zu Hause!“

Eine der Illegalen hatte Arbeit gefunden – als Prostituierte. Als sie spät abends die gemeinsame Wohnung verlassen hatte, ging eine andere, noch eher junge, an das Schminkzubehör der Prostituierten und trug sich Lidschatten auf. Was wiederum eine andere, Muslimin mit Schleier, protestieren und das junge Mädchen ernstlich zur Rede stellen ließ: „tu das nicht! Willst auch du dich verkaufen?“
Das junge Mädchen tanzte jedoch später – in diesem elenden Loch, mit der Handykamera von einem anderen gefilmt, ihren Model-Traum.

An dieser Stelle fragte ich mich, was wohl in den Köpfen der jungen Zuschauerinnen auf den Plätzen vor mir vor sich gehe, die sich vor der Vorstellung noch über die Qualität ihres Make-up unterhalten hatten.

Tragikomisch wurde es, als wir Zuschauerinnen und Zuschauer einen der Illegalen beim Sprache lernen erlebten, mit Hilfe einer CD tat er das. Deren Text wurde über den Lautsprecher eingeblendet. „Familie Bergmann in München hat eine schöne Wohnung. Mein Kompliment!“ Diesen Text wiederholte der junge Mann in seinem Loch sitzend – und das „Mein Kompliment!“ hatte sich ihm besonders eingeprägt, er verwendete es auch bei anderen passenden und unpassenden Gelegenheiten.

Und traurig auch die Szene, als einer der schon länger in der „Wohnung“ Lebenden einen Neuankömmling zum Kühlschrank führte, aus dem er etwas Essbares nahm, das er in der Mülltonne gefunden hatte. Was der Erfahrene nutzte, um dem Neuen zu erklären, wie sich wohlschmeckende Lebensmittel im Müll finden lassen.
„Niemand will uns!“, so einer der Sätze, mit denen das Stück endete.

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