Dienstag, 15. Januar 2013

Priester mit Ruhm

Weiter lesen? Allergisch gegen das, was kommen könnte? Keine Angst: es kommt ganz anders!

Am Sonntag gehen wir ins Nachbarkloster zum Mittagessen. Am vergangenen Sonntag war dort auch eine vielköpfige Familie gemeinsam mit uns eingeladen. Wovon ich profitierte: nicht nur, weil ich die Lebendigkeit genieße, wenn da Kinder mit bei Tisch sind. Nein, die Schwestern hatten – ganz aufmerksam und um Kindervorlieben wissend - Pommes vorbereitet. Und das freut eben nicht nur die Kinder, sondern auch mich. Als Dessert gab es Obstsalat. Da wir viele Personen waren, mehrere Schüsseln voll. Bei der Schüssel, die zu meinen Mitbrüdern und mir gelangte, war ein Zettel dabei: „Priester mit Ruhm“. Ob es der Schalkhaftigkeit der Schwester zuzuschreiben ist, oder sich nur um einen Rechtschreibfehler handelt, kann ich nicht beurteilen. Wir mussten jedenfalls zunächst einmal lachen. Die aufmerksame Schwester, die den Obstsalat vorbereitet hatte, wollte einerseits den Kindern keinen Alkohol vorsetzen, andererseits für die Priester den Obstsalat extra mit Rum anreichern. Und damit es nicht zu Verwechslungen käme, hat sie durch einen kleinen Zettel für Klarheit gesorgt. Also keine Aussage über ruhmreiche Priester, sondern über den Rum im Obstsalat... Übrigens haben die älteren Söhne der Familie auch aus der „angereicherten“ Schüssel geschöpft.

Das Erlebnis erinnert mich an eine Geschichte, die meine Tante erzählte. Ganz kann ich sie nicht mehr wieder geben, es ging jedoch darum, dass bei einem Festmahl die anwesenden Priester offensichtlich bevorzugt bedient werden sollten. Was in der Küche bzw. bei den bei Tisch Auftragenden zu der Formulierung führte: „hier ist die Platte mit dem Priesterfleisch“. Im Zusammenhang war die Sache klar: da sollten wohl besonders große oder fettarme Stücke Fleisch zu dem Tisch getragen werden, an dem mehrere Priester saßen. Aus dem Zusammenhang gerissen könnte man freilich kannibalische Anklänge heraus hören: da hat jemand seiner Wut über die Priesterkaste freien Lauf gelassen und rächt sich nun auf brutale Weise...

An dieser Stelle möchte ich das Oberhaupt der mit Rom unierten griechisch-katholischen Kirche der Ukraine, Großerzbischof Swjatoslav Schewtschuk von Kiew zitieren. In einem Interview kritisierte er am vergangenen Wochenende den von der Regierung angestrebten Beitritt zur Zollunion von Russland, Weißrussland und Kasachstan. Schewtschuk betonte, es sei eine Illusion, dass ein anderes Land der Ukraine nur helfen wolle: „Den einzigen kostenlosen Käse gibt es in der Mausefalle“. (Quelle: Newsletter von Radio Vatikan vom 13.1.13)

Die Kehrseite der bevorzugten Behandlung einer Gruppe („kostenloser Käse“) sind die damit verbundenen Erwartungen an dieselbe („Mausefalle“). Wenn also z.B. die Priester extra bedient werden, dann gelten ihnen auch extra Erwartungen. Abgesehen davon, dass es vom Neuen Testament her zu hinterfragen ist, ein solches Spiel mit zu machen, hat auch das II.Vatikanische Konzil, dessen 50-Jahr-Jubiläum wir in diesem Jahr feiern, weitere Klarheit geschaffen. (Das Titelfoto dieses Blogs zeigt übrigens das sogenannte „Konzilsfenster“ in der Pfarrkirche Schellenberg).
Eine Zerrform ist es, wenn die Körperfülle eines Priester halb wohlwollend, halb spöttisch so kommentiert wird: „wenn sie schon nicht heiraten dürfen, dann sollen sie wenigstens gut essen!“ So kämpfe ich dagegen, dass aus meinem Bauchansatz mehr wird...

Durch die Sonderbehandlung von Menschen kann man sich diese unter Umständen auch fern halten, bzw. sich selbst heraus halten. Die Schwierigkeiten im Zusammenhang von derzeit vorgenommenen Strukturveränderungen in der Kirche scheint mir auch mit solchen Vorgehensweisen („Priesterfleisch“) in der Vergangenheit zu tun zu haben. Ganz gut, wenn jetzt anders aufgeteilt wird...

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