Da haben wir sie wieder gehört: die
schöne Geschichte aus dem Buch Jona über die Einwohner Ninives, die
ihr böses Treiben ließen, umkehrten und damit auch Gott zum
Umdenken brachten.
„Da reute Gott das Unheil, das er
ihnen angedroht hatte, und er führte die Drohung nicht aus“ (Jona
3,10).
Ist Gott so? Beleidigt, wenn wir
Menschen uns nicht anständig benehmen, so dass wir uns anstrengen
müssen, irgendwie „gut Wetter zu machen“? Oder übertragen wir
da nicht eine allzu menschliche Vorstellung auf ihn? Weil wir uns
irgendwie behelfen müssen, möchten...
„Caro mio ben Gesú, non ti vorrei
offender´ piú“ - so habe ich einmal ein italienisches Gebet
gelernt. „Mein lieber Jesus, ich möchte dich nicht mehr
beleidigen“. Und im Beichtstuhl begegnet mir auch immer wieder
diese Formulierung: „ich habe Gott beleidigt“. Achtsam versuche
ich mit so etwas umzugehen, klar. Und doch auch mit einer gewissen
Sorge: dass jemand die Sache mit Gott für sich eventuell zu schnell
klar hat. Gott beleidigen – wieder brav sein – neu anfangen. Ohne
unruhig zu bleiben, auf der Suche nach dem wirklichen, nie
begreifbaren Gott. Der immer ganz anders ist.
Unter den aktuellen Neuerscheinungen
auf dem theologischen Buchmarkt heißt ein Titel: „Kann man Gott
beleidigen?“ Untertitel: „Zur aktuellen Blasphemie-Debatte“.
Immer wieder zogen in den letzten Jahren Menschen demonstrierend,
protestierend vor Kinos, wenn ihnen der zu zeigende Film „beleidigend
für Gott“ schien. Und manche Christen verweisen dann auf das
Verhalten mancher Muslime, die sich Karikaturen des Propheten
Mohammed und anderes eben nicht gefallen lassen. Was wäre los,
wenn...
Blasphemie-Gesetze sind eine heikle
Angelegenheit, wenn sie vor allem dazu gemacht scheinen, um eine
Handhabe gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, Angehörige einer
bestimmten Religion in der Hand zu haben.
„Kann man Gott beleidigen?“
Und wieder zitiere ich den Satz des
großen mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin: „non enim
Deus a nobis offenditur, nisi ex eo, quod contra nostum bonum
agimus“. Auf deutsch: „Gott wird durch nichts (anderes)
beleidigt, außer durch dasjenige, womit wir uns selbst schaden, was
wir gegen unser eigenes Wohl anrichten“.
Ich glaube, es ist der einzige Satz von
Thomas, den ich mir aus meinem Studium in Erinnerung behalten habe.
Und immer noch bin ich glücklich über diesen Satz. Er korrigiert
ein Verständnis, das Gott und Mensch als Konkurrenten erscheinen
lässt. So in die Richtung: „die Menschen müssen tun, was dem
lieben Gott gefällt. Und wehe nicht: dann gibt es Ärger! Gott
ärgert sich, ist beleidigt und die Menschen haben gefälligst
umzukehren“. Dabei gerät aus dem Blick, das Gott ja ein „Gott
für uns“ ist, der an nichts so interessiert ist wie an unserem
Wohlergehen. Und dass wir zu unserem Heil am besten dann finden, wenn
wir uns für Gott und seine Maßstäbe interessieren.
Also: umkehren nicht, um den zornigen
Gott wieder gnädig zu stimmen. Sondern um etwas für sich selbst zu
tun!
Und nach all dem: so fragwürdig ich
die Vorstellung des beleidigten Gottes halte, ich kann mir auch nicht
vorstellen, dass mein und unser Verhalten Gott völlig kalt lässt.
Wenn ich mit Gott in einer Beziehung lebe, dann kann es nicht sein,
dass er unbeweglich wie ein Felsblock registriert, was ich tue und
wie es mir ergeht...
Vor allem aber möchte ich das Gespräch
mit Menschen suchen, für die es überhaupt kein Thema ist, ob sie
„Gott beleidigen“ oder nicht...
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