Dienstag, 15. Oktober 2013

"Beleidigte Leberwurst"...

Da haben wir sie wieder gehört: die schöne Geschichte aus dem Buch Jona über die Einwohner Ninives, die ihr böses Treiben ließen, umkehrten und damit auch Gott zum Umdenken brachten.
„Da reute Gott das Unheil, das er ihnen angedroht hatte, und er führte die Drohung nicht aus“ (Jona 3,10).
Ist Gott so? Beleidigt, wenn wir Menschen uns nicht anständig benehmen, so dass wir uns anstrengen müssen, irgendwie „gut Wetter zu machen“? Oder übertragen wir da nicht eine allzu menschliche Vorstellung auf ihn? Weil wir uns irgendwie behelfen müssen, möchten...

„Caro mio ben Gesú, non ti vorrei offender´ piú“ - so habe ich einmal ein italienisches Gebet gelernt. „Mein lieber Jesus, ich möchte dich nicht mehr beleidigen“. Und im Beichtstuhl begegnet mir auch immer wieder diese Formulierung: „ich habe Gott beleidigt“. Achtsam versuche ich mit so etwas umzugehen, klar. Und doch auch mit einer gewissen Sorge: dass jemand die Sache mit Gott für sich eventuell zu schnell klar hat. Gott beleidigen – wieder brav sein – neu anfangen. Ohne unruhig zu bleiben, auf der Suche nach dem wirklichen, nie begreifbaren Gott. Der immer ganz anders ist.

Unter den aktuellen Neuerscheinungen auf dem theologischen Buchmarkt heißt ein Titel: „Kann man Gott beleidigen?“ Untertitel: „Zur aktuellen Blasphemie-Debatte“. Immer wieder zogen in den letzten Jahren Menschen demonstrierend, protestierend vor Kinos, wenn ihnen der zu zeigende Film „beleidigend für Gott“ schien. Und manche Christen verweisen dann auf das Verhalten mancher Muslime, die sich Karikaturen des Propheten Mohammed und anderes eben nicht gefallen lassen. Was wäre los, wenn...

Blasphemie-Gesetze sind eine heikle Angelegenheit, wenn sie vor allem dazu gemacht scheinen, um eine Handhabe gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, Angehörige einer bestimmten Religion in der Hand zu haben.
„Kann man Gott beleidigen?“

Und wieder zitiere ich den Satz des großen mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin: „non enim Deus a nobis offenditur, nisi ex eo, quod contra nostum bonum agimus“. Auf deutsch: „Gott wird durch nichts (anderes) beleidigt, außer durch dasjenige, womit wir uns selbst schaden, was wir gegen unser eigenes Wohl anrichten“.
Ich glaube, es ist der einzige Satz von Thomas, den ich mir aus meinem Studium in Erinnerung behalten habe. Und immer noch bin ich glücklich über diesen Satz. Er korrigiert ein Verständnis, das Gott und Mensch als Konkurrenten erscheinen lässt. So in die Richtung: „die Menschen müssen tun, was dem lieben Gott gefällt. Und wehe nicht: dann gibt es Ärger! Gott ärgert sich, ist beleidigt und die Menschen haben gefälligst umzukehren“. Dabei gerät aus dem Blick, das Gott ja ein „Gott für uns“ ist, der an nichts so interessiert ist wie an unserem Wohlergehen. Und dass wir zu unserem Heil am besten dann finden, wenn wir uns für Gott und seine Maßstäbe interessieren.
Also: umkehren nicht, um den zornigen Gott wieder gnädig zu stimmen. Sondern um etwas für sich selbst zu tun!

Und nach all dem: so fragwürdig ich die Vorstellung des beleidigten Gottes halte, ich kann mir auch nicht vorstellen, dass mein und unser Verhalten Gott völlig kalt lässt. Wenn ich mit Gott in einer Beziehung lebe, dann kann es nicht sein, dass er unbeweglich wie ein Felsblock registriert, was ich tue und wie es mir ergeht...

Vor allem aber möchte ich das Gespräch mit Menschen suchen, für die es überhaupt kein Thema ist, ob sie „Gott beleidigen“ oder nicht...

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