Donnerstag, 15. Mai 2014

Zuhören

Anlässlich seines 20Jahr-Jubiläums hatte der Eine-Welt-Verein Mindelheim den Grünwalder Gospel-Chor zu einem Konzert eingeladen. Beeindruckend, was diese Frauen und Männer am vergangenen Freitag boten! Eine nebensächliche Kleinigkeit an diesem Abend geht mir jedoch noch genauso nach.
Zu Beginn des Konzerts grüßte eine Dame vom Eine-Welt-Kreis und – war nur äußerst mühsam zu verstehen. Das Mikrofon am Rednerpult war entweder nicht eingeschaltet oder kaputt. Mit äußerster Anstrengung war die Dame zu hören. Interessanterweise gab es keine Proteste unter den Zuhörenden – wollte keiner als „schwerhörig“ entlarvt werden?
Als nach einigen Liedern noch einmal jemand vom Eine-Welt-Kreis ans Rednerpult ging, da nahm der sympathische Leiter des Gospelchors eines der Chor-Mikrophone und reichte es der Sprecherin. Und: wunderbar – jetzt verstanden wir gut. Szenenapplaus, noch bevor die Dame überhaupt einen Satz zu Ende gesprochen hatte.

Es ist schon so etwas mit dem Hören und Verstehen! Das eine setzt das andere voraus – sonst geht ja überhaupt nichts. Kirchliche Aufmerksamkeit geht oft genug auf das Gehört- und Verstanden-Werden. Was ja nicht schlecht ist. Vielleicht müsste diesem Aspekt sogar noch viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. In der Pfarrkirche in Schellenberg war zunächst keine Lautsprecheranlage vorgesehen, die Akustik ist ausgezeichnet. Aber dank veränderter Hörgewohnheiten (oder eventuell auch aufgrund des steigenden Altersdurchschnitts derjenigen, die Gottesdienste mit feiern) ist inzwischen eine Lautsprecheranlage installiert.

Wobei mir die Handlung des Chorleiters an jenem Freitag Abend erst recht wie ein Bild für kirchliches Handeln schien: indem er ein Mikrofon zur Verfügung stellte, verhalf er jemandem dazu, gehört zu werden. Ginge es nicht darum? Klar, einerseits verwendet Jesus das Bild von den Schafen, die auf die Stimme des Hirten hören, denn sie kennen diese (vgl. Joh 10,1-6). Andererseits ist Jesus auch derjenige, der einen hört, den andere gern zum Schweigen brächten (vgl. Mk 10,46-52). Jesus hört und verschafft Gehör. Es kommt darauf an, in seiner Nachfolge Menschen eine Stimme zu geben.

Am Samstag nach dem Konzert des Gospelchors war bundesweit der „Tag der offenen Klöster“, an dem auch wir im Missionshaus Baumgärtle teilnahmen. Einer unserer Programmpunkte hieß: „Was ich schon immer eine Schwester/einen Pater fragen wollte“ - wir wollten uns Fragen öffnen und zum Gespräch zur Verfügung stehen.

Als wir am Abend des Tages und am Tag danach reflektierten, was bei uns gelaufen und wie es gelaufen war, tauschten wir eine interessante Erfahrung aus: wir hatten mehr zugehört als gesprochen. Es war uns so, als ob unsere Gäste dankbar dafür waren, selbst erzählen zu können. Das Bedürfnis nach Information und Auskünften über unser Leben schien dem gegenüber zweitrangig.
Diese Eindrücke nach dem „Tag der offenen Klöster“ decken sich mit anderen. Sehr viele Menschen kommen ja an diesen Ort, um etwas los zu werden, etwas auszusprechen, was ihnen unter den Nägeln brennt, bzw. auf der Seele lastet.

Kann es sein, dass wir diesen Aspekt unserer Berufung an diesem Ort noch viel mehr verstehen und entwickeln müssen? Menschen sein, die zuhören können, die außer der Zeit ein offenes Ohr haben..
Ich erinnere mich an Frere Roger Schutz von Taize, für den diese Haltung typisch war, gerade im Umgang mit jungen Leuten: „Meister des Zuhörens“ sein – das wollte und das war er.

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