von
Maria-Anna Immerz aus Augsburg
Abenteuer
Advent
Tage
an Schnittstellen sind etwas Besonderes. An der Schnittstelle
zwischen Abschluss und Neubeginn etwa. Heute ist ein solcher Tag. Der
letzte Tag im Kirchenjahr. Heute Abend – mit dem Vespergebet zum 1.
Advent – gehen Christen in ein neues Kirchenjahr; in vielen
Gemeinden wird da der Adventskranz gesegnet. Kein Feuerwerk zum
neuen Jahr der Christen; aber das kleine Licht der Hoffnung, das
wachsen wird.
Schnittstellen-Tage
sind Tage mit Spannung. Da gibt es Leute, die lassen den Neuanfang
schon Wochen vorher angehen, haben längst Tannenschmuck in den
Zimmern, mehrere Adventskalender besorgt, Lebkuchen genossen. Und die
anderen, die dehnen das „Alte“ bis zur Kante, um den Neubeginn
stark zu fühlen. Doch auch sie werden heute den Adventskranz
besorgen, Lichter herrichten, vielleicht ein Buch mit Texten und
Geschichten für diese besondere Zeit.
Und
dann bricht sie an, die Adventszeit mit ihren lieb gewonnenen
Ritualen, Stimmungen, Gottesdiensten... Alle Jahre wieder. Und doch
immer wieder ein bisschen anders. Heuer müssen wir gestehen: Advent
beginnt für keinen erst heute Abend; er hat auch nicht mit den
ersten Weihnachtsartikeln in Supermärkten begonnen – heuer war
es nochfrüher.
Advent, also „Ankunft“ war doch spätestens am 1. September, als
unerwartet 1200 Asylsuchende am Münchener Hauptbahnhof ankamen.
Advent, also „Ankunft“ war allenthalben, als sich Bustüren
öffneten und Männer, Frauen, Kinder in Turnhallen traten. Advent,
„Ankunft“ war auch, als Freiwillige am Starnberger Bahnhof, in
Wegscheid, bei der Caritas ankamen und sich einteilen ließen, wo sie
gebraucht wurden.
Ankunft
– Advent: Das hatte nicht viel Trautes, nichts Heimeliges, nichts
vom „alle Jahre wieder“. Dafür aber etwas von “adventure“ –
von Abenteuer. Der Advent von mehreren Hunderttausend Menschen in
unserem Land ist ein Abenteuer. Da hat man nicht alles gleich im
Griff, da kann man nicht alles steuern – aber eben auch nicht alles
abwehren. Weil das Abenteuer dieser Ankunft ja auch lockt: Werden wir
es schaffen? Wir, die Deutschen? Wir, zusammen mit den neu
Angekommenen? Immerhin hat der Advent der Asylsuchenden schon viel
herausgelockt an Menschlichkeit aus unserer Gesellschaft; ja, dieser
Advent hat schon das Beste aus vielen gelockt, was sie haben: ihr
Herz.
Heute
Abend beginnt der kalendarische Advent; der Advent im Ritus des
Kirchenjahrs. Er wird uns Christen – und hoffentlich nicht nur uns
– noch zu mehr locken: „Es kommt ein Schiff geladen, bis an sein
höchsten Bord“ werden wir im beliebten alten Adventslied singen.
Dabei werden heuer ungefragt die Bilder der Flüchtlingsboote mit vor
Augen sein – die grausam gekenterten und die glücklich geretteten.
Und wir werden in der Strophe weiter singen: „Trägt Gottes Sohn
voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort“.
Ja,
dieser Advent wird uns unwillkürlich erinnern: Die da seit Monaten
per Schiff oder auf dem Landweg bei uns ankommen, haben etwas zu tun
mit dem Gottessohn, den wir erwarten. Nicht weil wir es uns fromm
zurechtlegen, sondern weil Er, der Gottessohn, es uns selbst nahe
gelegt hat: Mit denen, die nichts zu bieten haben, die fremd und
obdachlos sind, hat Er etwas zu tun. Wer einen von ihnen aufnimmt,
nimmt den Sohn Gottes selbst auf. Ehrenwort. Wem das auf Anhieb zu
viel ist, dem möge der Adventkranz heute Abend ein erster Anker für
das Abenteuer Advent 2015 sein: Er nährt die Hoffnung, dass es rund
laufen und auf einen grünen Zweig kommen wird, was wir bei so viel
Advent in unserem Land selbst noch nicht auf die Reihe bekommen. Gebe
Gott selber, dass heute Abend Viele aus ganzem Herzen singen können:
„Macht hoch die Tür; die Tor macht weit!“
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