Dienstag, 15. September 2015

Urlaub an der Nordsee

„Ist schon eine Weite, was?“, so fragte mich der freundliche Pastoralreferent, zwei Tage nachdem er mich am Bahnhof abgeholt hatte. Ich wusste nicht so recht, wie antworten. „Weite?“ So hatte ich das bisher nicht empfunden. In die Weite sehe ich auf einem Berggipfel. Aber hier? Da stehe ich am Strand, am Ufer des Meeres. Mich beeindrucken die Wellen, ich spüre Salzgeschmack im Mund, aber in der Ferne, da sehe ich – nichts. Offensichtlich gibt es jedoch Menschen, die Weite empfinden. Vielleicht kann ich das ja „lernen“, zumindest möchte ich meinen Blick „weiten“ lassen durch das Empfinden des anderen. Und ich hoffe, dass ich jetzt nicht bei allen „bekennenden Meer-Urlaubern und Seefahrern unten durch“ bin und bitte, meine Ehrlichkeit zu honorieren.

An einem Tag war ich, als guter Urlauber, im „Westküstenpark mit Robbarium“. Abgesehen davon, dass ich selbst meinen Spaß an der Seehundfütterung hatte, gab es noch ein tieferes Moment der Freude. Viele junge Familien, Eltern mit ihren kleinen Kindern sind hier zu sehen. Und es fasziniert mich, wie die Erwachsenen sich „bestimmen lassen“ von ihren Kindern, bis hinein in die Urlaubs- bzw. Tagesplanung. Etwa durch den Besuch in solch einem kleinen Zoo. Natürlich auch mit etwas „erwachsener Raffinesse“: „Du“, sagt die Frau zum Mann, „wir gehen nicht gleich zum Spielplatz, sonst kommen wir mit denen (Blick auf die Kinder) nicht mehr weiter. (Um 11.00 Uhr ist ja die Seehundfütterung!)“. Aber dann: die Freude der Kinder wird zur Freude der Eltern.

Und das gilt bei verschiedenen Elterntypen: da ist ein junger Mann, dessen Haar- und Bartpracht so ist, dass ich ihm lieber nicht allein im Dunkeln begegnete. Bei seinen Ohrringen höre ich irgendwann zu zählen auf, hat er nicht auch noch einen in der Nase? Die ihn begleitende Frau dagegen zeichnet sich durch höchst interessant gefärbte Haare aus. Und gleichzeitig: sehr aufmerk- und einfühlsam gehen sie mit ihren beiden kleinen Kindern um.

Es stimmt: so wie die Eltern ihre Kinder, erziehen die Kinder auch ihre Eltern. Welch ein Lernort für Menschlichkeit! Familie, wie genial ist diese „Einrichtung“. Ich hoffe, dass die bevorstehende römische Familiensynode dies unterstreichen und nicht nur „problemorientiert“ Stirnrunzeln und Kopfschütteln erzeugen wird. Applaus für die Familie! Ohne zu idealisieren. Wenigstens der Papst selbst hört ja nicht auf, dazu auffordern, die Wirklichkeit als solche wahr und ernst zu nehmen.

Noch etwas, was mir in diesem Zusammenhang auffällt: natürlich gehört auch der Strandbesuch zum Familienurlaub an der See. Kinder und Eltern sind mit Schäufelchen und Eimern bepackt, bei größeren Kindern ist oft auch ein Flugdrachen dabei. Diesen beim starken Wind an der See steigen zu lassen ist teilweise ein echtes Kunststück. Manche Kinder können ganz viel Zeit damit verbringen: Löcher graben und darin das Wasser sich sammeln lassen. Oder den Drachen hin und her sausen zu lassen.
Andere sind „fleißig“: sie befüllen den mit gebrachten Eimer oder auch eine kleine Plastiktüte mit den Muscheln, die es am Strand zu finden gibt. Und bisweilen habe ich den Eindruck echter Sammelleidenschaft, um nicht von „Sammlerwut“ zu sprechen.
Gehören diese beiden Dimensionen zu unserem Leben auch als Erwachsene? Dem Spiel hingegeben zu sein – dazu nehmen wir uns sicher zu wenig Zeit – und ergebnisorientiert zu arbeiten.

Zum Schluss kehre ich noch einmal zur Seehundfütterung im kleinen Tiergarten zurück, wobei dieser mit „größter Seehundanlage Deutschlands“ wirbt. Das halbstündige Programm der Fütterung wird durch die Tierpflegerin ganz hervorragend gestaltet. Über Funkmikrophon und durch Szenenwechsel erhält das ganze Showcharakter. Und da hinein werden interessante Informationen verpackt, so dass klein und groß auf ihre Kosten kommen. „Lassen Sie sich durch das Kindchenschema bei den Seehunden nicht täuschen: große, runde Augen und Stupsnase. Seehunde sind Raubtiere. Wenn Sie am Strand einem begegnen sollten, halten Sie Abstand“. Da fühle ich mich ertappt und frage mich, ob ich da auch bei „Menschenkindern“ herein falle – was ja dort aber auch schön sein kann.

Ach ja, und noch etwas habe ich im Tiergarten gelernt: da gab es ein Infoschild über Möwen, sechs verschieden Arten waren abgebildet. Aha! Möwe ist nicht gleich Möwe. Und tatsächlich fiel es mir dann schon am nächsten Tag auf und ich schaue genauer hin...

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