„Ist schon eine Weite, was?“, so
fragte mich der freundliche Pastoralreferent, zwei Tage nachdem er
mich am Bahnhof abgeholt hatte. Ich wusste nicht so recht, wie
antworten. „Weite?“ So hatte ich das bisher nicht empfunden. In
die Weite sehe ich auf einem Berggipfel. Aber hier? Da stehe ich am
Strand, am Ufer des Meeres. Mich beeindrucken die Wellen, ich spüre
Salzgeschmack im Mund, aber in der Ferne, da sehe ich – nichts.
Offensichtlich gibt es jedoch Menschen, die Weite empfinden.
Vielleicht kann ich das ja „lernen“, zumindest möchte ich meinen
Blick „weiten“ lassen durch das Empfinden des anderen. Und ich
hoffe, dass ich jetzt nicht bei allen „bekennenden Meer-Urlaubern
und Seefahrern unten durch“ bin und bitte, meine Ehrlichkeit zu
honorieren.
An einem Tag war ich, als guter
Urlauber, im „Westküstenpark mit Robbarium“. Abgesehen davon,
dass ich selbst meinen Spaß an der Seehundfütterung hatte, gab es
noch ein tieferes Moment der Freude. Viele junge Familien, Eltern mit
ihren kleinen Kindern sind hier zu sehen. Und es fasziniert mich, wie
die Erwachsenen sich „bestimmen lassen“ von ihren Kindern, bis
hinein in die Urlaubs- bzw. Tagesplanung. Etwa durch den Besuch in
solch einem kleinen Zoo. Natürlich auch mit etwas „erwachsener
Raffinesse“: „Du“, sagt die Frau zum Mann, „wir gehen nicht
gleich zum Spielplatz, sonst kommen wir mit denen (Blick auf die
Kinder) nicht mehr weiter. (Um 11.00 Uhr ist ja die
Seehundfütterung!)“. Aber dann: die Freude der Kinder wird zur
Freude der Eltern.
Und das gilt bei verschiedenen
Elterntypen: da ist ein junger Mann, dessen Haar- und Bartpracht so
ist, dass ich ihm lieber nicht allein im Dunkeln begegnete. Bei
seinen Ohrringen höre ich irgendwann zu zählen auf, hat er nicht
auch noch einen in der Nase? Die ihn begleitende Frau dagegen
zeichnet sich durch höchst interessant gefärbte Haare aus. Und
gleichzeitig: sehr aufmerk- und einfühlsam gehen sie mit ihren
beiden kleinen Kindern um.
Es stimmt: so wie die Eltern ihre
Kinder, erziehen die Kinder auch ihre Eltern. Welch ein Lernort für
Menschlichkeit! Familie, wie genial ist diese „Einrichtung“. Ich
hoffe, dass die bevorstehende römische Familiensynode dies
unterstreichen und nicht nur „problemorientiert“ Stirnrunzeln und
Kopfschütteln erzeugen wird. Applaus für die Familie! Ohne zu
idealisieren. Wenigstens der Papst selbst hört ja nicht auf, dazu
auffordern, die Wirklichkeit als solche wahr und ernst zu nehmen.
Noch etwas, was mir in diesem
Zusammenhang auffällt: natürlich gehört auch der Strandbesuch zum
Familienurlaub an der See. Kinder und Eltern sind mit Schäufelchen
und Eimern bepackt, bei größeren Kindern ist oft auch ein
Flugdrachen dabei. Diesen beim starken Wind an der See steigen zu
lassen ist teilweise ein echtes Kunststück. Manche Kinder können
ganz viel Zeit damit verbringen: Löcher graben und darin das Wasser
sich sammeln lassen. Oder den Drachen hin und her sausen zu lassen.
Andere sind „fleißig“: sie
befüllen den mit gebrachten Eimer oder auch eine kleine Plastiktüte
mit den Muscheln, die es am Strand zu finden gibt. Und bisweilen habe
ich den Eindruck echter Sammelleidenschaft, um nicht von „Sammlerwut“
zu sprechen.
Gehören diese beiden Dimensionen zu
unserem Leben auch als Erwachsene? Dem Spiel hingegeben zu sein –
dazu nehmen wir uns sicher zu wenig Zeit – und ergebnisorientiert
zu arbeiten.
Zum Schluss kehre ich noch einmal zur
Seehundfütterung im kleinen Tiergarten zurück, wobei dieser mit
„größter Seehundanlage Deutschlands“ wirbt. Das halbstündige
Programm der Fütterung wird durch die Tierpflegerin ganz
hervorragend gestaltet. Über Funkmikrophon und durch Szenenwechsel
erhält das ganze Showcharakter. Und da hinein werden interessante
Informationen verpackt, so dass klein und groß auf ihre Kosten
kommen. „Lassen Sie sich durch das Kindchenschema bei den Seehunden
nicht täuschen: große, runde Augen und Stupsnase. Seehunde sind
Raubtiere. Wenn Sie am Strand einem begegnen sollten, halten Sie
Abstand“. Da fühle ich mich ertappt und frage mich, ob ich da auch
bei „Menschenkindern“ herein falle – was ja dort aber auch
schön sein kann.
Ach ja, und noch etwas habe ich im
Tiergarten gelernt: da gab es ein Infoschild über Möwen, sechs
verschieden Arten waren abgebildet. Aha! Möwe ist nicht gleich Möwe.
Und tatsächlich fiel es mir dann schon am nächsten Tag auf und ich
schaue genauer hin...
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