Sonntag, 1. März 2015

Mutig neue Wege gehen

„Mutig neue Wege gehen“ - so lautet das Motto des Glaubenstages am 1. März in der Pfarreiengemeinschaft Tussenhausen. Ob ich einen Kurs, einen Workshop dabei halten kann?
Mir gefällt die Idee des Glaubenstages und ich überlege, wie diese Thematik angegangen werden kann. Und bald habe ich es: wer geht denn mutig neue Wege? Mir kommen bald einmal Flüchtlinge in den Sinn, die zu Hause alles aufgeben und sich in eine ungewisse Zukunft aufmachen.
Außerdem ist das Thema omnipräsent in den Medien.

Also setze ich mich mit der Caritas-Migrationsberaterin in Verbindung. Ob sie jemand weiß, der bereit und fähig wäre, seine (Flucht-)Geschichte zu erzählen? Tatsächlich ist das ja nicht so einfach. Es fängt mit der Sprachbarriere an. Aber dann gibt es tatsächlich Trauma-Erfahrungen durch die Flucht, die es den Betroffenen schwer bis unmöglich machen, davon zu erzählen. Und dazu kommt Misstrauen: die Syrer etwa kommen aus einem Staat, in dem der Geheimdienst überall aktiv war. Und auch Geheimdienstleute sind geflohen. Wer weiß, so fragt sich der syrische Flüchtling, wem ich mit meiner Erzählung eventuell schade?

Aber wir, d.h. die Caritas-Mitarbeiterin, finden jemand. Eine syrische Familie aus Damaskus, die vor zwei Jahren die Flucht angetreten hat und seit einigen Monaten in Deutschland lebt. Mohammed, seine Frau Mysam und ihren beiden entzückenden kleinen Söhne. Mohammed hatte zu Hause ein Restaurant, die Familie hatte ein Haus und zwei Autos. Aber die Lage war trotzdem unerträglich für sie. Und so flohen sie nach Ägypten - dem einzigen Land, in dem sie als Syrer kein Visum bezahlen mussten. Bis auch dort die Lage für die Syrer gefährlich wurde. Also hatten sie die Wahl, nach Syrien zurück zu kehren oder nach Europa weiter zu fliehen. Und entschieden sich dafür. Wobei Mohammed mit nassen Augen erzählte: „wenn ich von den Fluchtbedingungen geahnt hätte, dann wäre ich nach Syrien zurück gekehrt, um dort zu sterben.“ Wie so viele landeten sie auf einem einfachen, kleinen Fischerboot, auf dem 600 Menschen zusammen gepfercht waren, ohne Nahrung und Wasser. Und darunter eben die junge Familie mit den kleinen Kindern. Sie hatten ohnehin nur das Nötigste mit genommen, wobei die Schlepper zwei von den drei Rucksäcken über Bord warfen.
Der Kapitän hatte sein Satellitentelefon über Bord geworfen, um nicht geortet zu werden. Ein großer Tanker fuhr am Flüchtlingsboot vorbei. Welch enttäuschte Hoffnung! Endlich ein Flugzeug über ihnen, aus dem Fotos gemacht wurden. Un kurz darauf ein Schiff des Roten Kreuzes, welches Rettung brachte.

In der Schlussrunde äußerten mehrere Kursteilnehmer ihre Betroffenheit. Und den Unterschied, den es ausmacht, solche Geschichten zu lesen, im Fernsehen zu sehen oder sie einen lebendigen Menschen erzählen zu hören.
Zwei afrikanische Flüchtlinge kamen aus einer anderen Flüchtlingsunterkunft, Samson aus Eritrea und sein Freund aus Senegal. Leider hatten wir nur noch Zeit für Samsons Geschichte, der auf der Suche nach Freiheit seine Heimat verlassen hatte. Sein jüngerer Bruder ist in der Schweiz gelandet.

Welch eine dichte Atmosphäre in diesen 90 Minuten Workshop in einem Klassenzimmer. Dass die beiden Kinder von Mohammed und Mysam zwischendurch Krach machten, störte überhaupt nicht. Und am Ende eine gegenseitige Dankbarkeit: die Flüchtlinge dankten für die Gelegenheit, erzählen zu können, spürten wohl auch die ihnen entgegen gebrachte Offenheit. Und wir waren voller Dank, solche Geschichten aus erster Hand zu hören zu bekommen.

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