Kaum hatte ich den letzten Post
geschrieben, bekam ich einen Anruf von einem evangelischen Pfarrer in
Memmingen: „wir sind in Not und müssen schnell handeln. Ein junger
kurdischer Mann, der vor dem IS aus dem Irak geflohen ist, soll nach
Bulgarien abgeschoben werden. Ich appelliere an ihre Barmherzigkeit:
nehmen Sie ihn auf!“ Natürlich habe ich den evangelischen
Mitbruder gefragt, wieso er das nicht tue. „Wir haben ihn bei uns
im 2. Stock des Pfarrhauses aufgenommen. Aber ich habe mit meiner
Frau ein agreement gemacht, dass das nur vorläufig sei“. Als ich
dem evangelischen Pfarrer erklärte, dass wir bereits einen jungen
Syrer als Kirchenasylant im Haus haben und ich auf die Strukturen
unseres Hauses und meine Mitbewohner/innen Rücksicht nehmen muss,
hatte er Verständnis und bat mich um weitere Adressen von Klöstern,
bei denen er nachfragen könnte.
Wieder: ich will nicht Nutzen ziehen
aus der misslichen Lage so vieler Menschen. Aber ich glaube, in den
zwei Jahren, in denen ich jetzt hier bin, ist das der erste Kontakt
zu einem evangelischen Pfarrer hier in der Gegend. Und dieser
wiederum lernt katholische Ordensleute in seinem Umfeld kennen, weil
er sich auf die Suche nach Quartier macht. Hat das nicht mit der ganz
praktischen Ökumene zu tun, die nicht nur einfacher ist als
theologische Disputationen, sondern diesen womöglich auch die nötige
Grundlage schafft?
Etwas suspekt war mir die Begeisterung
des evangelischen Kollegen, mit er der mir erzählte, dass der junge
Kurde bereits die Bibel auf arabisch liest und womöglich einer der
kommenden Täuflinge sein könnte. Langsam – dachte ich mir!
Papst Franziskus hört mit einer
gewissen Hartnäckigkeit nicht auf, die Menschen an die Werke der
Barmherzigkeit zu erinnern. Manchmal fragt er seine Zuhörer wie
Schüler danach. Und wenn die Schüler die sieben leiblichen und die
sieben geistlichen Werke der Barmherzigkeit nicht kennen, dann
bekommen sie als Hausaufgabe auf, diese zu lernen. Damit sie sie in
die Praxis umsetzen.
Bei verschiedenen Gelegenheiten hat der
Papst das jetzt schon getan.
Und der Leiter des Referats für
Weltkirche in unserer Diözese fragte vor kurzem im kleinen Kreis, ob
nicht die Flüchtlinge in gewisser Weise ein Segen für die Gemeinden
hierzulande seien. Weil da neues Engagement geweckt werden kann.
Tatsächlich haben christliche Gemeinden die Barmherzigkeit ja oft an
Hauptamtliche der Caritas „delegiert“. Wobei ich nicht leugnen
will, dass engagierte Christinnen und Christen unheimlich viel Gutes
in ihrem Umfeld leisten und damit tatsächlich oft heilsam für ihr
Umfeld sind.
Wenn ein Flüchtling ins Kirchenasyl
aufgenommen werden muss, dann muss er in entsprechende
Räumlichkeiten. In die einer Kirche oder – in unserem Fall –
eines Ordenshauses. Das ist klar.
Das Naheliegende wäre ja, dass
Christen hierzulande sich entschließen, in den leer stehenden
Zimmern ihrer Häuser und Wohnungen Menschen in Not aufzunehmen. Denn
in gewissem Sinn sind ja auch diese Räume „Kirchenräume“.
Im Sozialstaat haben wir uns angewöhnt,
nach „dem Staat“ oder „der Kirche“ zu rufen: dabei sind wir
deren Teil.
Ein 86jähriger Mitbruder im Altenheim,
dem ich von unserem Kirchenasyl erzählte, der fing eher zu schimpfen
an und sah es als Folge der „Nazi-Vergangenheit“ Deutschlands an,
dass „wir jetzt alle aufnehmen müssen“. „Der Deutsche muss
zahlen!“
Mein Mitbruder ist ja nicht der
einzige, der so denkt, von daher muss mit Klugheit vorgegangen
werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen