Montag, 31. Dezember 2012

Jahreswechsel

Denn tausend Jahre sind für dich
wie der Tag, der gestern vergangen ist,
wie eine Wache in der Nacht.
Von Jahr zu Jahr säst du die Menschen aus;
sie gleichen dem sprossenden Gras. (Ps 90,4f.)

Der Jahreswechsel bietet sich an, um über die Zeit und unseren Umgang mit ihr nachzudenken.

Es ist 11.47 Uhr. Eigentlich beten wir gemeinsam um 11.45 Uhr das Mittagsgebet. Einer fehlt noch. Auf ihn warten? Und wenn er dann morgen noch zwei Minuten später kommt? Ob er noch am telefonieren ist?

Am Umgang der Zeit lassen sich gut Unterschiede zwischen uns erkennen. Wahrscheinlich habe ich noch das „fünf Minuten vor der Zeit ist des Ministranten Pünktlichkeit“ von früher im Ohr. Bei Verspätungen ist mir unwohl zumute. Was mich bis jetzt nicht daran hindert, die Bahn dem Auto vorzuziehen, wo immer das möglich ist:-)

Apropos Verkehrsmittel. Im diesjährigen Weihnachtsbrief von P.Augustinus, einem Franziskaner, der seit Jahren in Afrika lebt und arbeitet, steht unter anderem folgender Reisebericht:

Unser Bus sollte um 12 Uhr abfahren. Wir warteten geduldig bis 3 Uhr und dann ging es auch bald los, natürlich zuerst zur Tankstelle. Gegen Mitternacht erreichten wir die Grenze, wo wir etwas schlaftrunken die nötigen Formalitäten am Grenzübergang erfüllten. Dann ging es weiter nach Kampala, der Hauptstadt Ugandas, die in tiefem Schlaf versunken war. Nur in der Busstation war es lebendig. Dort bekamen wir gegen 2 Uhr nachts ein spätes Abendessen. Danach ging es
weiter nach Mbarara, wo wir gegen 7:30 Uhr morgens eintrafen.

Geht doch auch, oder?

Mit Firmlingen aus der Gemeinde konnte ich an einem Tag im Dezember einige soziale Einrichtungen im Land Liechtenstein besuchen. Unsere letzte Station war AUXILIA, ein Beschäftigungsprojekt des Heilpädagogischen Zentrums für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. In verschiedenen Arbeitsbereichen (Schlosserei, Schreinerei, Küche etc.) arbeiten dort Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen gemeinsam mit Sozialpädagogen und Arbeitsagogen. Der Leiter der Einrichtung, der uns durch die Werkstätten führt, machte einerseits deutlich, dass sich das Arbeitstempo im Gegensatz zu anderen Betrieben unterscheidet. „Mir redet zwischedurch miteinand, es goat weniger närrisch zua. Wer sind denn die Närrischa?“
Man werfe mir keine unrealistische Sozialromantik vor. Welches Arbeitstempo und -umfeld entspricht jetzt dem Menschen mehr? Dasjenige, das wir in der AUXILIA erlebten, oder eines, bei dem der Mitarbeiter nie sein Handy oder Ähnliches ausschaltet, weil er immer erreichbar sein und schnell reagieren muss? Erfreulicherweise gibt es mittlerweile Untersuchungen, welche belegen, dass in Betrieben, die ihren Mitarbeiter/inne/n flexible Arbeitszeiten ermöglichen, nicht nur die Zufriedenheit steigt, sondern auch die Produktion. Übrigens: was uns AUXILIA-Besuchern auffiel: bei einem Klingelzeichen ließen die Menschen alles liegen und stehen und begannen eine Arbeitspause. Bei einem weiteren Klingelzeichen erhoben sie sich genauso schnell von ihren Plätzen und gingen wieder an ihre Arbeitsplätze.

Vor AUILIA hatten wir im Flüchtlingsheim in Vaduz mit einem jungen Mann aus Eritrea gesprochen, der aus seiner Heimat geflüchtet war. Zwei Jahre war er unterwegs, zu Fuß, mit dem Auto, mit dem Schiff, bis er in Liechtenstein ankam. Zwei Jahre!

Dir, Ihnen gute Zeit im Neuen Jahr!

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