Es sieht lustig aus: auf der Fensterbank des riesigen Klostergebäudes (in T-Form, an einem Flügel zähle ich sechs Stockwerke, an einem Eingang steht: „Erbaut 1910 – 1911“) stehen Turnschuhe zum Lüften. Da ich auch noch ein buntes Kleid am Fenster hängen sehe, vermute ich einmal, dass es sich nicht um das Freizeitdress einer der Ordensfrauen handelt, die auch dort im Kloster leben. Das Gebäude des Schwesternklosters wird inzwischen von verschiedenen Menschen genutzt. Wie mir scheint, gilt das auch für den dazugehörigen großen Garten. Er ist teilweise in Parzellen eingeteilt, an denen Familiennamen stehen.
Gleich neben dem eben beschriebenen Kloster gibt es ein
weiteres. Früher war dort eine Schule. Inzwischen halten noch zwei Ordensfrauen
der Gemeinschaft die Stellung und auch ihr Gebäude, inclusive der großen
landwirtschaftlichen Nutzfläche, wird von anderen genutzt.
Ähnliches wie das, was ich hier in Österreich sehe, habe ich kurz zuvor in der Schweiz zum Teil gesehen und auch von Ordensfrauen beschrieben bekommen. In einen leerstehenden Klostertrakt ziehen dort 100 Flüchtlinge ein – nicht nur zur Freude der Bevölkerung vor Ort.
Die Sozialgestalt der Kirche ändert sich. Es gibt viele Anzeichen dafür. Klostergebäude, welche leer stehen oder anders verwendet werden, sind ein Zeichen dafür. Veränderungen lösen gemischte Gefühle aus. Sie erzeugen Unsicherheit, manchmal Wehmut.
Beim Blick auf das eingangs beschriebene Kloster kann ich
verstehen, dass früher manche/r Ordenschrist/in formulierte: „als ich noch in
der Welt war“. Denn der Einzug in solch ein riesiges Gebäude, das Zusammenleben
mit mehr als 100 Mitschwestern ist vermutlich zum Teil wirklich wie das Leben
in einer eigenen, anderen Welt empfunden worden. Wenn sich das ändert, siehe
die Sportschuhe zum Lüften am Fenster im Parterre des Klosters, dann mag das
auf diesem Hintergrund eher positiv sein. Es mischen sich Lebenswelten. Und
Menschen, die sich vielleicht irgendwie „aus der Welt“ zurück zu ziehen
meinten, kommen auf einmal mit anderen Welten, Denk- und Lebensformen zusammen.
Im Idealfall gibt es gegenseitige Neugier und bei Offenheit Erkenntnisgewinn
auf allen Seiten. Las ich nicht neulich, dass eine im Vergleich zur
Gesamtbevölkerung relativ hohe Lebenserwartung bei Ordensfrauen sich unter
anderem auch mit einer festen Tagesstruktur (Gebets-, Essens-, Arbeitszeiten)
und geregelten sozialen Beziehungen erklären ließe? Mag manchen
überindividualisierten, atemlos hektischen Zeitgenoss/inn/en ein Denkanstoß
sein.
In Verbindung damit bringe ich ein anderes Erlebnis der vergangenen Wochen. Seit vielen Jahren komme ich immer wieder an den römischen Hauptbahnhof Termini. Etwas für mich Typisches dort war für mich bisher, immer irgendwelche Priester oder Ordensleute in ihrer jeweiligen Tracht gesehen zu haben. Gehört/e einfach zum Erscheinungsbild von Termini dazu. Als ich Ende Juli von Rom abfuhr und noch eine halbe Stunde am Bahnhof stand, sah ich niemanden in Priestergewand oder Ordenstracht – es fiel mir tatsächlich auf. Natürlich war auch ich Priester in Zivil. (Beim Umsteigen in Mailand wurde ich dann versöhnt: dort waren nacheinander ein „frate“ und drei Ordensfrauen zu sehen.) Vielleicht geht es ja auch hier nicht nur um den Verlust eines offensichtlichen Zeugnisses, sondern um eine Vermischung von Welten, welche neue Denkanstöße mit sich bringt?
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