Dienstag, 31. August 2021

Archiv

In den vergangenen beiden Wochen habe ich einige Stunden in unserem Archiv verbracht. Weil wegen der dort lagernden Dokumente die Klimaanlage immer angeschaltet bleibt, ist das bei römischen Sommertemperaturen mit teilweise knapp 40 Grad ein durchaus angenehmer Aufenthaltsort. Das Archiv enthält einen historischen Teil, wo sich zum Beispiel die von unserem Gründer geschriebenen Briefe befinden, welche uns erhalten geblieben sind. Daneben gibt es den aktuellen Teil, wo Nachrichten über Mitbrüder bzw. aus den einzelnen (regionalen) Einheiten unserer Gemeinschaft gesammelt werden.

Mit der Ordnung dieses Archivs ist das so eine Sache. Die Amtszeit einer Generalleitung in unserer Gemeinschaft beträgt sechs Jahre, danach wechselt die Administration und das Personal, auch wenn manchmal eine Wiederwahl längere Verweildauern möglich macht. Mitbrüder aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichen Hintergründen bringen andere Konzepte mit, was sich auch im Bereich des Archivs bemerkbar macht.

So hatten wir uns im Frühjahr entschlossen, zwei professionelle Archivarinnen zu beauftragen, wenigstens in einen Teilbereich (die aktuell lebenden Mitbrüder) Ordnung zu bringen. Eine der beiden hatte vorher einmal das Archiv einer italienischen Bierbrauerei geordnet – wie passend! - aber auch dasjenige der jüdischen Gemeinde in Rom. Zur Arbeit der beiden Damen gehörte auch die digitale Datenerfassung – die gab es bis dahin schlicht nicht. Jetzt sind wir mit einem System der italienischen Bischofskonferenz verbunden und können die entsprechende Software nutzen. Nachdem die Archivarinnen ihren Auftrag beendet hatten, liegt es jetzt an uns, „dran zu bleiben“.

Ganz konkret beschäftige ich mich mit einem großen Stapel Papier, welcher Material zu inzwischen verstorbenen oder aus der Gemeinschaft ausgetretenen Mitbrüdern enthält. Auch das muss ja irgendwie geordnet und archiviert werden. Ich freue mich darüber, die Geschichte des ein oder anderen Mitbruders etwas näher kennen zu lernen. Wir hier im Generalatshaus unserer Gemeinschaft beten jeden Morgen für die Mitbrüder, welche am jeweiligen Tag Geburtstag haben und für die Mitbrüder, deren Todestag ist. So bin ich dem ein oder anderen Namen schon einmal begegnet. Darüber hinaus gab es aber in den gut 40 Jahren, die ich selbst Mitglied der Gemeinschaft bin, auch reale Begegnungen mit dem ein oder anderen, zu dem ich jetzt Dokumente und Unterlagen hier finde.

Immer wieder gerate ich dabei ins Staunen und Danken. Was sind da für tolle Kerle drunter! Wie viel Gutes haben diese Missionare geleistet. Dass es auch die andere Seite gibt, soll nicht verschwiegen werden, auch unter uns gibt es Missbrauchstäter.

Aber da ist der eine, der seine Heimat USA verließ, um als Missionar in Chile zu arbeiten. Und der von dort aus nach Guatemala ging, weil er eine noch größere Not erlebte und bei den Menschen sein wollte. Seine Mitbrüder zu Hause in den USA waren alles andere als begeistert von diesem missionarischen Elan – und doch sind wir heute auch ganz offiziell in Guatemala vertreten.

Viele haben im Seelsorgs- und Erziehungsbereich Großartiges geleistet und wohl unzählig vielen jungen Menschen sehr viel für ihren Lebensweg mit gegeben. Bei mehreren wird ihre Musikalität erwähnt, mit der sie andere, vor allem Jugendliche, begeistert haben.

Bei vielen Familiennamen der US-amerikanischen Missionare bemerkt man ihre europäischen Wurzeln, manche lesen sich sehr deutsch. Bei einem entdeckte ich, dass er darauf stolz war, Plattdeutsch zu sprechen, wie er es in seiner Kindheit zu Hause getan hatte. Und er half anderen deutschstämmigen Amerikanern, welche ihre eigene Familiengeschichte erforschten.

Und dann ist der andere, der seine eigene Alkohol-Abhängigkeit in den Griff bekam, jahrelang Mitglied bei den anonymen Alkoholikern war und für viele dort ein Seelsorger.

Besonders beeindruckend für mich sind einige Brüdergestalten. Unsere Gemeinschaft besteht ja nicht nur aus Priestern, sondern eben auch aus Brüdern, die ohne Priesterweihe ihren Dienst tun. Zum Teil geriet diese Berufung etwas aus dem Blick, leider. Ich bin sehr froh, dass wir in der Generalleitung zum ersten Mal auch einen Bruder haben. Und in Italien hat nach vielen Jahren im vergangenen Juli wieder ein junger Mann sein definitives Treueversprechen abgelegt, der seine Berufung als Bruder leben möchte. Und der nach einem Jahr in Albanien jetzt in Tanzania im Krankenhaus der Missionare arbeitet und zusätzlich jungen Leuten Informatikunterricht gibt...

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