Freitag, 15. Mai 2020

Zusammenleben

Mit Matteo habe ich einige Wochen das Zimmer geteilt, damals vor vielen Jahren im Spiritualitätszentrum in der Nähe von Florenz. Ein ganz ein feiner Kerl – und in seinen Künsten auf der Gitarre mir haushoch überlegen. Es gab nur ein Problem: während ich gewohnt bin, bei offenem Fenster zu schlafen, konnte sich Matteo das überhaupt nicht vorstellen. Ich weiß gar nicht mehr, wie wir uns damals geeinigt haben. Auf jeden Fall sind wir Freunde geblieben. Matteo ging für seine Ordensgemeinschaft, die Xaverianer, nach Asien. Lange Jahre war er in Indonesien und ist nun seit ein paar Jahren auf den Philippinen. Jeden Monat schreibt er eine kleine Erfahrung aus seinem Leben auf, die mich jedes mal berührt, von ihm habe ich diese Praxis übernommen und versuche auch, Leben mit anderen zu teilen.

Und neulich gab es – Corona sei´s gedankt - eine Videokonferenz mit mehr als 100 Ordensmännern aus aller Welt, 25 Fenster waren jeweils gleichzeitig auf dem Bildschirm geöffnet. Ich hatte Matteo gar nicht wahr genommen, aber er schrieb mir hinterher, dass er sich gefreut habe, mich zu sehen. Ich weiß gar nicht, ob er sich noch an die „Fenster-Frage“ im Spiritualitätszentrum erinnert...

Jetzt lebe ich mit Juan zusammen, ein Missionar vom Kostbaren Blut aus Chile, der die letzten Jahre in den USA gelebt hatte. Ein sehr liebenswürdiger und auf verschiedenen Feldern begabter Mann.
Als wir im Februar als Generalleitung zusammen waren, ging es darum, ein offizielles Gruppenfoto zu machen. Juan ist leidenschaftlicher Hobbyfotograf. Und er war ganz untröstlich, dass am Tag des Gruppenfotos die Sonne strahlend schien. „Hätten wir es doch gestern gemacht, da war der Himmel bedeckt“, seufzte er. Schlussendlich lud er uns zum Fototermin in die Kapelle ein, weil draußen die Lichtverhältnisse einfach nicht seinen Vorstellungen entsprachen. Als ich merkte, welche Bedeutung das Gruppenfoto für ihn hatte, fragte ich ihn – eher im Scherz – ob er bezüglich der Bekleidung noch Vorstellungen habe. Etwas abschätzig schaute er auf meine Sandalen und meinte, ich solle mir dann doch bitte geschlossene Schuhe anziehen. Wow! Darauf wäre ich tatsächlich nicht gekommen. Natürlich kam ich Juans Wunsch nach. Und war heilfroh, als ich seine Vorbereitungen in der Hauskapelle sah: die Bänke waren auf die Seite gerutscht, am Eingang stand die Kamera auf Stativ, vorne hatte er einen externen Blitz aufgebaut, Juan selbst erschien in Anzug und Krawatte. Und es sind schöne Fotos geworden...

In Maria Baumgärtle ist mein Nachfolger eingezogen. Und mir ging es jetzt mehrmals so, dass ich meine Stoffserviette, zusammengehalten von einem schon etwas lädierten Serviettenring (ein Holzzebra, das mir eine Ordensschwester aus Burkina Faso mit gebracht hat) suchte. Die Serviette ließ ich sonst immer auf dem Tisch liegen. Stimmt: es gibt eine Schublade für die Servietten. Andere Serviettennutzer unter den Mitbrüdern legen ihre Serviettentasche dort ab. Als ich etwas genervt bei einer Mahlzeit bemerkte, dass ich meine Serviette suche, meinte mein Nachfolger, er habe sie aufgeräumt. „Das sieht doch nicht aus, wenn da jemand kommt, wenn die Serviette auf dem Tisch liegt...“ Okay, wieder eine andere Perspektive.

So geht das mit dem Zusammenleben, mit Fenstern, Sandalen und Servietten und... und sehr oft bin ich da nicht so geduldig und verständnisvoll. Trotzdem hoffe ich, noch nicht zu alt zu sein, um immer wieder etwas dazu zu lernen. In Rom leben wir zu sechst im Haus, drei Frauen und drei Männer, und stammen aus fünf verschiedenen Nationen. Da ist allerhand Lernmöglichkeit gegeben...

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