Nach Ostern feierte ich an einem
Werktag in einem Altenheim hier in der Nähe die heilige Messe mit
den Bewohnern, Ordensfrauen und Leuten aus dem Ort. Weil im
Evangelium des Tages erzählt wurde, dass Maria von Magdala den
auferstandenen Jesus für den Gärtner hielt (Joh 20,11-18), erzählte
ich von einer Statue, die Jesus als Gärtner zeigt. Mir war diese
Darstellung von Jesus mit einem Spaten in der Hand in Erinnerung
geblieben.
Nach der Messe sprach mich dann ein
Mann an, der als Pensionär dort im Altenheim lebt. Er ist Priester
und war lange Jahre als Missionar in Zululand – Südafrika. „Ich
möchte Ihnen etwas zeigen“, sagte er mir. Und ich warf meinen
Terminplan über den Haufen, um mit dem alten Mann langsam zu seinem
Zimmer zu gehen. Gleich beim Eintreten in das Zimmer sah ich auf
einem Sideboard verschiedene Statuen und kommentierte das. „Oh,
welche Kunstwerke haben Sie hier! Eine Kopie der Johannesminne,“
(deren Original sich in Heiligkreuztal befindet) - ich mag diese
Darstellung sehr! - „eine Kopie des Geißelheilandes von der Wies
und eine Statue des hl. Antonius, der ist ja Ihr Namenspatron!“.
„Ja, aber es gibt noch etwas“, sagte der alte Priester. Neben den
drei großen Statuen stand eine kleinere, in schwarzem Holz, aus
Afrika. Und diese hatte mir der Pensionär zeigen gewollt. Wenn ich
ihn recht verstanden habe, dann hat ein Schnitzer, der später
ermordet wurde, nach den Vorgaben des Priesters und eigener Intuition
eine Statue von Maria und Jesus geschaffen, die – wie mir dann
auffiel – wirklich ausdrucksstark ist. Und ich entschuldigte mich,
dass ich ausgerechnet diese Statue übersehen hatte.
Mir ging diese Begegnung nach. Ob sie
nicht allerhand verrät über die Begegnung von Kulturen einerseits
und die Wahrnehmung überhaupt andererseits? Mir waren auf jeden Fall
sofort die bekannten Darstellungen aufgefallen und das Fremde,
Unbekannte, hatte ich übersehen. Wer möchte, kann da noch
kolonialistische Muster und Gefährdungen entdecken! Was sehe ich,
was sticht mir ins Auge, was nehme ich wahr?
Ein paar Wochen später war ich wieder
einmal in der Moritzkirche in Augsburg. Bei jedem Augsburg-Besuch
versuche ich, in diese Kirche zu kommen und wenigstens ein paar
Minuten dort zu sein. Sie ist schon in sich ein beeindruckender und
mich immer neu berührender Bau.
Vor kurzem hatte ich gelesen, dass es
in dieser Kirche eine Installation mit vielen Fäden geben soll. Und
jetzt saß ich da in einer Kirchenbank und sah die Kirche wie immer –
ohne Fäden. Bis... bis ich meinen Blick nach oben schweifen ließ
und sie sah! Ein Abschnitt ganz vieler feiner Fäden, durch das Licht
aus einem Seitenfenster eben genau in diesem Abschnitt sichtbar. Wow!
Nachdem ich diesen Abschnitt gesehen
hatte, ging ich noch ein wenig in der Kirche auf und ab und sah
weitere Teile der Fäden, auch das Gerüst auf der Orgel, wo das eine
Ende der Fäden fest gemacht ist.
Wie ist das mit dem Sehen? Was sehe
ich? Oder mag es sein, dass ich auch sonst manches nicht sehe, was da
ist? Es ist da und ich nehme es nicht wahr.
Ostern hat mit einem neuen Sehen zu
tun. Wie schrieb mir neulich jemand, einen Studentenseelsorger
zitierend: „der Auferstehungsglaube ist der begründete Zweifel an
der Hoffnungslosigkeit“. Also erst noch einmal genau hin schauen.
Und mit der Bereitschaft, Ungewohntes, Neues zu entdecken...
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