Am 17. Februar verstarb Michele (sprich: Mikele), den ich im
Männerwohnheim der Schwestern Mutter Teresas hier in Rom kennengelernt hatte. Eigentlich
wollte ich zuerst in diesem Post noch einmal an den ehemaligen deutschen
Bundespräsidenten Horst Köhler erinnern, der Staatsakt an seinem Begräbnistag
geht mir nach. Weil aber eben an Horst Köhler schon anderweitig erinnert wurde,
gebe ich hier gleichsam Michele „den Vorzug“.
Wie gesagt, ich hatte ihn in der „casa di accoglienza delle
missionarie della carità” kennengelernt, während meines Einsatzes in der Küche
dort. Etwa eine Stunde vor dem Mittagessen tauchte Michele auf und fragte, ob
er das Wasser auf den Tisch stellen solle. Das war wohl seine Aufgabe: mit
Wasser gefüllte Krüge auf die Tische in den beiden Speisesälen zu stellen. Und
es wiederholte sich jedes Mal dasselbe Ritual: Michele kam mit seiner Frage und
die Schwester bat ihn, doch später wieder zu kommen, worauf noch etwas
bezüglich der Zeit verhandelt wurde. Nachdem Michele aber nun schon einmal da
war, gab es auch das ein oder andere Mal ein kurzes Gespräch. Wobei ich große
Verständnisschwierigkeiten hatte, so war etwa das Gebiss Micheles nicht sehr
vollständig. Einmal ging es um scharf gewürzte Speisen und – wenn ich ihn
richtig verstanden habe – er rühmte sich, da allerhand auszuhalten, bzw.
ausgehalten zu haben.
Nachdem ich meinen Arbeitsbereich geändert hatte und von der
Küche (im Erdgeschoss) in den ersten Stock „befördert“ wurde, gehört seitdem
ein kurzer Spaziergang, 30 bis 45 Minuten, mit einigen der Männer zu meinen
Aktivitäten. Auch Michele ging ein paar Mal mit und war bei den Langsameren.
Einmal schimpfte er, ob mit mir oder einfach laut vor sich hin, das war mir
nicht ganz klar, weil die Wegstrecke zu lang war. Und er hängte sich bei mir
ein, worauf ich nicht vorbereitet war, was ich aber dann zuließ und was ihm
wirklich eine Hilfe schien. Ich war froh, als wir wieder beim Haus ankamen.
„Ich habe Schwierigkeiten mit dem Herzen und bin über 70“, so hatte er mir
einmal anvertraut.
Und an einem Mittwoch sagte mir eine der Schwestern, Michele
sei ins Krankenhaus eingeliefert worden. Sie wusste auch, dass er Jahrzehnte
auf der Straße gelebt hatte. An den folgenden Mittwochen erkundigte ich mich
immer nach Michele, zwischendurch war wohl die Frage, ob er in eine
Pflegeeinrichtung umziehen könne.
Und am 19.2. sagte mir Schwester Dina Jo, dass Michele
gestorben sei, tags zuvor hatten sie die Messe für ihn gefeiert. Im Hinblick
auf sein Begräbnis sei alles noch sehr schwierig, weil er keine Dokumente
hatte. Ein Mann, ganz allein, dazu ohne jedes Dokument, aus dem z.B. ein
Geburtsort ersichtlich ist. Ganz konkret stellt sich natürlich die Frage, wer
die Beerdigungskosten übernimmt.
So möchte ich an dieser Stelle an Michele erinnern. Andere
Männer im Wohnheim erzählten lächelnd von gemeinsamen Gymnastik-Übungen, welche
von Freiwilligen dort hin und wieder angeleitet werden, wie Michele mit seinen
Armen „Flugbewegungen“ gemacht hatte. Die Männer erzählten das aber nicht
spöttisch, sondern mit einer gewissen Freundlichkeit, fast Zärtlichkeit...
Ich hoffe und bete und glaube, dass Michele jetzt ein Zuhause gefunden hat.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen