Während des Weihnachtsurlaubs fand ich die Dezember-Ausgabe
der Herder-Korrespondenz und in dieser ein Interview mit dem irischen Bischof
Paul Tighe, der seit 2017 Sekretär des Päpstlichen Rates für die Kultur ist. Es
war eine Nebenbemerkung im Gespräch „über Künstliche Intelligenz und
Digitalität“, die mir nachgeht. Wenn ich Bischof Tighe recht verstanden habe,
dann bringt er Digitalität mit Interaktion in Verbindung und sieht in diesem
Zusammenhang einen gewaltigen Nachhol- bzw. Änderungsbedarf im kirchlichen
Geschehen oder Leben. Die klassische Predigt in der Eucharistiefeier ist ja
tatsächlich zunächst einmal nicht unbedingt interaktiv und eine sehr eigene
Form der Kommunikation. Einer redet, die anderen hören zu, wenn sie es denn
tun.
Während ich gedanklich noch dem Interview nachhänge, höre ich
(immer noch im heimatlichen Deutschland) von einer Cousine, die in München
schon ein paar Mal beim Projekt des „go-sing-choir“ mitgemacht hat. Für acht
Euro kann man an einem Abend teilnehmen, an dem unter Anleitung eines
Dirigenten gemeinsam mit 500 (!) Menschen ein Lied geprobt, bzw. einstudiert
und am Ende des Abends vor laufenden Kameras und Mikrofonen aufgeführt wird (zu
sehen auf Youtube). Die Eintrittskarten für diese „gonsingchoir“-Abende, die
einmal monatlich stattfinden, sind schnell verkauft und die Videos zeigen
Menschen, die mit Begeisterung, wenn nicht sogar Hingabe singen.
Vielleicht vergleiche ich jetzt Unvergleichbares oder ziehe
voreilig Schlüsse. Ich sehe die Freude von Menschen, die acht Euro bezahlen, um
gemeinsam ein Lied einzuüben und aufzuführen. Und ich habe andererseits den
Eindruck, dass vielen Mitfeiernden einer Eucharistiefeier oder auch einer
anderen liturgischen Feier etwas bei solchen Feiern fehlt, bzw. sie den
Eindruck haben, selbst mit ihrem Leben nicht darin vorzukommen.
Wie damit umgehen?
Erstens weiß ich, dass ich unzulässig verallgemeinert habe. Wie viele Menschen finden Nahrung für ihr Leben im regelmäßigen Mitfeiern einer Sonntagsmesse, ohne dass sie diese Tatsache irgendwie überschwänglich zum Ausdruck bringen würden.
Zweitens fühle ich mich als Vorsteher von Eucharistiefeiern in die Pflicht genommen. Wie kann ich Brücken bauen zu den Mitfeiernden und für sie? Predigen war für mich nie ein einseitiges Kommunikationsgeschehen: zum einen fließen in das Gesagte Erfahrungen aus konkreten Begegnungen mit Menschen ein, zum anderen reagiere ich auch hin und wieder auf einen Gesichtsausdruck, ein Lächeln oder Kopfschütteln eines Zuhörers oder einer Zuhörerin. Manchmal würde ich am Beginn einer Sonntagsmesse die Mitfeiernden gerne fragen: „mit welchem Wort (der Schrift) hast Du die vergangene Woche gelebt?“
Drittens habe ich als Mitfeiernder schon öfter Respekt vor den anderen Mitfeiernden empfunden, wenn sie da sind, obwohl… Z.B. die Gestaltung wenig einladend ist, die Predigt schlecht zu verstehen oder inhaltlich wenigstens hinterfrag- wenn nicht angreifbar. Tatsächlich gehen ja heute zumindest in Städten und Ballungszentren die Menschen zur Sonntagsmesse „ihrer Wahl“, nicht unbedingt in ihre (Wohn-)Pfarrei.
Viertens kann ich ohne die Eucharistie nicht leben. Und nehme deswegen als Mitfeiernder allerhand in Kauf. Ich glaube an die Möglichkeit der Begegnung mit Jesus in diesem Sakrament, auch wenn mich manches oder gar vieles am konkreten Vollzug der Feier stört oder gar abstößt. Das Ganze hängt für mich wohl damit zusammen, dass die Feier eingebettet ist in das konkrete Leben und es von daher Anknüpfungspunkte gibt, wie ich die Feier (zunächst einmal unabhängig von ihrer „Stimmigkeit“) und meinen Alltag verbinden kann.
So will ich gleichzeitig auf die Kultur der Feier und auf den konkreten Alltag blicken und hoffe, Brücken bauen zu können…