Die letzte Maiwoche verbrachte ich in Polen. Don Emanuele
als Generalmoderator unserer Gemeinschaft befindet sich noch bis Mitte Juni zur
Visitation unserer US-amerikanischen Provinz in den USA, so hat er mich
gebeten, die Wahlversammlung der polnischen Mitbrüder am 26. und 27. Mai zu
leiten.
Ich reiste am 24. nach Tschenstochau und ging gleich abends zum „Apel“, dem traditionellen Abendgebet, nach Jasna Góra. 1988 war ich zum ersten Mal dort und immer wieder berührt mich dieses Gebet. Ganz eng stehen die Menschen in der Kirche beieinander, wenn sie nicht zu den wenigeren gehören, die einen Platz in einer Kirchenbank gefunden haben. Interessanterweise schaffen es immer wieder einzelne, sich durch die eng stehenden Menschen noch weiter nach vorne zu drängen, was auch toleriert wird. 1988 erlebte ich den Ort und Anlass wie als „Raum der Freiheit“ in der kommunistisch geprägten Umwelt. Ähnlich wie Dietrich Bonhoeffer im Nazi-Gefängnis doch frei wirkte, so schien es mir hier eine kollektive Parallel-Erfahrung zu geben. Die Verhältnisse sind, wie sie eben sind, aber wir kommen hier zum Gebet bei der Mutter Gottes von Jasna Góra zusammen und das bestimmt uns letztlich und im Innersten.
Bei späteren Besuchen und auch jetzt wieder fragte ich mich bange und hoffnungsvoll gleichzeitig, ob dieses Freiheitsempfinden wie ehedem im Kommunismus jetzt auch im Kapitalismus trägt. Als ich am 27. abends noch einmal zum Apel ging, schien mir in den einleitenden Gedanken eines Priesters deutlich die Sorge angesichts der Präsidenten(stich)wahl am kommenden Sonntag und ihre möglichen Folgen, z.B. auf den schulischen Religionsunterricht, durchzuscheinen.
Gleichzeitig werden mir dabei auch unterschiedliche theologische Ansätze deutlich, wie sie sich z.B. bei der Weltsynode und nicht zuletzt bei der kontinentalen Synodalversammlung Europas in Prag gezeigt haben. Das Zusammenspiel von Kirche und Gesellschaft wird in den verschiedenen Ländern Europas sehr unterschiedlich gesehen. Und es ist zunächst einmal gut, sich dessen bewusst zu sein und in einem weiteren Schritt die „anderen“ zu verstehen zu versuchen.
Natürlich werde ich sehr gespannt den Ausgang der Präsidentenwahl in Polen verfolgen, zumal ich ja auf Schritt und Tritt, bzw. bei vielen Autokilometern den Wahlplakaten begegnet bin. Im Land schien mir die Sache nicht mehr ganz so einfach, wie ich zuvor gedacht hatte, ich gebe es zu.
Autokilometer: das hängt damit zusammen, dass ich Mariusz, einen wanderfreudigen polnischen Mitbruder gefragt hatte, ob wir nicht im Anschluss an die Wahlversammlung ein paar Tage gemeinsam wandern könnten. Er wollte mich stattdessen zum Kajak-Fahren überreden, aber dazu hatte ich nicht den Mut. So blieb es beim Wanderprojekt und wir fuhren von Tschenstochau aus in den Süden, an die tschechische Grenze, wo die Mitbrüder seit einigen Jahren eine Niederlassung haben und in einer Pfarrei tätig sind.
Das Wetter war uns in diesen Tagen nicht sehr gewogen. Am ersten Tag zogen wir los nach Czarna Góra und kamen ziemlich nass zurück. So dass wir uns am darauffolgenden Tag für Kultur entschieden und nach Kłodzko (früher Glatz) fuhren, wo es eine wunderschöne Altstadt mit einer beeindruckenden Festungsanlage zu sehen gibt. Auf der Rückfahrt besuchten wir noch die Goldmine in Złóty Stok (früher Reichenstein), ein Schaubergwerk, gemeinsam mit vielen anderen Menschen.
Am letzten Tag war noch einmal wandern angesagt, der śnieżnik, der Glatzer Schneeberg stand auf dem Programm. Zwar bekamen wir von der bei gutem Wetter wohl spektakulären Aussicht nichts mit, wir waren erneut in Wolken und Nieselregen, aber es war trotzdem schön.
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