Manchmal spüre ich etwas wie „Zerrissenheit“ in meiner
Aufgabe hier in Rom. Als Mitglied der Generalleitung meiner Ordensgemeinschaft
bekomme ich allerhand von Mitbrüdern aus verschiedenen Teilen der Welt mit und
habe teilweise „in der Bearbeitung“ konkret damit zu tun. Sei es ein
Missbrauchsvorwurf gegenüber einem Mitbruder, oder ein anderer, der seinen
Dienst in der Pastoral scheinbar dazu benutzt, sich zu bereichern. Dieser Tage
nun lese ich von einem Ordensmann einer anderen Gemeinschaft, den ich ein wenig
kenne, dass er verhaftet wurde, weil er wohl Drogen ins Gefängnis
hineingeschmuggelt hat. Und ich frage mich: „wie ist das möglich? Warum?“ Ich
erinnere mich an ein Buch von Enzo Bianchi mit dem Titel „Wir sind nicht
besser“ Untertitel: „Das Ordensleben in der Kirche und inmitten der Menschen“.
Viele Situationen tun weh. Es geht nicht ums Dramatisieren, aber natürlich um
das entschiedene Hin- und eben nicht Wegschauen. Das ist die eine Seite dessen,
was mich umtreibt und bewegt.
Und dann begegne ich in Rom den Heiligen. Den schon
bekannten, etwa meinem Namenspatron und dem Gründer meiner Ordensgemeinschaft,
die beide in Rom begraben sind. Immer wieder lerne ich auch neue Heilige
kennen, wenn ich z.B. eine Kirche betrete und an einem Seitenaltar das Grab
einer solchen Gestalt bemerke. Und dann gibt es Mitmenschen, die etwas von
Heiligkeit ausstrahlen. Sr. Maria Vicuna etwa, von den Schwestern Mutter
Teresas, beeindruckt mich immer wieder. Sie ist die Küchenchefin in dem Haus
für Männer in schwierigen Lebenssituationen, in dem ich regelmäßig helfe. Diese
junge Frau schafft es nicht nur, mittags ein gutes Mittagessen für rund 40
Menschen auf den Tisch zu bringen. Sie hat nicht nur die Töpfe und Backrohre im
Blick, sondern auch die Freiwilligen, die zur Mitarbeit da sind. Sie weiß jeder
und jedem die ihr oder ihm entsprechende Arbeit zuzuteilen und interessiert
sich dabei für die einzelnen, ihre Familien etc. Und das mit einer Prise
echten, köstlichen Humors…
Da sind also auf der einen Seite die schwierigen Situationen („zum Davonlaufen!“) und auf der anderen Seite die anziehende Heiligkeit. Ich stehe dazwischen. Indem ich mir diese Situation bewusst mache, habe ich aber gleichzeitig den Eindruck, mich in gewisser Weise auch entscheiden zu können, wohin ich vor allem meinen Blick richte, auf welche Seite.
Sr.
Klara Maria Breuer, welche die Texte der diesjährigen RENOVABIS-Pfingstnovene
vorbereitet hat, erinnert an deren ersten Tag an die Aussage eines lutherischen
Pfarrers ein Jahr nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine: „Als Christen sollten wir die Nachrichten nicht nur
konsumieren, sondern kreieren.“ Vielleicht beginnt es ja schon bei der
„Konsum-Auswahl“. Welche Nachrichten konsumiere ich?
Jede und jeder von uns erlebt vermutlich das Hin- und
Hergerissen-Sein zwischen dem, was traurig und mutlos macht und dem, was uns
Mut, Hoffnung und Kraft gibt. Ohne das Schwierige aus dem Blick (und oft aus
dem Herzen) zu verlieren, möchte ich den Blick immer wieder auf das andere
lenken. Wohl wissend, dass ja auch in mir beides da ist, Licht und Dunkel.
In der Hoffnung, hinter den „Kulissen des Dunklen“ irgendwann anderes, mehr, Funken des Lichts zu entdecken…
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