In der Früh läutet das Telefon. Frau
W. bittet mich, vorbei zu kommen: „meine Schwiegermutter ist heute
Nacht gestorben. Können Sie bitte kommen und ihr die
Sterbesakramente spenden?“ Ich erkläre ihr ruhig, dass ich nicht
die Sterbesakramente spenden, aber kommen werde, um für die
Verstorbene zu beten. Keinen Moment kommt mir in den Sinn, die
Anruferin auf das zuständige Pfarramt zu verweisen, ihr Haus liegt
im Nachbarweiler. Und ich habe auch keinen Zweifel daran, dass ich
mit der Zustimmung des Pfarrers rechnen kann. In einer solchen
Situation kann es nicht darum gehen, zunächst pastorale
Zuständigkeiten zu klären.
So mache ich mich auf den Weg, Frau W.
steht draußen und erwartet mich. Miteinander betreten wir die
Wohnung, in der die Verstorbene im Bett liegt. Die beiden Söhne sind
da. Wir beten gemeinsam, ich segne die Verstorbene und lade auch die
Angehörigen ein, ihrer Mutter bzw. Schwiegermutter ein Kreuz auf die
Stirn zu zeichnen. Nach dem gesprochenen Gebet stehen wir noch einen
Moment im Schweigen zusammen und ich verabschiede mich.
Dankbar bin ich, diesen heiligen Moment
erlebt zu haben. Eingeladen worden zu sein in ein Haus, in dem ich
vorher noch nie gewesen war. Die Schwiegertochter hatte ich ein wenig
kennen gelernt, weil sie einen Besuch der Erstkommunionkinder ihrer
Gemeinde bei uns vorbereitet und organisiert hatte. Gerne denke ich
daran zurück, wir mit mit den Kommunionkindern den Kreuzweg
„entdeckt“ und gebetet hatten.
Und jetzt das gemeinsame Gebet für die
Verstorbene: eine Atmosphäre des Friedens, natürlich auch der
Trauer, beides teile ich mit den Angehörigen.
Eine Woche später beten wir in der
kleinen Kapelle am Ort den Rosenkranz für die Verstorbene. Ich gehe
hin, weil ich eben noch am Bett der Verstorbenen stand und dadurch
eine Beziehung spüre. Die kleine Kapelle ist voller Menschen, alle
Bänke besetzt und hinten stehen noch weitere. Momentan wird
renoviert. Die Heiligenstatuen, die sonst an der Wand hängen, stehen
auf dem Boden im kleinen Chorraum. Es riecht nach frischer Farbe.
Auf dem Weg zur Kapelle kam G., eine
Frau aus dem Weiler und sagte, als sie mich sah „ah, dann muss ich
ja nicht vorlesen!“. „Doch, doch“, antwortete ich, ging vor ihr
in die Kapelle und suchte mir einen Platz in einer Bank. Nach dem
Rosenkranz, welchen die Mesnerin zu beten anfing, betete G. noch die
Litanei für die Verstorbene aus dem Gotteslob vor.
In der Bank vor mir sitzen A. mit ihrer
kleinen Tochter V. Ob sie schon in die Schule geht? Eher nicht,
vielleicht ist sie ein Vorschulkind. Sie ist unruhig während des
Rosenkranzes, dreht und schaut sich um und wechselt zwischendurch auf
den Schoß der Mama. Die mit bewundernswerter Ruhe mal ihre Tochter
an sich zieht, mal ihr etwas ins Ohr flüstert. Ich freue mich an den
beiden.
Und auf dem Heimweg – ich bin die 20
Minuten zu Fuß gegangen – bin ich dankbar für die Kultur des
Lebens und Sterbens in diesem kleinen Weiler. Wie die Menschen damit
umgehen und dass sie mit ihrer kleinen Kapelle, auf die sie sehr gut
achten, tatsächlich ein Zentrum haben, um ihr Leben miteinander und
mit Gott zu teilen. Ein wenig spüre ich auch die Sorge, ob die
„Jungen“ am Ort diese Traditionen weiter tragen. Ob sie weiter in
der Lage sein werden, die Kapelle in der Form zu nutzen, wie das
momentan geschieht? Bzw. ob auch etwas getan werden müsste oder
könnte, um den Glauben noch mehr zu verlebendigen?
Und mir kommt Papst Franziskus in den
Sinn, der als Bischof in Argentinien Priestern geraten hatte, im
(groß-)städtischen Bereich Garagen als Kapellenräume anzumieten,
und Menschen zu beauftragen, dort miteinander zu beten...
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