„Liebe, ehrwürdige Schwestern“,
grüßte der Bischof zu Beginn der Messe. Und ich musste mir das
Lachen verkneifen, ein Schmunzeln ist es dann wohl doch geworden. Ich
hatte mich in die zweitvorderste Bank gesetzt, um dem Bischof im
wörtlichen Sinn „entgegen zu kommen“. Denn ich selbst als
Zelebrant finde es immer komisch, befremdlich oder auch traurig, wenn
die Mitfeiernden die vorderen Bände frei lassen und gleichsam einen
„Sicherheitsabstand“ wahren.
Die Messe mit dem Bischof fand zum
Abschluss der Frühjahrskonferenz der Ordensober/inn/en in der
Diözese Augsburg statt. Ich war zum ersten Mal dabei und erhöhte
dadurch den Männeranteil wesentlich. Unter schätzungsweise 80
Teilnehmenden waren wir fünf Männer. Während des Referats ging
eine Teilnehmer-Liste durch, mit der Bitte, zu korrigieren bzw.
Fehlendes nachzutragen. In der ersten Spalte der Liste war Platz für
die Anrede. Und eine Schwester erzählte mir, sie habe das
„Ehrwürdige Schwester“ gestrichen, weil sie das einfach nicht
will. Sie möchte Frau unter Frauen sein und freut sich, dass ihr
Kloster auch mitten in der Stadt ist. Da braucht es kein „ehrwürdig“.
Beim Mittagstisch war das noch einmal Thema und eine andere Schwester
sekundierte: schon verschiedentlich habe sie darum gebeten, auf diese
Anrede zu verzichten. Und damit auch einmal einen Politiker
(Landrat?) in Verlegenheit gebracht. „Wie soll ich Sie denn dann
anreden? Soll ich einfach `liebe Schwester´ sagen?“ „Ja, wieso
denn nicht?“
Der Bischof hatte natürlich diese
Gespräche nicht mit bekommen, er kam erst zur Messe. Und fing eben
dann zu meiner inneren (Schaden-)Freude so wie oben erwähnt an.
Es gab aber durchaus noch anderes
Erfreuliches im Lauf dieses Tages. Z.B. saß ich neben einer
Schwester, die mir sagte, sie sei mit 78 Jahren die jüngste in ihrer
aus fünf Schwestern bestehenden Gemeinschaft. „Die älteste ist 92
und sie unterstützt mich am meisten“. Woraufhin ich mir dachte:
„dann bin ich ja als 54jähriger und auch jüngster von uns sechs
Mitbrüdern noch gar nicht so übel dran“.
Als Referentin zu dieser
Ordensober/inn/en-Konferenz eingeladen war Sr. Ruth Pucher MC, die
den Bereich Ordensentwicklung im Wiener Kardinal-König-Haus leitet.
Mit großer Kompetenz und Geschick hat sie durch den Tag begleitet
und dabei spürbar aus einem reichen Erfahrungsschatz geschöpft.
Es ging um Individualität und
Gemeinschaft. Ganz lustig war das Beispiel einer
Schwesterngemeinschaft, in welcher es für manche Schwestern wie ein
Befreiungsschlag bzw. ein entscheidender Schritt ihrer
Individualisierung war, das Ordenskleid abzulegen und zivile Kleidung
zu tragen. Die Frauen, die heute in diese Gemeinschaft eintreten,
möchten jedoch im Normalfall gerne das Ordensgewand und tragen es
auch. Ganz deutlich soll ihre Lebensentscheidung werden! Weil diese
heute in die Gemeinschaft eintretenden Frauen nicht mehr alle ganz
jung sind, kann es schon einmal vorkommen, dass sich Außenstehende
fragen, wer jetzt die Novizin und wer die Novizenmeisterin ist. Und
dann doch: ein wenig Individualität muss sein – die jüngeren
Schwestern haben begonnen, zum Ordenskleid hin und wieder einen
bunten Schal zu tragen. Mal grün, mal rosa gepunktet. Was wiederum
die Generaloberin dieser Gemeinschaft für pfiffig hielt. Und sie hat
das übernommen und ist jetzt auch mit buntem Schal zu sehen.
Sr. Ruth hat in Österreich
federführend das Konzept des freiwilligen Ordensjahres entwickelt.
Frauen und Männer können dabei eine Zeit (wenigstens drei Monate
bis zu höchstens einem Jahr) in einer Ordensgemeinschaft mit leben.
Wobei es nicht zuerst um „Rekrutierung“ geht. Die dabei gemachten
Erfahrungen sind sehr bereichernd für beide Seiten. Konvente
besinnen sich neu auf das, was ihr (gemeinsames) Leben ausmacht,
Mitlebende genießen einen festen Tagesrhythmus und Gebetszeiten...
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