Wir sind zu Besuch bei unseren Mitbrüdern in Mamurras, einer Gemeinde im Norden Albaniens. An einem Abend nehmen wir am Treffen der jungen Erwachsenen teil. Es beginnt mit einer Vorstellrunde. Als Aurelia an der Reihe ist, sagt sie: „Ich bin 26 Jahre alt, zurzeit arbeite ich nicht, ich bin Hausfrau“. Später gehe ich auf sie zu und erzähle ihr, dass ich Ähnliches auch schon von anderen gehört habe und mich dann immer wundere. Denn eine Hausfrau arbeitet doch auch. „Ja“, gibt sie lächelnd zu, wir können uns auf Italienisch unterhalten, „das stimmt, es gibt zu Hause immer etwas zu tun“. Mir scheint, es läuft etwas falsch, nur die „bezahlte Erwerbsarbeit“ als Arbeit zu kennzeichnen. Wobei ich mich nicht auf ideologische Grabenkämpfe einlassen möchte, niemand auf einen bestimmten Typ von Arbeit festlegen will. Die Mitbrüder in Albanien erzählen, dass es für die jungen Leute schwierig ist, Arbeit zu finden. „Was gibt es bei uns schon? Du kannst als Verkäuferin in einer Boutique arbeiten oder als Kellner in einer Bar, aber sonst…“. In einer solchen Situation ist es nicht verwunderlich, wenn einige sich auf das Drogengeschäft einlassen, sei es deren Anbau oder deren Handel. Altin, der albanesische Mitbruder meint, die Drogen unter anderem seien ein Haupthindernis für einen EU-Beitritt seines Landes.
Zurück in Rom lese ich in den Nachrichten von zwei Seniorenheimen, die ich beide kenne. Das eine in der Schweiz wird geschlossen, die 49 Bewohnerinnen und Bewohner müssen sich ein neues Zuhause suchen. Als ein Grund für die Schließung wird der Personalmangel angegeben. Es finden sich keine Leute, die in der Pflege arbeiten möchten, zumindest nicht für den dort bezahlten Lohn.
Die andere Einrichtung in Deutschland hat mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, aber da gibt es eine positive Nachricht. Drei nigerianische Ordensfrauen werden in Zukunft dort arbeiten, die Gemeinschaft wird eine Niederlassung in dem kleinen Städtchen gründen. Ich gebe zu, ich weiß nicht so recht, wie ich darüber denken soll. Mag sein, dass für Menschen aus einem afrikanischen Land der Lohn im Pflegebereich akzeptabler scheint als für Einheimische. Mit froher Phantasie stelle ich mir die Begegnungen und Überraschungen zwischen Unterallgäuer Seniorinnen und Senioren und dunkelhäutigen Afrikanerinnen vor. Möge mir bitte niemand Rassismus unterstellen, darum geht es nicht.
Schon manchmal habe ich über die Entwicklung im Sozialbereich nachgedacht. Die Zeiten, in denen Ordensschwestern rund um die Uhr in Krankenhäusern und Altenheimen gearbeitet haben sind – Gott sei Dank! – vorbei. Auf der anderen Seite scheinen die Kosten im Gesundheitswesen zu explodieren und niemand so recht eine Lösung zu wissen. Einige kritisieren, meiner Ansicht mit Recht, die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens. Und jetzt kehren Ordensfrauen (aus dem Ausland) in ein (deutsches) Altenheim zurück. Wie finden wir den Menschen entsprechende Lösungen? Sowohl den Arbeitenden als auch den zu Pflegenden?
Vor Jahren las ich ein Buch eines deutschen Arztes, der sich für Alternativen zu stationären Senioreneinrichtungen ausspricht, diese gar als Armutszeichen für eine Gesellschaft ausmacht. Seiner Ansicht nach müssten eher Nachbarschaftsnetzwerke aktiviert werden. Beim Lesen fand ich diese Gedanken anregend bis faszinierend. Und dann hatten wir einen alten Mitbruder mit zunehmender Demenz im Haus, bzw. hin und wieder lief er weg, im Winter nur leicht bekleidet, und wir mussten eine Lösung suchen, die wir in einem Seniorenheim fanden.
Kurzum: ich habe keine Lösung und teile die Fragen mit Dir, Leserin und Leser. Als einer, der selbst kein „Monatsgehalt“ überwiesen bekommt, bitte ich jedoch weiterhin darum, Arbeit in einem weiteren Sinn zu verstehen. Es gibt ja Statistiken, wieviel sich ein Staat durch ehrenamtlichen Einsatz vieler in der Gesellschaft erspart. Auch das ist zweischneidig (vgl. den vorherigen Post): Ehrenamtliche dürfen nicht ausgenutzt werden, aber auch das Ehrenamt nicht kaputt gemacht.
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