„Wollen Sie denn wirklich aus Fronleichnam ein Grätzlfest („Grätzl“ wienerisch für „Stadtteil“) machen?“ Mit einem vernichtenden Blick sah mich die ältere Dame an, als ich einen für sie offensichtlich unmöglichen Vorschlag gemacht hatte. Es ging um die Art und Weise Fronleichnam, das Hochfest des Leibes und Blutes Christi, zu feiern.
Aufgrund der Wahrnehmung, dass die an einer klassischen Fronleichnamsprozession Teilnehmenden manchmal Unverständnis, oft aber auch Gleichgültigkeit begegnen, wagte ich es, eben diese klassische Form zu hinterfragen. Worum geht es? Den „Leib Christi“ zu feiern. Wenn eine in einer goldenen Monstranz herumgetragene Hostie als solcher vielen nicht mehr verständlich ist, könnte dann nicht der „Leib Christi“ sich anders präsentieren? Sind nicht auch wir als Gemeinde „Leib Christi“? Ich dachte laut nach, ohne mir selbst schon ganz sicher zu sein. Könnten wir nicht als Mitglieder der katholischen Pfarrgemeinde unsere Hilfestellung anbieten bei Straßenfesten in unserem Gemeindegebiet und dadurch zu einem größeren sozialen Zusammenhalt und zum Wachsen der Gemeinschaft untereinander beitragen? Letztlich ein Beitrag zum Wachsen des „Leibes Christi“…
Wobei ich ja der letzte bin, der alles (scheinbar) Unverständliche sofort abschaffen möchte. Ein besonderes Kennzeichen unserer Zeit und Gesellschaften scheint mir die „Ungleichzeitigkeit“ zu sein. An einem Ort mag passen, was am anderen überhaupt nicht (mehr) geht…
Wie im Hinblick auf andere Themen und Feste auch, scheint es mir angebracht, regelmäßig innezuhalten. Und nicht sofort in die Planung einzusteigen und alles „so wie immer/im letzten Jahr“ zu machen. Nein, halt: warum tun wir, was wir tun? Was bedeutet das für uns und die Menschen um uns herum?
Ich persönlich finde ja ein klassisches Fronleichnamsfest
wunderschön. Z.B. deswegen, weil es im Gegensatz zu einer „normalen Sonntagsmesse“
mehr Menschen in die Gestaltung einbeziehen kann. Z.B. beim Schmücken der
Altäre, durch die Musik, bei der liturgischen Gestaltung unterwegs. In Tirol
und an anderen Orten schießen dann noch – auch nicht zum Gefallen aller – die
Schützen.
Unter vielen Fronleichnamsfesten ist mir eines in einer
kleinen Unterallgäuer Gemeinde unvergesslich. Ich trug die Monstranz und vor
mir gingen die Erstkommunionkinder des Jahrgangs, die Mädchen in ihren weißen
Kleidern, die Buben im Anzug. Und irgendein Lausbub (oder Frechdachs?) hatte
nichts Besseres zu tun, als einem vor ihm gehenden Mädchen immer wieder hinten
auf die Ferse zu treten, so dass ihr Fuß aus dem Schuh herausglitt. Irgendwann
ließ sie dann den Schuh liegen und ging so – nur den Strumpf am Fuß – weinend weiter.
Erst in diesem Moment griff jemand von den Erwachsenen ein. Dieses Erlebnis
beschäftigte mich lange. Stammte die Prozessionsordnung an diesem Ort noch aus
der Zeit, als es eine Schule in der Gemeinde gab und eine Lehrerin, ein Lehrer,
die Kinder begleitete (, um solche Szenen zu vermeiden)? Oder hat sich das
Gespür gegenüber „dem Heiligen“ grundsätzlich verändert und darf eben
tatsächlich (nicht nur bei Kindern) nicht einfach vorausgesetzt werden? Wie ist
es um den sozialen Zusammenhalt in einer Gemeinde bestellt? Hat vielleicht
niemand eingegriffen, um sich nicht Scherereien mit den Eltern des besagten
„Lausbuben“ einzuhandeln?
Während meiner ersten Dienstjahre als Kaplan entwickelten wir gemeinsam mit dem Pfarrer und danach dem gesamten Pfarrgemeinderat eine auch schon ein wenig „revolutionäre Idee“ im Hinblick auf Fronleichnam. Und zwar schlugen wir eine neue Prozessionsroute vor! Also nicht denselben Weg wie jedes Jahr. Ich kann mich nicht erinnern, wie groß die Zustimmung zu diesem Vorschlag war, auf jeden Fall wurde er akzeptiert. In der Folge dessen hatten dann der Pfarrer und ich allerhand zu tun. Wir besuchten viele der Haushalte am „neuen“ Prozessionsweg und baten die Menschen, am Festtag ihre Häuser zu schmücken, natürlich vor allem auch an den Stellen, wo ein Altar geplant war. Diese scheinbar nur „organisatorischen“ Besuche bedeuteten dann viel mehr. Wir kamen in Kontakt mit Menschen in unserer Gemeinde, wie wir ihn zum Teil zuvor nicht hatten. Und viele waren unserer Einladung gefolgt und hatten Blumen bzw. fromme Bilder ans Fenster gestellt.
An einem anderen Fronleichnamsfest luden wir zur musikalischen Gestaltung Jugendliche ein, die sich in eben diesem Jahr auf ihre Firmung vorbereiteten. Wir hatten mitbekommen, dass es unter ihnen einige Musiker*innen gab. Auch das habe ich in guter Erinnerung: auch wenn manche Töne etwas schräg klangen war das Bild der musizierenden Jugendlichen ein schönes. Und diese konnten sich mit ihren Gaben und Fähigkeiten einbringen…
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