Zwischen 5.30 Uhr und 6.00 Uhr. Ich bin aufgewacht und höre Vogelgezwitscher. Und ich bin dankbar dafür, nicht durch das Knallen von Schüssen aus Gewehren oder Panzerrohren aufgewacht zu sein – ein erstes Gebet um Frieden an diesem Tag steigt in mir auf.
Ich drehe den Wasserhahn auf und es kommt Wasser. Das ist nicht selbstverständlich. Ich denke an Menschen in ukrainischen Städten, die ohne Wasser und Strom auskommen müssen. Was ziehe ich an? Bestimmt gibt es Menschen mit einer größerer Auswahl an Kleidungsstücken. Aber ich habe mehr, als viele auf die Schnelle einpacken konnten, als sie ihre Flucht antraten. Diese Gedanken gehen mit mir mit, als ich mir mein Frühstücksmüsli zubereite. Ich kann das hier tun – anderen fehlen (inzwischen) die Nahrungsmittel.
Und dann feiern wir Eucharistie und beten gemeinsam um den Frieden. Ein Evangeliumstext dieser Tage handelte von der Feindesliebe. Juan bezog ihn auf die Situation in der Ukraine und fragte, wie das wohl mit Putin gehen soll.
Als wir im vergangenen Dezember in Kroatien waren, besuchten wir auch Sisak und Vukovar. Städte, Gegenden, welche im Krieg zu Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zu leiden hatten. In Sisak kamen inzwischen Schäden durch das jüngste Erdbeben hinzu. Der Bischof von Sisak, Vlado Košiċ, überreichte uns die englische Ausgabe seiner Tagebuchaufzeichnungen aus den Kriegstagen, welche er damals als Pfarrer geschrieben hatte: „A Reverend on the Frontline“. Weil ich in der Fastenzeit auf Krimis verzichte, hatte ich angefangen, dieses Buch zu lesen. Und lese es jetzt, in Verbindung mit den Bildern aus der Ukraine, noch einmal ganz anders.
Apropos Bilder: Papst Franziskus bedankte sich neulich ausdrücklich bei Journalisten und Reportern, welche Informationen zugänglich machen. Ich erinnere mich an Mitbrüder, welche sich ziemlich zu Beginn des Irak-Krieges entschieden hatten, nicht mehr fern zu sehen, weil sie die Kriegsberichterstattung kaum mehr ertrugen. Und das nicht so sehr wegen der Grausamkeit an sich, als wegen der irgendwie folgenlos bleibenden Darstellung menschlichen Leidens. Es schien eher um eine besondere Form der „Unterhaltung“ zu gehen. Der besondere „Kick“ bei der Explosion eines Panzers! Ein Bombenabwurf zur Prime-Time, ein einstürzendes Hochhaus in Flammen als Late-Night-Show...Es scheint mir tatsächlich richtig und wichtig zu sein, den eigenen Nachrichtenkonsum immer wieder einmal zu analysieren.
Bei einem großen Online-Gebet von „Miteinander für Europa“ um den Frieden in der Ukraine – es waren 1000 zugeschaltete Teilnehmer/innen auf Zoom und vor vielen PCs saßen mehrere Personen, gab einer der Mitveranstalter zu Beginn unumwunden zu: „wie viel Zeit habe ich in der letzten Zeit mit dem Konsum von Nachrichten und mit der Diskussion von Kriegsereignissen verbracht und – im Vergleich damit – wie wenig Zeit zum Gebet verwendet“.
Die aktuellen schrecklichen Ereignisse entlarven uns aber womöglich auch, denn es ist ja nicht so, als ob es vor der russischen Invasion in die Ukraine überall auf der Welt friedlich gewesen wäre und es keine Flüchtlinge gegeben hätte.
Apropos: die polnischen Mitbrüder unserer Niederlassung in der Nähe zur ukrainischen Grenze gingen bald nach Beginn der Invasion mit Lebensmitteln dorthin und haben inzwischen Menschen aus der Ukraine im Haus aufgenommen. Auch die beiden Niederlassungen in Tschenstochau bieten jeweils 20 aus der Ukraine geflüchteten Menschen Raum. Der Generalmoderator lud die Mitbrüder in aller Welt ein, die Mitbrüder in Polen dabei zu unterstützen. Aber auch in einem unserer Häuser in Salzburg wird Raum für Geflohene zur Verfügung gestellt und die ersten drei Menschen sind dort angekommen.
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