Den zweiten Advent verbrachte ich in der serbischen Stadt Subotica. Abends feierten wir in der Kathedrale die heilige Messe mit der Gemeinde. Nach der Kommunion sangen Chor und Gemeinde ein Lied, das mir bekannt vorkam, es erinnerte mich an den Advent. Und doch dauerte es eine ganze Weile, bis ich drauf kam: tatsächlich handelte es sich um eine Variante von „Tauet, Himmel, den Gerechten“. Im Lauf meines Lebens habe ich verschiedene Melodien für dieses Lied kennen gelernt, hier jetzt eine weitere. Und ein wenig wurde mir dabei warm ums Herz. Denn in Rom hatte ich diese Melodie im vergangenen Jahr nicht gehört, also waren es zwei Jahre her seit dem letzten „Tauet, Himmel, den Gerechten“.
Die Predigt hielt der Guardian (Obere) des Franziskanerklosters von Subotica. Vor der Messe hatten wir uns kennen gelernt und kurz unterhalten. Er hat in Jerusalem studiert und spricht Italienisch. Außer ihm gibt es einen weiteren Pater und einen Bruder im Franziskanerkloster. Wir bekamen mit, dass sich die Begeisterung bei kroatischen Franziskanern in Grenzen hält, wenn sie gefragt werden, ob sie in Serbien leben und arbeiten wollen.
Am Ende der Messe gab es die Verkündigungen, der Dompfarrer gab die Gottesdienste bzw. Veranstaltungen der kommenden Woche bekannt. Und er tat dies zunächst auf Kroatisch und dann auf Ungarisch. Die Grenze zu Ungarn ist nur zehn Kilometer entfernt. Von den etwa 100 Priestern im Bistum wird erwartet, dass sie in beiden Sprachen zurecht kommen. Kroatisch Sprechende werden nach der Weihe für zwei Jahre in eine ungarisch sprechende Gemeinde gesandt und umgekehrt. Daneben zählen aber auch Slowakisch und Deutsch zu den im Bistum gesprochenen Sprachen. Im Diözesangebiet gab es die Donauschwaben, welche nach dem zweiten Weltkrieg vertrieben wurden. Deren Kirchen stehen noch und verkommen mehr und mehr. Scheinbar versucht das Bistum, die Kirchen als Ruinen zu sichern, um gleichsam „steinerne Zeugen“ der katholischen Vergangenheit in einer immer stärker orthodox werdenden Umgebung zu erhalten.
Auf jeden Fall musste ich bei den Verkündigungen schmunzeln, weil wir früher oft stöhnten, wenn sie uns zu lange vorkamen („das merkt sich doch sowieso keiner!“). In Subotica musste dieses Ritual sogar in zwei Sprachen ertragen werden.
Nach der Abendmesse gingen wir zurück ins Bildungshaus neben der Kathedrale, wo wir während unseres zweitägigen Aufenthalts untergebracht waren. Zu den Mahlzeiten trafen wir uns mit einigen Priestern der Diözese, die ebenfalls dort oder in der Nähe wohnen. An diesem Abend erschien auch ein kleinerer Herr im schwarzen Trainings-Anzug und Sandalen. Nachdem ich zuvor in der Sakristei sein Foto gesehen hatte, wusste ich: das ist der Bischof. Er schmunzelte entwaffnend: „wenn ich geahnt hätte, dass hoher Besuch zum Abendessen da ist, dann hätte ich mich mehr in Schale geworfen“. Und er erzählte von seinem Tag. Er war zu einem Pfarreibesuch und der Pfarrer hatte vergessen, seine Gemeinde auf den Bischofsbesuch hinzuweisen. So blieb der für die Kirchenmusik zuständigen Person vor Schreck der Mund offen stehen, als sie den Bischof sah. Dieser wiederum ließ sich nicht aus der Fassung bringen, sondern erzählte, wie er nach der Messe bei Kaffee und Tee mit den etwa 30 (!) Gottesdienstbesuchern gut ins Gespräch gekommen war und diese sich über seine Anwesenheit gefreut hatten.
Noch einmal zurück zur Kathedrale: sie ist der hl. Teresia von Avila geweiht, was mit der österreichischen Kaiserin Maria – Theresia zusammenhängt, zu deren Ehren die Stadt auch einmal umbenannt worden war: „Maria-Theresien-Stadt“. Bis heute ist die hl. Teresia von Avila im Stadtwappen von Subotica zu sehen. Wobei Ivo, der uns während unseres Aufenthalts als Gastgeber und Reiseführer zur Seite stand, meinte, dass sich das wohl auch einmal ändern könnte. Ivo hat in Rom Kirchenrecht studiert. Bei der Prüfung im internationalen Recht war er zunächst durchgefallen. Der Professor hatte ihn gefragt: „woher kommst Du?“ „Aus Subotica in Serbien“. Und zu welchem Volk gehörst du?“ „Ich bin Kroate“. „Im internationalen Recht“, so grinste Ivo, „gilt die Nation und nicht die Ethnie“.
Vermutlich geben diese kurzen Eindrücke ganz gut wieder, in welche Welt wir da auf dem Balkan eingetaucht sind, ein spannendes Abenteuer. Es gab noch einen Moment, der mich bewegte: zum ersten Mal hörte ich unser traditionelles Gebet „Ewiger Vater“ auf Ungarisch.
Für jeden Menschen, egal welcher Sprache, ist Gott Mensch geworfen – frohe Weihnachten!
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