Donnerstag, 15. Oktober 2020

Predigen (I)

Seit geraumer Zeit predige ich nicht mehr. Was schlicht und einfach mit meiner neuen Aufgabe und der Situation hier zu tun hat. Während der Woche feiern wir die Messe in unserer Hauskapelle und der Zelebrant gibt einen kurzen Impuls nach dem Evangelium. Das mache auch ich.

Am Sonntag nehmen wir uns die Freiheit, die Messe irgendwo anders mit zu feiern. Wobei ich im Normalfall in eine Kapelle ganz in der Nähe gehe und mich „unters gläubige Volk“ in die Kirchenbank setze – also Predigthörer bin.

Zum einen geht es mir ein wenig ab – denn ich predige gerne. Und so „leide“ ich mit allen Frauen und Männern, die auch gerne predigen würden und nicht dürfen. Das ist also für mich vielleicht gar keine schlechte Übung!

Das größere Leid entsteht jedoch aus dem Zuhören an sich. Das ging mir schon früher so. Was jetzt nicht überheblich klingen soll. Ich bin mir wohl bewusst, dass es auch von mir Predigten unterschiedlicher Qualität gab. Aber oft ist es wirklich schlimm. Ich muss an die gleichzeitig bittere und humorvolle Bemerkung von Papst Franziskus in seinem Lehrschreiben Evangelii Gaudium denken: „In der Tat wissen wir, dass die Gläubigen ihr (der Predigt, A.S.) große Bedeutung beimessen; und sie, wie die geweihten Amtsträger selbst, leiden oft, die einen beim Zuhören, die anderen beim Predigen. (EG 135)“. Beim Predigen habe ich persönlich aber weniger gelitten als (jetzt) beim Zuhören.

Manchmal habe ich einen - vielleicht verqueren - theologischen Gedanken. Gott will uns Heil schenken und wir wirken dabei mit. Eigentlich bestünde die Mitwirkung des Predigers darin, Menschen durch seine Schriftauslegung Nahrung auf ihrem Weg anzubieten, dadurch das Heil zu mehren. Tatsächlich scheint mir das Heil öfter durch das „Ertragen“ der Zuhörenden zu wachsen, wenn denn die „himmlische Ökonomie“ so funktioniert.

Wobei ich auch verstehe, wenn jemand sich diese Bußübung irgendwann nicht mehr antun will und kapituliert. Oder - wieso passiert das eigentlich nicht öfter? - protestiert! Es geht ja nicht nur um die persönliche Leiderfahrung, sondern auch darum, dass da einer dem Wort Gottes nicht die gebührende Achtung zukommen lässt.

Schlimm sind junge Priester, überzeugt von ihrer besonderen Gottesnähe, die sich in Plattitüden erschöpfen und zu teilweise gestandenen Christinnen und Christen sprechen. Wie viel Lebens- und Glaubenserfahrung kommt da oft in einem Kirchenraum zusammen! Aber die Jungen lernen vielleicht noch dazu...

Was mich hin und wieder ebenfalls genervt hat, wenn da einer meint, er müsse – warum eigentlich? - ein paar lateinische Brocken einfließen lassen. „Maria in ihrem Fiat“. Aber hallo! Wer wird sich denn da nicht fragen, ob es zu Lebzeiten von Jesus und Maria schon italienische Autos in Galiläa gab?

Klar, es ist nicht so einfach, dem Prediger nach der Messe zu sagen, dass er sich doch bitte mehr Mühe geben möchte. Wir sind es – noch – nicht gewohnt, in diesem Bereich zu kritisieren und kritisiert zu werden. Im Idealfall ist die Kritik hilfreich. Aber ob es wirklich besser ist, sicherheitshalber still zu sein, den Mund zu halten?

Oft einmal ist es bei einer Predigt so: was der Prediger sagt stimmt, es ist alles richtig. Aber „es kommt nichts rüber“ und damit kommt nichts an. Klar weiß ich nicht nur aus der (Sprach-)Theorie, sondern auch aus der Praxis, dass es bei der menschlichen Kommunikation wenigstens die drei grundlegenden Elemente Sprecher – Botschaft – Empfänger gibt. Wenn nichts bei mir ankommt, kann das also theoretisch auch mit mir selbst zu tun haben. Wobei ich mir einbilde, zunächst einmal mit einem grundlegenden Wohlwollen dem Sprecher gegenüber zuzuhören. Aber oft genug ertappe ich mich dabei, wie ich nach (sehr) kurzer Zeit „abgeschaltet“ habe. Bzw. das Gesagte „perlt irgendwie an mir ab“. Und ich glaube, es geht nicht nur um die Sprache. Die Kirche „verreckt nicht nur an ihrer Sprache“ (Erik Flügge).

(Fortsetzung folgt)

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