Da ich mir sicher war, in irgend einem Bücherregal eine italienische Bibel zu finden, bin ich ohne gedruckte Bibel nach Rom umgezogen. Schließlich gibt es ja immer noch die Möglichkeit, online zu lesen.
Tatsächlich fand ich keine italienische Bibel im Regal, dafür aber eine englischsprachige Ausgabe der Jerusalemer Bibel. Also habe ich dort zu lesen angefangen. Wobei die Anmerkungen so klein gedruckt sind, dass ich tatsächlich die € 1,50 - Lesebrille aufgesetzt habe, die ich „für den Notfall“ eingepackt hatte.
Nachdem ich auf diese Weise jeden Tag ein Kapitel der Apostelgeschichte gelesen hatte, wollte ich diese jetzt aber auch auf Italienisch lesen. Und beginne deswegen meinen Arbeitstag am Computer damit, ein Kapitel Apostelgeschichte auf der Homepage der italienischen Bischofskonferenz zu lesen.
Die Empfehlung, die Bibel auch einmal in einer anderen Übersetzung zu lesen, wird ja hin und wieder ausgesprochen, schon verschiedene deutsche Übersetzungen können zum Nachdenken anregen. Apropos: in dem Haus, in dem ich jetzt lebe, ist vor Jahren und über Jahre hinweg eine deutsche Alternativ-Übersetzung entstanden. Der bayrische Priester Albert Kammermayer wohnte viele Jahre hier im Haus und war mit seiner Übersetzung des Neuen Testaments beschäftigt, Untertitel: „Eine Übersetzung, die unsere Sprache spricht“. Das Buch ist auch im Buchhandel erhältlich!
An einer Entdeckung möchte ich Dich/Sie teilhaben lassen. Es geht um das Schauen, den „ausgerichteten Blick“. Da ist die Stelle von der Steinigung des Stephanus in der Apostelgeschichte, wo es heißt: „Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen und rief: Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“ (Apg 7,55f.). Auf italienisch wird das „blickte zum Himmel empor“ mit „fissando gli occhi al cielo“ wieder gegeben. An einem Mittwoch Abend hörten wir dann als Lesung in der Vesper eine Stelle aus dem Jakobusbrief: „Chi fissa lo sguardo sulla legge perfetta“, auf deutsch: „Wer sich aber in das vollkommene Gesetz der Freiheit vertieft“ (Jak 1,25). Mir kam dann noch eine andere Stelle in den Sinn, die mich seit Jahren begleitet: „tenendo fisso lo sguardo su Gesù“, aus dem Hebräerbrief, auf Deutsch: „...auf Jesus blicken“ (Hebr 12,2). Es geht also jeweils um ein „fixiertes“ Schauen, um einen fest ausgerichteten Blick! Und ich frage mich nach meinem Schauen und seiner Richtung. In den öffentlichen Verkehrsmitteln nehme ich viele Menschen mit „fixiertem Blick“ war: mit dem Blick auf das kleine Gerät in ihrer Hand. Wonach halten wir Ausschau, wohin ist der Blick gerichtet?
Ein Bibelwissenschaftler würde jetzt jeweils noch den griechischen Originaltext daneben legen. Ich habe das versucht – die Homepage der italienischen Bischofskonferenz bietet auch diese Möglichkeit, stelle aber fest, dass meine Griechisch-Kenntnisse mangelhaft sind. Wenn ich recht gesehen habe, stehen da an den drei Stellen verschiedene Wörter. Dasjenige, welches in der Apostelgeschichte verwendet wird kommt von ἀτενίζω (atenizō), welches mit „fest ausgerichtet schauen“ übersetzt werden kann und wozu es noch andere Stellen im Neuen Testament gibt. Z.B. bei Jesu Predigt in der Synagoge von Nazareth: „Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet“ (Lk 4,20).
Mir gefällt es, die oben erwähnten Texte aus dem Jakobus- und dem Hebräerbrief zusammen zu lesen. Dann ist derjenige, der „fest auf Jesus blickt“ gleichzeitig derjenige, der „sich in das vollkommene Gesetz der Freiheit vertieft“. Toll, oder?
Tatsächlich ist Jesus der ganz freie Mensch, wie es sich bei ihm in jeder Lebenslage zeigt. Und von ihm ist das zu lernen, abzuschauen – den Blick fest auf ihn gerichtet.
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