Montag, 30. Juni 2025

Emotionale Intelligenz

Er trägt eine Smartwatch! Während manche eher auf die Art der Bekleidung achte(te)n, Papst Leo trug bei seinem ersten Auftritt die rote Mozzetta, im Gegensatz zu Papst Franziskus, der im schlichten Weiß auf der Benediktionsloggia erschienen war, fiel einigen das kleine Accessoire auf: die Smartwatch. Aha: technisch aufgeschlossen! Und einige der bisherigen Äußerungen von Papst Leo bestätigen das. Wobei er gleichzeitig die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz lobt und vor ihren Gefahren warnt. 

Am vergangenen Samstag kam mir das Thema wieder in den Sinn. Wir feierten die Messe am Gedenktag des Unbefleckten Herzen Mariens und der für diesen Anlass vorgesehene Evangeliumsabschnitt ist die Geschichte der Suche der Eltern des zwölfjährigen Jesus nach ihrem Kind und sein Wiederfinden im Tempel. Am Ende der Geschichte (Lk 2,41-51), eines durchaus mühsam-schmerzhaften Dialoges zwischen dem Jugendlichen und seinen Eltern, heißt es über Maria, die Mutter Jesu: „Seine Mutter bewahrte all die Worte in ihrem Herzen“. Ähnlich steht es bereits vorher im selben Kapitel über Maria: „Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen.“ (Lk 2,19). „Im Herzen bewahren“ ist anders als „auf der Festplatte oder in der Cloud speichern“. Wird es uns gelingen, die Möglichkeiten der Technik zu nutzen und gleichzeitig die Fähigkeit des „im Herzen Bewahrens“ zu entwickeln oder neu und besser zu entdecken? 

Neulich fand ich in einem Post von Johannes Hartl (https://www.herder.de/communio/kolumnen/hartl-aber-herzlich/daten-allein-bieten-keine-orientierung-die-wiederentdeckung-der-weisheit/) ein Zitat von T. S. Eliot aus dem Jahr 1934: "Where is the wisdom we have lost in knowledge? Where is the knowledge we have lost in information?"

Suchen wir Informationen, häufen wir Wissen an oder streben wir nach Weisheit? Im konkreten Lebensvollzug müssen sich diese Dinge ja gar nicht ausschließen. Gleichzeitig kann diese Frage aber doch Auswirkungen auf die Gestaltung unseres Lebens haben. In welchem Verhältnis etwa steht meine „Bildschirmzeit“ zur „Herzenszeit“? Was „speichere“ ich wo ab? 

Zu denken gibt mir auch ein Buch von Douglas Rushkoff, Survival of the Richest. Warum wir vor den Tech-Milliardären noch nicht einmal auf dem Mars sicher sind. Die amerikanische Originalausgabe erschien 2022, in diesem Jahr nun die deutsche Übersetzung.

In der Sendung „Sternstunde Philosophie“ des Schweizer Fernsehens hatte ich ein Gespräch mit Douglas Rushkoff gesehen und sowohl der Inhalt als auch seine Person interessierten mich, deswegen bin ich jetzt daran, sein Buch zu lesen. Immerhin zitiert der nach eigenen Aussagen nicht-religiöse Rushkoff darin auch „Fratelli tutti“ von Papst Franziskus. 

Ich trage (noch?) keine Smartwatch. Und manches befremdet mich: der Mitbruder, der an meiner Tür vorbei geht und mir eine halbe Stunde eine WhatsApp schickt: „bin zurück“. Wieso hat er nicht geklopft und einen Sprung hereingeschaut? Oder die letzte Zugfahrt von Salzburg nach Rom. Als ich heimkam, hatte ich wenigstens vier Mails der Deutschen Bahn im Posteingang, die mich auf Verspätungen und Gleisänderungen hinwiesen. Wie wäre es, anstatt in diese tollen Informationen mehr in die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit zu investieren? 

Wobei mir das „im Herzen bewahren“ durchaus als Wunsch und Aufgabe vor Augen steht und bleibt…

Sonntag, 15. Juni 2025

Kirchenraum

Vor einem Monat habe ich mich mit „kirchlichen Gebäuden“ befasst, diesmal soll es um die „Kirchbauten“ (im Sinn von Sakralräumen) selbst gehen. Es ist heiß und in der ein oder anderen Stadt kann einem die Idee kommen, etwas Abkühlung in einem solchen Kirchenraum zu suchen. Nicht nur, weil gerade kein Schwimmbad in der Nähe ist. 

Mit Staunen habe ich verschiedene Äußerungen im Zusammenhang des umstrittenen Umbaus der Berliner St. Hedwigs-Kathedrale gelesen. Die architektonische Umgestaltung fand und findet Befürworter und Gegner. Ich hoffe auf einen Berlin-Besuch und möchte dann den Raum auf mich wirken lassen. Der Eifer mancher Wortmeldung zur Umgestaltung der Kathedrale macht mich nachdenklich, eher im Sinn einer positiven Überraschung: Kirche und ihre Architektur haben nach wie vor eine Bedeutung für viele Menschen.

Was sich auch an Initiativen für den Erhalt von Kirchbauten zeigt, in welchen sich nicht nur „gläubige Kirchgänger“ engagieren. 

Wie muss oder soll sie denn aussehen, die „ideale Kirche“? Welche Möglichkeiten muss der Raum bieten? Mir scheint, auf diese Fragen gibt es nicht nur eine Antwort. Geschweige denn eine über längere Zeit hinweg gültige.

Immer noch angetan bin ich von der Idee eines Pfarrers einer westfälischen Stadt, der in seine Kirche ein großes Zelt, eine Jurte, hineinstellte, in dem er sich mit Jugendlichen trifft. Denen hat er damit eine Brücke gebaut, denn im klassischen Kirchenraum mit seinen unverrückbaren Bänken täten sich diese wohl eher schwer. Ich weiß nicht, wieviel Befremden, wenn nicht gar Widerstand die Idee des Pfarrers bei anderen ausgelöst hat.

Tatsächlich spüren wir unsere unterschiedlichen kulturellen Prägungen und Hintergründe nicht zuletzt im Empfinden eines Kirchenraums. Ich erinnere mich, wie ich Ordensfrauen einmal die für mich so faszinierende Kirche St. Moritz in Augsburg zeigte. Den Ordensfrauen war die Kirche viel zu leer, kahl und kalt. Ähnliches erlebte ich mit der Pfarrkirche in Salzburg-Parsch, dem für mich immer noch schönsten Kirchenraum, in welchem ich bisher Dienst tun durfte. Wobei das Besondere an dieser Kirche ist, dass sie verschiedene Möglichkeiten bietet. Während sich die einen unter dem Gewölbe der einen Seite geborgen fühlen, erscheint dies anderen eher als (be-)drückend und sie haben die Möglichkeit, auf der anderen Altarseite Platz zu nehmen, wo es viel Luft nach oben gibt. 

Unvergessen ist mir auch der Junge, dem entweder das Wort „Kapelle“ (im Sinn von kleinem Kirchenraum) fremd war oder der schlicht recht unbefangen gegenüber „Kirchlichem“ war. Bei Ferien für Jungen in einem unserer Missionshäuser fragte er, wann wir uns denn wieder im „Klavierzimmer“ treffen würden. Ich brauchte einen Moment, bis ich verstanden hatte, dass er von der Kapelle sprach, in der eine kleine elektronische Orgel stand…