Seit meiner Priesterweihe vor gut 30 Jahren war ich an verschiedenen Orten im Dienst. Regelmäßig fand dieser Dienst auch in einer Kirche, einem Sakralbau am jeweiligen Ort statt. Unter all den Kirchen, in denen ich Dienst tat und mit Menschen Gottesdienst feierte, gibt es für mich dabei eine „Favoritin“: die Stadtpfarrkirche Zum Kostbaren Blut in Salzburg-Parsch. Nach wie vor halte ich sie für ein architektonisches Kunstwerk.
Am 10. Januar diesen Jahres verstarb im Alter von 90 Jahren der letzte der drei Architekten, welche als „arbeitsgruppe 4“ die Pläne für den Umbau eines alten Bauernhofes zu dieser Kirche entworfen hatten, Friedrich Kurrent. Hin und wieder sind wir uns begegnet und ich meine, sagen zu können, dass wir uns gut verstanden.
Unsere Begegnungen fanden statt entweder in der Parscher Kirche oder auch in der Wohnung des Bruders des Architekten, der während meiner Zeit als Pfarrer in Parsch gemeinsam mit seiner Frau im Pfarrgebiet wohnte. Ein sehr liebenswürdiges Ehepaar, welches später von Parsch in die Linzer Gasse in Salzburg umzog, wo ich ebenfalls zwei mal zu Besuch war. Das letzte Mal nach dem Tod von Walter Kurrent bei seiner Frau Erika. Zu Besuch war ich auch im Elternhaus der Kurrents in Hintersee bei Salzburg, welches das Ehepaar Walter und Erika über Jahre hindurch in der Sommerzeit als Wochenendhaus nutzte. Als sie sich zum Verkauf entschlossen, war das für den Bruder Friedrich kein geringer Schmerz.
Eine unvergessliche Begegnung mit Friedrich Kurrent, dem jetzt verstorbenen berühmten Architekten, fand in einem Kaffeehaus in Wien statt, wo wir uns verabredet hatten. Um den Grund dieses Treffens zu erklären, muss ich ein wenig ausholen. Die Parscher Kirche ist eine vor dem Konzil (II. Vaticanum) gebaute „nachkonziliare Kirche“. Der Altar steht nicht mehr als „Hochaltar“ an der Stirnseite der Kirche, sondern er bildet gleichsam das Zentrum. Was zur Bauzeit sehr mutig war. Ein weiterer Schritt wurde jedoch nicht vollzogen: die Trennung von Altar und Tabernakel.
Wenn also der Altar auch nicht mehr an der Wand steht, der Tabernakel ist in seiner Mitte angebracht, halb in den Altar eingelassen, die andere Hälfte ragt heraus. Was meinen um lockere Sprüche nie verlegenen Vorgänger als Pfarrer einmal zu der Aussage brachte: „wenn ich den Tabernakel öffne, dann komme ich mir vor wie ein Eisverkäufer!“. Tatsächlich hebt man die zwei Türflügel nach oben und „kippt“ sie zur Seite auf den Altar, wenn man den Tabernakel öffnet. Ich stand in einem Dilemma. Denn mir gefiel diese Tabernakel-Lösung nicht. Andererseits war und ist die Parscher Kirche für mich ein Gesamtkunstwerk, in dem eigentlich keine Veränderung vorgenommen werden sollte. (De facto habe ich kurz nach meinem Amtsantritt das ein oder andere „Kunstwerk“, welches mein Vorgänger angebracht hatte, wieder entfernt. Und ich kann gut verstehen, welchen Aufruhr die nachträgliche Anbringung von Kreuzwegstationen in der Kirche hervorgerufen hat). Mit diesem meinem Dilemma wandte ich mich an Friedrich Kurrent als Architekten der Parscher Kirche. Und wir begannen miteinander zu denken. Als eine mögliche Lösung kamen wir auf eine Tabernakel-Stele an der Seite des Altars. Und um diese Stele ging es bei unserem Wiener Kaffeehaus-Treffen. Das Lustige war: Friedrich Kurrent skizzierte nicht nur, sondern wir erhoben uns auch, um uns die passende Höhe einer solchen Stele vorzustellen. Was der Ober wohl anders interpretierte: er eilte herbei, in der Annahme, dass wir uns (vielleicht ohne zu bezahlen?) auf den Weg machen wollten. Dieses Spiel wiederholte sich dann noch einmal. Und die Stele ist eine Idee geblieben.
Ein berühmtes Detail der Parscher Kirche ist das sogenannte Kokoschka-Tor. Der Künstler hat den Entwurf (Motiv „Sündenfall“) gezeichnet, der dann von jemand anderem in Beton ausgeführt wurde. Es war für mich immer etwas Besonderes, eine Tauffeier bei diesem Tor zu beginnen. Friedrich Kurrent erzählte mir, dass Oskar Kokoschka seine Entwurfskizzen den drei Architekten der Kirche geschenkt hatte. Und Kurrent bot mir seine Skizzen an unter der Bedingung, sie in der Parscher Kirche sichtbar auszustellen. Hier hatte ich bei allem Respekt vor Kokoschka und Kurrent den Eindruck, die Kirche vor ihrem eigenen Architekten „schützen“ zu müssen. Weil für mein Empfinden auch eine ausgestellte Skizze das Gesamtkunstwerk gestört hätte. So lehnte ich ab. Wer weiß, wo die Skizze gelandet ist oder jetzt nach dem Tod Friedrich Kurrents hingerät?
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