Einigen Brautpaaren musste ich absagen, als sie mich vor einem Jahr oder noch davor fragten, ob ich sie trauen würde. Denn ich wusste, dass ich umziehen und nicht mal schnell für eine Trauung aus Rom nach Bayern reisen werde. Von wenigstens zwei dieser Paare weiß ich, dass sie immer noch nicht kirchlich getraut sind, Corona machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Einer der beiden Bräute hatte ich vorgeschlagen, doch „im Kleinen“, eben unter Corona-Bedingungen zu heiraten und das große Fest nachzuholen, wenn es denn dann möglich ist. Die Braut wies meinen Vorschlag ab, ihr gutes Recht.
An diesem Beispiel zeigt sich etwas, was für andere (Lebens-, Glaubens-)Bereiche auch gilt: Corona macht Dinge deutlicher, die schon vor der Pandemie existierten und galten. Im konkreten Fall die unterschiedliche Sicht auf die kirchliche Feier der Trauung. So sehr ich als Priester dem jungen Paar ein großes Fest wünsche und meinen Beitrag dazu leisten will, so sehr würde ich mir andererseits wünschen, dass das junge Paar sich das Sakrament spendet, auch wenn die äußeren Bedingungen keine große Feier zulassen. Das junge Paar denkt anders! Und das galt eben schon vor Corona. Die kirchliche Trauung ist – ich formuliere das jetzt etwas ungeschützt – für die Brautleute ein Bestandteil ihres Hochzeitstages, vielleicht nicht ein unwichtiger, nicht nur ein austauschbares Accessoire, aber keinesfalls das Zentrum, mit dem alles steht und fällt. So ist das eben. Und das war vor Corona klar und tritt nun deutlich ans Tageslicht.
Ähnlich wie das junge Paar sich entscheiden muss, wie es mit der geplanten Trauung umgeht, so müssen sich viele Menschen entscheiden, wie sie es mit der Mitfeier des Sonntagsgottesdienstes halten. Falls denn einer stattfindet. Da gibt es die Rücksichtnahme auf die eigene Gesundheit, Regelungen im Kirchenraum (Abstand, Mund-Nasen-Bedeckung, evtl. beschränkte Plätze, Anmeldevorschriften etc.) usw. Und von nicht nur einer Pfarrgemeinde war zu hören, dass an Weihnachten keinesfalls alle (reduzierten) Plätze in Anspruch genommen wurden, es gab kein Gerangel bei der Anmeldung.
Die Erfahrungen bei gestreamten Gottesdiensten sind sehr verschieden. „Es ist halt doch nicht dasselbe“, sagen viele. Manchmal lässt die Qualität zu wünschen übrig, auf der anderen Seite machen aber auch Menschen Entdeckungen, freuen sich an gestreamten Gottesdiensten, guten Predigten, kreativen Ideen. Und werden dadurch in ihrem Glauben bereichert.
Etwas enttäuscht, fast ein wenig verärgert, war ich, als ich am Ende einer gestreamten Eucharistiefeier den (von mir sehr geschätzten!) Bischof sagen hörte: „Sie sind nicht allein, die Kirche betet für Sie!“. Klar, er hat es „gut gemeint“, wollte die Zusehenden trösten, aufbauen, aber mit welcher Formulierung! Die Kirche ist doch nicht nur im Dom beim bischöflichen Hochamt, sondern auch beim alten Ehepaar, das zu Hause vor dem Fernseher sitzt. Aber eben: glauben wir wirklich daran? Das scheint mir so der Knackpunkt oder die Kernfrage im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen zu sein. Schon früher hat es mich befremdet, wenn Radio Vatikan von den „Besuchern eines Papstgottesdienstes“ gesprochen hat. Vielleicht bin ich da zu empfindlich. Aber für mich schwingt der Gedanke an einen Konzertbesucher mit, der sich etwas bieten lässt. Gottesdienstteilnahme ist und will etwas anderes, da bin ich nicht nur Empfangende/r.
„Die Kirche“ gibt kein gutes Bild ab zur Zeit. Und das muss und darf gesagt werden. Aber sage ich es über „die Kirche“ oder über „meine Kirche“? Wobei ich Verständnis dafür habe, wenn jemand nicht mehr „meine Kirche“ sagen mag – oder kann.
Was ich mir wünschte ist, dass Glaubende einerseits traurig sein können, weil sie merken, dass die Gemeinschaft der Glaubenden zu wünschen übrig lässt, dass sie sich andererseits davon aber nicht in ihrem persönlichen Glauben durcheinander bringen lassen, sondern im Gegenteil im persönlichen Glauben wachsen, weil sie erkennen, dass dieser sich nicht abstützen kann auf Menschen. Dass wir immer mehr hinein wachsen in eine persönliche Beziehung zu Jesus, die uns dann auch wieder neu und vertieft miteinander glauben lässt, und – im Idealfall – auch Halt und Hoffnung auf persönlich schweren Wegetappen gibt.
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