Normalerweise informiere ich mich über
das Tagesgeschehen durch die Nachrichten im Radio. Und für das
Lokale lese ich gerne die Zeitung. Hin und wieder sehe ich auch
Nachrichtensendungen im Fernsehen. Und dort gab es neulich Bilder,
die mir jetzt über Tage hinweg nachgehen.
Bilder aus Teheran, wo viele Menschen
gegen das Regime protestieren, welches den (versehentlichen) Abschuss
eines Flugzeugs erst Tage später eingestand. Auf den Bildern, die
mir haften geblieben sind, ist zu sehen, wie die Protestierenden
nicht über zwei auf den Boden gemalte Flaggen, die der USA und
Israels, marschieren, sondern außen, an den Rändern vorbei. Und ein
paar einzelne, die sich nichts dabei zu denken scheinen und über die
Flaggen gehen, werden von denen, die sich am Rand bewegen, ausgebuht.
Beim Sehen dieser Bilder regten sich in
mir Freude und Dankbarkeit. Das ist so etwas anderes als das
Verbrennen der Fahnen, welches auch hin und wieder zu sehen ist.
Menschen drücken ihren Hass aus, indem sie die Flaggen eines anderen
Landes in Brand stecken, manchmal auch das Konterfei eines Politikers
eben dieses Landes.
Und jetzt: obwohl es eng ist, gehen die
vielen Menschen am Rand der auf den Boden gemalten Flaggen vorbei.
Ich empfinde das als Ausdruck von Respekt gegenüber der anderen
Nation. Bzw. lassen sich die Menschen nicht instrumentalisieren,
indem sie mitten auf dem Weg, aber eben über die gemalten Flaggen
hinweg, gehen.
Bei aller Freude über diese kollektive
Achtsamkeit habe ich gefragt, wie achtsam ich gehe bzw. umgehe mit
dem/den anderen? Es geht ja nicht nur um das Betreten einer gemalten
Flagge. Und es passiert nicht nur bei „cross-culture-Begegnungen“,
das ich in Gefahr bin, in Fettnäpfchen zu treten.
„Leg deine Schuhe ab; denn der Ort,
wo du stehst, ist heiliger Boden“ (Ex 3,5). Das ist nicht nur die
Aufforderung, die Mose hört, als er sich dem brennenden Dornbusch in
der Wüste nähert. Darum geht es auch in der Begegnung mit anderen
Menschen.
Ende des vergangenen Jahres verlegte
Günter Demnig in Memmingen den 75000. Stolperstein, der an dort
lebende Menschen jüdischen Glaubens erinnern soll, konkret an die
Familie Rosenbaum. In mehreren Ländern Europas sind diese jetzt
75000 Stolpersteine zu finden.
An verschiedenen Orten bin ich bereits
solchen Stolpersteinen begegnet und habe mich von ihnen berühren
lassen. Nie bin ich darauf getreten. Wobei ich Verständnis dafür
habe, dass sich die Stadt München anders entschieden hat. Und
Erinnerungsplaketten lieber auf Augenhöhen anbringt, um das Betreten
eines Steins, der an einen Menschen erinnert, der ja in seinem Leben
schon „getreten“ wurde, zu verhindern.
Wie schön ist es, wenn mich jemand
einlädt, sein Haus, seine Welt zu betreten und ich dort Gast sein
darf. Mit Behutsamkeit und gleichsam wie auf Zehenspitzen versuche
ich, mich aufmerksam in dieser Welt zu bewegen, wahrzunehmen, zu
lernen. Immer in der Gefahr, fälschlich die Maßstäbe meiner Welt
anzulegen.
Und die Bilder aus Teheran gehen mir
nach und bewegen mich weiter...
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