Samstag, 15. Januar 2011

Traunstein - Traunreut - Rom - Castelgandolfo


Heute morgen bin ich aus Rom bzw. Castelgandolfo zurück gekommen. Das Jahrestreffen der internen Ordensmänner der Fokolarbewegung war ein Geschenk und eine große Bereicherung, abgesehen von der Freude des Wiedersehens mit vielen, vielen Bekannten...
Erzählen möchte ich aber heute noch von anderem aus der ersten Monatshälfte:

3. Januar. Um halb neun morgens betrete ich die Kirche, den Vorbau, in dem das große Weihwasserbecken steht, und rieche – nein, nicht Weihrauch, der von gestern vielleicht noch in der Luft hängen würde. Nein, wenn mich nicht alles täuscht, dann ist das Zigarettenrauch. Ein paar Schritte weiter gehe ich durch die große Metalltür in den Kirchenraum und sehe auf der Bank an der rechten Seite im Halbdunkel Uwe sitzen. Ob er...?

Erst gestern hat mir P. Ferdinand von ihm erzählt: Uwe ist ein Obdachloser – und momentan ist er es wirklich. Nachdem in den städtischen Sozialräumen auch Menschen sind, die mit Alkohol und Drogen zu tun haben und es immer wieder Konflikte gibt, zieht Uwe das Schlafen in Hauseingängen vor, nachdem er seine bisherige Wohnmöglichkeit verloren hat. Und er verbringt viel Zeit in der temperierten Kirche. Das ist immer noch besser als draußen im Freien. Manchmal hilft er auch, wenn es etwas zu tun gibt und bekommt ein wenig dafür.
Ich weiß nicht, ob ich wirklich Zigarettenrauch im Kirchenvorraum gerochen habe. Und wenn, dann könnte der ja auch von jemand anderem stammen. Bis in den Herbst hinein habe ich immer wieder Jugendliche mit ihren Skateboards vor der Kirche gesehen. Der geteerte Vorplatz und die Stufe, die es dort gibt, reizen offensichtlich zum Training. Aber auch die Bänke vor der Kirche sind immer wieder von verschiedenen Menschen besetzt. Aber wenn Uwe im Vorraum der Kirche geraucht haben sollte: wer weiß, ob dieser Rauch in Gottes Nase nicht mindestens genauso wohlgefällig ist wie der Weihrauch im Kirchenraum?
Ich muss zurück denken an Madrid. Es gibt dort die sogenannte „rote Pfarrei“. Dem Kardinal ein Dorn im Auge, er wollte sie eigentlich schließen, was aber zu großen Protesten führte. Jetzt ist die Pfarrei rechtlich keine Pfarrei mehr, aber eben doch noch eine „Seelsorgsstelle“ mit regelmäßigen Gottesdiensten. An diesem Ort finden sich Menschen, die sich in anderen Pfarreien nicht so leicht finden: Drogensüchtige, Prostituierte, viele Migranten... Neben anderen Dingen, die einem Liturgen Kopfzerbrechen bereiten, sei dort während Gottesdiensten auch geraucht worden – und wohl nicht nur harmlose Zigaretten.

Einen Tag später: diesmal bin ich in der Kirche in Traunreut. Vor der Messe sitze ich dort in einer Bank und bemerke, wie im Mittelgang an mir vorbei eine ältere Frau mit Stock bzw. Krücke nach vorne geht. Sie setzt sich in die Bank vor mich. Kaum sitzt sie, höre ich hinter mir jemanden schwer schnaufen. Und mir wird allein durch diese beiden Menschen deutlich, was manche auf sich nehmen, um jetzt da zu sein, die Messe mit zu feiern. Meine 15 Minuten Autofahrt wirken dagegen vernachlässigbar – wahrscheinlich hat die eine oder der andere zu Fuß mehr als 15 Minuten gebraucht. Im Evangelium der Messe hören wir dann, wie Jesus den Simon Petrus „Kephas – Fels“ nennt. Und noch einmal schaue ich auf die Leute in der Kirche und meine zu verstehen, dass sie ganz entscheidend dazu beitragen, dass es einen Felsen gibt, auf den gebaut werden kann.
Überhaupt war ich erstaunt, in einer Werktagsmesse um die 40 Mitfeiernde zu sehen, auch jüngere Menschen sind darunter. „Katholisches Bayern?“ Nach der Messe belehrt mich der Kaplan eines besseren: viele sind (Spät-)Aussiedler, die noch bis vor einem oder zwei Jahrzehnten in Ländern gelebt hatten, in denen der Glaube unterdrückt war, bzw. es keine Gelegenheit gab, die Messe mit zu feiern. So genießen sie jetzt nicht nur – ja, auch das – fließendes Wasser und geteerte Straßen, sondern auch die Möglichkeit, einfach in die Kirche gehen und die Messe mit feiern zu können.
Da können wir Hiesigen wohl im guten Sinn etwas lernen und uns bereichern lassen!

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