Dienstag, 30. September 2025

Übersetzung

In den ersten drei Septemberwochen war die XXII. Generalversammlung der Missionare vom Kostbaren Blut. Diese ist die höchste Autorität in der Gemeinschaft und findet im Regelfall alle sechs Jahre statt, 2019 waren wir dazu in Polen, diesmal in Italien. Rund 40 Teilnehmende waren es, Missionare, einige Gäste und – eine Übersetzerin und ein Übersetzer.

Unter den vielen von den Teilnehmenden gesprochenen Sprachen gibt es zwei offizielle: Englisch und Spanisch. Mehr als zwei Jahrzehnte war Marcelo unser Übersetzer, ein in Spanien lebender Argentinier. Wir scherzten, dass er schon zu übersetzen beginnen kann, bevor ein Teilnehmer spricht, weil er sowohl die Missionare als auch deren Themen kennt. Seit mehr als einem Jahr ist Marcelo jedoch der Kommunikationsbeauftragte der weltweiten Gemeinschaft der Missionare vom Kostbaren Blut. Da er in Madrid auch Übersetzer ausbildet, hat er uns zwei solche vermittelt. Zum einen Jorge, zum anderen Marua, die als Kind marokkanischer Eltern in Teneriffa zu Hause ist. Beide sind meiner Schätzung nach Mitte 20 Jahre. Diese beiden waren also diesmal fürs Übersetzen zuständig, Englisch-Spanisch und umgekehrt. Im Unterschied zu Marcelo, der einen religiösen Hintergrund hat, bezeichnen sich Jorge und Marua als ungläubig. Also in gewisser Weise eine spannende Ausgangsbedingung für das Übersetzen bei der Generalversammlung einer katholischen Ordensgemeinschaft. Sie nahmen zum Beispiel im Normalfall nicht an unseren Liturgiefeiern teil. An einem Ausflugstag, wir waren in San Felice di Giano, unserem Gründungsort in Umbrien, da saßen sie unter uns, und Jorge behielt in der Kirche seine Baseballkappe auf.

Bei den Mahlzeiten waren wir zusammen und natürlich wird davor gebetet. Eileen, welche für unsere Companions (die angeschlossenen Laien) in den USA zuständig ist, hatte die Aufgabe, Vorbetende für das Tischgebet zu suchen. Und sie fragte auch Jorge und Marua.

Höchst interessant! Die beiden sprachen natürlich kein Tischgebet, es war jeweils eine kurze Reflexion. An einem Tag klang aus den Worten Maruas die Dankbarkeit heraus, in dieser Gemeinschaft herzlich aufgenommen worden zu sein. Jorge nutzte die Gelegenheit, vor dem Essen diejenigen zu erwähnen, die sich mit Hilfsgütern auf Schiffen auf den Weg Richtung Gaza machen.

An einem Tag wurde ich Zeuge, wie Luigino, der Provinzial unserer Atlantischen Provinz (mit Sitz in Toronto/Kanada) Jorge fragte: „wie siehst Du uns?“ Und Jorge antwortete: „ich gebe zu, ich hatte schon ein wenig Bedenken. Und meine Freude warnten mich quasi vor: `Du wirst schon sehen, eine katholische Gemeinschaft, pass nur auf…!´ Aber ich finde, Ihr seid cool!“

Ich fand unsere gemeinsame Zeit sehr besonders. Zwar könnte ich mir vorstellen, dass einige die Nase rümpfen und die Qualifikation unserer Übersetzenden anfragen: hätte man da nicht kirchenintern, bei anderen Ordensgemeinschaften etwa, suchen können?

Auf der anderen Seite fanden Begegnungen zwischen Menschen bzw. Welten statt, die sich wohl sonst im Alltag nicht so ohne weiteres begegnet wären. Vielleicht also geschah da mehr an Übersetzung als nur die von einer Sprache in eine andere…

Montag, 15. September 2025

Beim Friseur in Rom

Allerhand habe ich schon mit bzw. bei Friseuren erlebt: irgendwo hoch im Norden, ich weiß nicht mehr ob Flensburg oder Kiel, war ich bei einem türkischen, der den Haaren im Ohr mit Feuer zu Leibe rückte. Ohne Vorwarnung war ich zunächst einmal erschrocken. Weniger jedoch, als vor vielen Jahren in Indien, wo der Haarschnitt mit einer Kopfmassage endete. Für mein Empfinden ziemlich ungestüm schob der Friseur meinen Kopf nach vorne und hinten, nach links und rechts, einmal hörte ich es dabei im Genick deutlich knacken und bekam es wirklich mit der Angst zu tun. Ich habe überlebt.

Für den Schwaben ist natürlich das finanzielle Argument mit ausschlaggebend. So war in Brasilien abgesehen vom frischen Schnitt der dafür bezahlte Preis von umgerechnet etwa drei Euro durchaus erfreulich. 

Hier will ich mich auf Friseurerlebnisse in den vergangenen römischen Jahren beschränken. Auf der Suche nach einem Figaro stieß ich zunächst auf Sergio und blieb ihm längere Zeit treu, sammelte sogar Stempel auf der berühmten Stammkundenkarte und bekam den elften Haarschnitt gratis.

Ein anderes Mal betrat ich den Salon von aus Bangladesch stammenden Friseuren, sieben Euro verlangte der junge Mann, der für mich in Rom bis dahin günstigste Preis, ich gab ihm acht.

Nicht weit weg von zu Hause ging ich eines Tages zu einem älteren italienischen Herrn, obwohl der Salon etwas „abgewohnt“ aussah. Er legte mit der Schere los und als ich ihn fragte, ob denn auch eine Maschine zum Einsatz käme, schien er fast beleidigt. Von wegen, hier wird nur mit der Schere gearbeitet. Immerhin sei er 83 Jahre (ich weiß nicht mehr die genaue Zahl, aber es war auf jeden Fall über 80) und schon Jahrzehnte im Geschäft. Nach Abschluss der „Behandlung“ kam ich mir etwas „zerrupft“ vor. Aber: Respekt vor diesem Engagement mit solch einem Alter! 

Vor einiger Zeit fiel mir ein wohl neu eröffneter Salon von Chinesen auf. Der weibliche Teil der Familie ist im Nagelstudio aktiv und die Männer schneiden nebenan Haare. Einige Male war ich jetzt dort – beim Friseur, nicht im Nagelstudio.

Mein letzter Friseurbesuch sollte deswegen auch wieder dorthin führen, aber unterwegs entdeckte ich noch ein anderes kleines Lädelchen und dachte mir: „ich riskiere es!“ „Cleopatra“ heißt der Salon und tatsächlich wird er von Ägyptern betrieben, wir mir auf Nachfrage bestätigt wurde. Ich war der einzige Kunde und nachdem mir der Meister einen Platz angeboten hatte, fragte er, ob er noch kurz eine Zigarette rauchen dürfe: „nur zwei Minuten!“. Was machst Du jetzt, wenn Du schon einmal dasitzt? Der Mann ging kurz vor die Tür und zündete sich seinen Glimmstängel an. Woanders hatte ich durchaus länger als zwei Minuten gewartet, bis ich an die Reihe kam. Für den Deutschen ist solch ein Verhalten natürlich ungewöhnlich. Aber nach kurzem musste ich über den Ausdruck der Souveränität dieser Arbeitsmoral lächeln. Vielleicht sollte ich das auch versuchen. „Erst mal Pause!“ Im kleinen Geschäft war orientalische Musik zu hören, ebenfalls gewöhnungsbedürftig. Mein Friseur begann mitzusingen oder zu -summen und mir begann die Melodie dabei zu gefallen.

Obwohl der Meister – direkt an der Glastür des Geschäftes stehend – während des Haarschnitts auch das Geschehen auf Bürgersteig und Straße verfolgte und ab und zu einem Passanten zunickte, war ich mit dem Ergebnis zufrieden und würde wieder dorthin gehen.