Dienstag, 31. Oktober 2017

eritreisch-orthodoxe Liturgie

Von April bis November 2016 war der aus Eritrea stammende Bisrat im Kirchenasyl bei uns im Haus. Um der Abschiebung nach Italien zu entgehen. Seine Frau lebte als Flüchtling anerkannt in Lauingen und Bisrat war überglücklich, als er nach Ende des Kirchenasyls wieder zu ihr ziehen konnte. Im September 2017 sind die beiden nun Eltern geworden: Petros heißt ihr Sohn.

Und Bisrat lud uns zur Taufe ein. Gerne nahm ich die Einladung an und machte mich am vergangenen Sonntag auf den Weg nach Ulm. Wo die evangelische Gemeinde die Pauluskirche der eritreisch-orthodoxen Gemeinde zur Verfügung stellt. Wenn ich recht verstanden habe, dann trifft sich die eritreisch-orthodoxe Gemeinde einmal im Monat dort zum Gottesdienst. (Oder fahren sie aus Lauingen einmal im Monat dorthin?)

Als ich ankam, war gerade ein kleines Grüppchen junger dunkelhäutiger Männer und eine ebenfalls dunkelhäutige Frau (sie mit einem knallgelben Rock bzw. Kleid und leuchtend roten Schuhen!) auf dem Weg in die Kirche. Vorbei gehende Passanten schauten die Gruppe freundlich interessiert an. Ich könnte mir vorstellen, dass andere vielleicht auch weniger freundlich, eher ängstlich reagieren.

Beim Betreten der Kirche sah ich dort viele Schuhe im Vorraum. Aha! Also zog auch ich meine Schuhe aus und spürte trotz der gestrickten Wollsocken den kalten Steinboden der Kirche recht deutlich. Ich weiß gar nicht, wann die Liturgie angefangen hatte. Bisrat meinte, die Taufe wäre um 13.00 Uhr. Ich kam um 12.15 Uhr bei der Kirche an und ging einfach hinein. Etwa 250 dunkelhäutige Personen, vorwiegend jüngere, etwa zwei Drittel davon Männer, diese auf der linken Seite der Kirche, rechts die Frauen.

Die meiste Zeit standen wir, während vorne ein kleiner Chor weiß gekleideter Männer mit Trommelbegleitung sang – eine für mein Ohr nicht so ganz leicht zugängliche Melodie. Die Chorsänger standen im Halbkreis, wobei sich zwischendurch die Formation auflöste und sich Gruppen bildeten, die tanzend einander begegneten.

Einzelne Momente während der Liturgie gab es, in denen sich die Anwesenden ehrfürchtig hin knieten. Wobei das auf die Weise geschah, wie wir es aus Moscheen kennen. Also den Oberkörper nach vorne gebeugt, so dass die Stirn den Boden berührt. Was für mich, der ich mir ganz hinten einen Platz gesucht hatte, recht lustig aussah. In der Kirche waren nämlich keine Bänke, sondern Stühle, vorne grün gepolsterte und im hinteren Drittel weiße Holzstühle. Als sich nun die Leute hin knieten und nach vorne beugten, verschwanden sie gleichsam und ich sah nur noch die (Rückenlehnen der) Stühle.

Noch andere interessante Momente in der Liturgie gab es für mich, die ich nicht verstand oder nicht zu deuten vermag. Irgendwann während des Gottesdienstes dann die Taufen: drei Kinder wurden an diesem Tag getauft, darunter eben auch Petros. Und weil der Gottesdienst kein Ende nahm, ich aber schon mit bekommen hatte, dass nicht nur die Kinder sich in der Kirche bewegen, machte ich mich auch auf den Weg nach vorn, um Bisrat zu begegnen, ihm und seiner Frau Shewit zu gratulieren und einen Blick auf das Baby zu erhaschen. Bisrat war ganz traurig, dass ich seiner Einladung, die Familie nach Lauingen zu begleiten, um dort weiter zu feiern, nicht nachkommen konnte. Es war inzwischen 14.00 Uhr und die Liturgie noch nicht zu Ende!

So machte ich mich mit vielen Eindrücken wieder auf den Weg, ich wollte noch einen Besuch in der Uni-Klinik machen. Die fremdartige Liturgie ließ und lässt mich fragen, wie den Menschen aus Eritrea wohl das fremde Deutschland vorkommen muss. Und wie Integration gelingen kann.

Nachdem Bisrat und seine Frau keine gültigen Personaldokumente haben, hat auch das Baby nur eine „vorläufige Geburtsurkunde“ bekommen. Was wird der kleine Petros in seinem Leben erfahren? Gebe es Gott, dass er durch die Liebe seiner Eltern getragen, Eritrea und Deutschland für sich irgendwie verbinden kann...

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