Samstag, 30. September 2023

Eindrücke aus Lima

Vor zwei Wochen bin ich hier in Lima in Peru angekommen und seitdem strömen viele Eindrücke auf mich ein. Wenn „mir Deutschem“ schon der Verkehr in Rom bisweilen chaotisch vorkommt, hier ist er es noch viel mehr. Was allerdings im Gegensatz zu Rom positiv auffällt, das ist die Sauberkeit der Stadt. Und es ist auch sehr viel Personal der Stadtreinigung zu sehen, welches z.B. die Straßen kehrt. Auf der anderen Seite gibt es Hinweisschilder, die davor warnen, Abfall wegzuwerfen und die Strafen dafür androhen.

Lima hat 15 Millionen Einwohner, wozu – so sagt es ein Mitbruder hier – noch zwei Millionen Venezolaner kommen.

Die Stadt Lima ist in Distrikte aufgeteilt, wir sind hier in „San Borja“. Der Name geht auf den Jesuitengeneral San Francisco de Borja zurück, welcher seinerzeit Jesuiten zur Mission nach Südamerika sandte. Und die hatten wohl hier in der Gegend eine Landwirtschaft. So heißt auch die Pfarrei der Mitbrüder „San Francisco de Borja“, wobei es im Distrikt noch weitere Pfarreien gibt.

Und die Mitbrüder betreiben ein colegio, eine Schule für 3 - 16/17jährige, welche ebenfalls den Namen San Francisco de Borja trägt: 850 Schülerinnen und Schüler bringen Leben hier in die Gegend, die Stimmen sind weithin zu hören. Die Schüler/innen bzw. ihre Eltern bezahlen Schulgeld, 1100 soles (ein Euro entspricht 4,05 soles) im Monat, erst ab dem dritten Kind aus einer Familie wird es günstiger. Als ich mich über die Höhe dieses Schulgeldes wunderte, sagten sie mir, die Familien gehören zur Mittel- bzw. gehobenen Mittelschicht und oft verdienen beide Elternteile. So kann das Personal, etwa 110 Menschen, bezahlt werden und es fällt noch etwas für den Distrikt Peru der Lateinamerikanischen Provinz der Missionare vom Kostbaren Blut ab. Und außerdem fließt ein gewisser Teil auch in die Abendschule, im selben Gebäude. Dabei handelt es ich um eine Art „Berufskolleg“ für Volljährige, wo Menschen z.B. das Frisörhandwerk, Maniküre, Pediküre, aber auch Kochen und Konditorei lernen. Die Abendschule erhält staatliche Zuschüsse. In früheren Zeiten wurde sie von den Hausangestellten der Familien besucht, deren Kinder vormittags hier zur Schule gingen.

Ein Mitbruder, zurzeit P. Alex, ist „Promotor“ der Schule, er ist regelmäßig dort als Vertreter des Schulträgers und um Einfluss auf die Prägung der Schule zu nehmen. „Formar en y para la misión“ ist an verschiedenen Stellen zu lesen: wir bilden in einem missionarischen Geist aus und versuchen zu einem solchen zu erziehen.

P. Alex wohnt gemeinsam mit zwei Mitbrüdern, die in der Pfarrei arbeiten, im Pfarrhaus.

Wir sind „nebenan“, im Provinzhaus der Lateinamerikanischen Provinz untergebracht. Hier leben drei Mitbrüder, der Provinzial und sein Vize und der Ökonom der Provinz.

P. Maximo, der Provinzial, erzählte, dass während der Pandemie zeitweise Mitbrüder aus sieben Nationen hier zusammenlebten und um den Tisch saßen. Seit der Gründung der Lateinamerikanischen Provinz vor vier Jahren hat ein Austausch unter den Mitbrüdern der verschiedenen Länder begonnen, dazu kamen doch noch ein paar, die eine Erfahrung auf einem anderen Kontinent machen wollten.

Maximo stammt eigentlich vom Land, aber während der Zeit des Terrorismus (in den 80er Jahren gab es den Sendero Luminoso und ein Klima der Angst in vielen Gegenden) hat sein Vater ihn und seine Geschwister zu einer Tante in die Stadt gesandt. So ist Maximo zum Teil auch hier in Lima aufgewachsen und kennt sich sehr gut aus. Auf dem Weg zur Costa Verde am Pazifik zeigte uns Maximo das Haus, in welchem er als Kind lebte.

In einem anderen, ärmeren Teil der Stadt, leben weitere drei Mitbrüder, in der Pfarrei Santa Luzmila. Dort steht eine riesengroße Kirche, welche aber wohl sonntags gut gefüllt ist. Auch das ist interessant für einen an eher leere Kirchenbänke gewohnten Deutschen: hier sind die Bänke voll und es scheint ein zum Teil sehr reges Gemeindeleben zu geben.

Freitag, 15. September 2023

5.9.: Ki und Ämter

Heute ist der Gedenktag von Mutter Teresa. Am Vortag hatten mich zwei ihrer Schwestern, Missionarinnen der Barmherzigkeit, daran erinnert. Wir trafen uns beim Einkaufen im Drogeriemarkt. Jede Menge Zahnpasta, Putz- und Waschmittel hatten sie in ihren beiden Einkaufswägen. „Wir haben eine große Familie“, lächelte mich eine von den beiden an. Ich half ihnen noch beim Einladen ins Auto. Und heute erwähne ich Mutter Teresa zu Beginn der Messe. Wir feiern zu fünft, die Zahl wechselt häufig. Heute sind zwei unserer drei Schwestern da, die eine wird erst Ende September aus ihrer Heimat Sambia zurückkommen. Dann Bruder Juan und (Joseph) Ki, ein Mitbruder aus Vietnam, der am 9. September in einer unserer römischen Pfarreien zum Priester geweiht werden wird.

Ki hat eine beeindruckende Geschichte. Er stammt aus einer buddhistischen Familie, die kein Verständnis für sein Christ-Sein hat. Er erzählte mir von einem Telefonat mit einem seiner Brüder während seines Rom-Aufenthalts, bei dem dieser ihm sagte: „ich hätte Dich schon lieber als buddhistischen denn als christlichen Mönch gesehen!“. Nichtsdestotrotz sind sie im Kontakt und die Familie beliefert die Hausgemeinschaft der Missionare in Saigon sogar manchmal mit kostenlosen Lebensmitteln.

Vor seinem Philosophie- und Theologiestudium hat Ki eine Kunstakademie besucht. Er ist ein hervorragender Maler und kann auch schnitzen. Und er gehört zu einer Vereinigung von Künstlern innerhalb der Kirche Vietnams.

Was Ki von seinem sozialen Engagement erzählt, das ist mehr als beeindruckend. Er hat mit Straßenkindern gearbeitet und mit ihnen das Essen geteilt, Überreste von Mahlzeiten aus Gasthäusern. Auch für HIV-Infizierte, Aids-Kranken, war er engagiert. Eine Gruppe, für die er sich schon seit längerem und immer noch einsetzt, sind Behinderte. Er beklagt, dass es für diese keine staatliche Unterstützung gibt.

Unsere Kommunikation verläuft keineswegs so einfach, wie es hier scheinen mag. Manchmal muss ich dreimal nachfragen, weil mir Kis Englisch Schwierigkeiten bereitet. Bisweilen greift er selbst zum Übersetzungsprogramm auf seinem Handy – und damit funktioniert es dann ganz gut.

Nach der Messe und dem Frühstück mache ich mich auf den Weg zum Lateranpalast, wo die Büros der Diözese Rom sind. Ich muss noch ein Dokument für die Priesterweihe Kis dort abholen. Als ich nach zweimaligem Nachfragen schließlich das Büro im zweiten Stock gefunden habe, ist die Tür zu. Durch das Glas in der Tür sehe ich Licht und klopfe kräftig. Es tut sich nichts. So gehe ich wieder nach unten und der Pförtner sagt mir, dass er den Mitarbeiter aus dem „Büro für die Weihen“ gerade einen „Kaffee trinken“ gesehen habe.

Also marschiere ich weiter zum ASL (Azienda Sanitaria Locale)-Büro, die italienische „Krankenkasse“, weil ich dort im November wieder vorsprechen sollte, um die Wahl meines Hausarztes zu bestätigen bzw. zu erneuern. Weil ich aber länger verreise und erst Anfang Dezember zurückkomme, frage ich nach, wie ich mich in diesem Fall zu verhalten habe. Die Mitarbeiterin sieht mich etwas verwundert an (fragt so etwas vielleicht nur „ein Deutscher“?), gibt mir jedoch ihre Mail-Adresse, so dass ich nicht direkt vorstellig werden muss, sondern die Sache auch mittels Computer von zu Hause aus regeln kann. Hoffentlich klappt das dann.

Ich gehe zurück zum Lateranpalast, das Büro weiß ich ja jetzt. Und der Mitarbeiter ist da, gibt mir das Dokument und kassiert € 22,50 dafür. So dürfte der vor der Weihe nötige „Papierkram“ erledigt sein und wir können uns auf die Feier am Samstagabend freuen. Die Priesterweihe findet im Rahmen der Vorabendmesse der Gemeinde statt, die Messe selbst wird also auf Italienisch sein, nur der Weiheritus selbst auf Englisch. Ich hatte auch eine Lesung auf Vietnamesisch vorgeschlagen, aber das schien wohl Ki selbst gar nicht so wichtig…