Dienstag, 31. Januar 2023

Arbeit und Pflege

Wir sind zu Besuch bei unseren Mitbrüdern in Mamurras, einer Gemeinde im Norden Albaniens. An einem Abend nehmen wir am Treffen der jungen Erwachsenen teil. Es beginnt mit einer Vorstellrunde. Als Aurelia an der Reihe ist, sagt sie: „Ich bin 26 Jahre alt, zurzeit arbeite ich nicht, ich bin Hausfrau“. Später gehe ich auf sie zu und erzähle ihr, dass ich Ähnliches auch schon von anderen gehört habe und mich dann immer wundere. Denn eine Hausfrau arbeitet doch auch. „Ja“, gibt sie lächelnd zu, wir können uns auf Italienisch unterhalten, „das stimmt, es gibt zu Hause immer etwas zu tun“. Mir scheint, es läuft etwas falsch, nur die „bezahlte Erwerbsarbeit“ als Arbeit zu kennzeichnen. Wobei ich mich nicht auf ideologische Grabenkämpfe einlassen möchte, niemand auf einen bestimmten Typ von Arbeit festlegen will. Die Mitbrüder in Albanien erzählen, dass es für die jungen Leute schwierig ist, Arbeit zu finden. „Was gibt es bei uns schon? Du kannst als Verkäuferin in einer Boutique arbeiten oder als Kellner in einer Bar, aber sonst…“. In einer solchen Situation ist es nicht verwunderlich, wenn einige sich auf das Drogengeschäft einlassen, sei es deren Anbau oder deren Handel. Altin, der albanesische Mitbruder meint, die Drogen unter anderem seien ein Haupthindernis für einen EU-Beitritt seines Landes.

Zurück in Rom lese ich in den Nachrichten von zwei Seniorenheimen, die ich beide kenne. Das eine in der Schweiz wird geschlossen, die 49 Bewohnerinnen und Bewohner müssen sich ein neues Zuhause suchen. Als ein Grund für die Schließung wird der Personalmangel angegeben. Es finden sich keine Leute, die in der Pflege arbeiten möchten, zumindest nicht für den dort bezahlten Lohn.

Die andere Einrichtung in Deutschland hat mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, aber da gibt es eine positive Nachricht. Drei nigerianische Ordensfrauen werden in Zukunft dort arbeiten, die Gemeinschaft wird eine Niederlassung in dem kleinen Städtchen gründen. Ich gebe zu, ich weiß nicht so recht, wie ich darüber denken soll. Mag sein, dass für Menschen aus einem afrikanischen Land der Lohn im Pflegebereich akzeptabler scheint als für Einheimische. Mit froher Phantasie stelle ich mir die Begegnungen und Überraschungen zwischen Unterallgäuer Seniorinnen und Senioren und dunkelhäutigen Afrikanerinnen vor. Möge mir bitte niemand Rassismus unterstellen, darum geht es nicht.

Schon manchmal habe ich über die Entwicklung im Sozialbereich nachgedacht. Die Zeiten, in denen Ordensschwestern rund um die Uhr in Krankenhäusern und Altenheimen gearbeitet haben sind – Gott sei Dank! – vorbei. Auf der anderen Seite scheinen die Kosten im Gesundheitswesen zu explodieren und niemand so recht eine Lösung zu wissen. Einige kritisieren, meiner Ansicht mit Recht, die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens. Und jetzt kehren Ordensfrauen (aus dem Ausland) in ein (deutsches) Altenheim zurück. Wie finden wir den Menschen entsprechende Lösungen? Sowohl den Arbeitenden als auch den zu Pflegenden?

Vor Jahren las ich ein Buch eines deutschen Arztes, der sich für Alternativen zu stationären Senioreneinrichtungen ausspricht, diese gar als Armutszeichen für eine Gesellschaft ausmacht. Seiner Ansicht nach müssten eher Nachbarschaftsnetzwerke aktiviert werden. Beim Lesen fand ich diese Gedanken anregend bis faszinierend. Und dann hatten wir einen alten Mitbruder mit zunehmender Demenz im Haus, bzw. hin und wieder lief er weg, im Winter nur leicht bekleidet, und wir mussten eine Lösung suchen, die wir in einem Seniorenheim fanden.

Kurzum: ich habe keine Lösung und teile die Fragen mit Dir, Leserin und Leser. Als einer, der selbst kein „Monatsgehalt“ überwiesen bekommt, bitte ich jedoch weiterhin darum, Arbeit in einem weiteren Sinn zu verstehen. Es gibt ja Statistiken, wieviel sich ein Staat durch ehrenamtlichen Einsatz vieler in der Gesellschaft erspart. Auch das ist zweischneidig (vgl. den vorherigen Post): Ehrenamtliche dürfen nicht ausgenutzt werden, aber auch das Ehrenamt nicht kaputt gemacht.

 

Sonntag, 15. Januar 2023

Mesnerdienst

Im November sah ich einen kleinen Video-Bericht über den „Mesner-Tag“ in Mindelheim im heimatlichen Bistum Augsburg. Darin berichtete der Vorsitzende des diözesanen Mesnerverbandes unter anderem von der Schwierigkeit, nicht etwa Leute für diesen Dienst zu finden, sondern die gefundenen dann aubilden zu müssen. Denn eine kirchliche Sozialisierung kann eben nicht mehr ohne weiteres vorausgesetzt werden. „Aber wir haben ja Schulungen“, fügte der Mesnerverbandsvorsitzende an.

Diese kleine Notiz macht mir einmal mehr die verschiedenen Ausgangsbedingungen kirchlichen Lebens bewusst – in anderen Bereichen zeigen sie sich viel deutlicher.

In der Diözese Klagenfurt, der ersten Diözese, in der ich als Priester tätig war, gibt es, so wurde mir gesagt, nur einen Mesner mit bezahlter Anstellung, nämlich denjenigen der Domkirche. Ich habe dies nicht nachgeprüft. Aber in der Salzburger Pfarre, in der ich später als Pfarrer arbeitete, wurde der Dienst ebenfalls ehrenamtlich ausgeübt. Bei meinem Vorgänger als Pfarrer hatte die Haushälterin „nebenbei“ auch den Mesnerdienst inne. Nachdem mein Vorgänger gestorben und in Folge dessen seine Haushälterin ausgezogen war, musste ich schnell eine Nachfolgelösung suchen. Und wir fanden ein Team aus Ehrenamtlichen, wobei Gott sei Dank eine Frau Koordinationsaufgaben und regelmäßig Vertretungsdienste wahrnahm.

Ähnlich kenne ich das auch aus anderen, auch deutschen Pfarreien. Natürlich verstehen sich im Idealfall die Mesner*innen untereinander. In einer Schwarzwälder Pfarrei, in der ich vor vielen Jahren zur Gemeindemission gewesen bin, war das nicht der Fall. Die beiden Männer, die sich den Mesnerdienst teilten, konnten überhaupt nicht miteinander. Was soweit führte, dass der eine von beiden eine Schachtel mit Liedblättern so „aufräumte“, dass der andere sie nicht mehr fand. Als Gast hatte dieses Erlebnis, der Ärger des Suchenden, beinahe noch einen komischen Aspekt, als Pfarrer vor Ort weiß ich nicht, wie ich damit umgegangen wäre.

Mein italienischer Mitbruder macht „mir Deutschem“ ebenfalls hin und wieder deutlich, dass sich italienische Pfarreien nicht die Anstellung eines Mesners leisten können. Da gibt es entweder Ehrenamtliche oder der Pfarrer ist am Zug.

Und ich schwanke: zum einen gilt der erste Timotheusbrief (5,18): „Denn die Schrift sagt: Du sollst dem Ochsen zum Dreschen keinen Maulkorb anlegen, und: Wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn.“ Es besteht die Gefahr, Ehrenamtliche auszunutzen. Und bisweilen wird diese Gefahr bittere Realität.

Auf der anderen Seite sagte mir einmal jemand: „Du kannst das Ehrenamt auch kaputt machen“, gemeint war: durch finanzielle Zuwendungen. Im Fall des Mesnerdienstes könnte ich mir schon vorstellen, dass jemand diesen auch als seinen Beitrag zur Liturgie der Gemeinde versteht und gerne tut, evtl. auch tatsächlich ehrenamtlich.

Gut ist es, die Dinge klar anzusprechen und zu regeln. So hörte ich von einer römischen Innenstadtkirche, deren Öffnung die Anwesenheit eines „Wachhabenden“ voraussetzt. Tatsächlich gibt es an verschiedenen Stellen der Kirche Kameras und besagter Mensch sitzt die meiste Zeit vor dem Bildschirm und blickt auf dasjenige oder besser diejenigen, welche(s) die Kamera zeigt/zeigen. Während der Woche tut diesen Dienst ein fest angestellter Mitarbeiter. Am Sonntag – zwischen den Gottesdiensten – übernimmt das ein „Ehrenamtlicher“, der pro Sonntag € 50.- erhält. Den einen mag das zu wenig erscheinen, anderen ist es zu viel. So hat sich jemand darüber beschwert, dass der Mann € 250.- pro Monat bekommt, auch wenn der Monat nur vier Sonntage hat und nicht fünf.

Klarheit ist angesagt, und die Suche nach alle Beteiligten zufrieden stellenden Lösungen dürfte bisweilen etwas mit dem Versuch der Quadratur des Kreises zu tun haben. Natürlich geht es zunächst schlicht um den Beschäftigungsumfang, die verwendete Zeit für den Dienst.

Schlimm ist, wenn, wie dieses Jahr in einer Gemeinde im bayrischen Landkreis Traunstein geschehen, entdeckt wird, dass ein vor nicht allzu langer Zeit angestellter Mesner sich nicht nur aus der Sonntagskollekte bedient hat, sondern auch angefangen hat, Kircheninventar zu verhökern…

Was unbedingt am Schluss gesagt werden muss: im Lauf meines Lebens habe ich viel ganz wunderbare, engagierte Mesnerinnen und Mesner kennen gelernt