Dienstag, 31. Oktober 2023

Bogota

Die letzten Oktobertage verbrachte ich in Bogota, der Hauptstadt Kolumbiens. Zur Einwohnerzahl gibt es verschiedene Angaben: 10, 12 oder 15 Millionen habe ich gehört oder gelesen.

Zunächst wohnte ich im Seminar der Lateinamerikanischen Provinz der Missionare vom Kostbaren Blut. Dort leben vier Theologiestudenten mit ihrem Ausbildungsleiter und zwei junge Männer ganz am Anfang ihres Ausbildungsweges (im sogenannten Propädeutikum), die ebenfalls einen Begleiter haben, der allerdings noch andere Aufgaben innehat. Die Mischung der Nationen ist ausgewogen und interessant. Jeweils zwei stammen aus Kolumbien, Guatemala, Peru und Brasilien. Gänzlich spannungsfrei läuft das Zusammenleben nicht ab – aber es ist schön, wie die jungen Leute diese Herausforderung angehen und grundsätzlich einen Reichtum in der Verschiedenheit entdecken.

Gleich zu Beginn riet man uns Besuchern, nicht allein aus dem Haus zu gehen, das Viertel sei gefährlich. So machten wir uns im Normalfall mit dem Auto auf den Weg. An einem Tag wollten Juan und ich ins Stadtzentrum. Zu Fuß wären es 20 Minuten, aber eben… es geht durch ein gefährliches Viertel. Besser ein Taxi bestellen. Im Zentrum sahen wir dann zwei Polizisten einen Mann in Handschellen abführen.

Auf dem Rückweg wieder ein Taxi. Und der Fahrer bat mich unterwegs, die Tür zu verriegeln, um nicht bestohlen zu werden. Was technisch wohl nicht so schwierig wäre, denn die Autos stehen sehr viel auf den Straßen, viel Stop-and-go. An einem Tag fuhren wir zur „Kathedrales des Salzes“, einer weltberühmten Sehenswürdigkeit, etwa 50 Kilometer von Bogota entfernt. Die Straßen an sich sind nicht schlecht, aber der Verkehr so massiv, dass wir jeweils gut zwei Stunden für einen Weg brauchten. Wenigstens zweimal sah ich in der Stadt Transparente, die angesichts der 544 Verkehrstoten in Bogota im Jahr 2022 für verantwortungsvolles Fahren warben. Um den Verkehr (und die Umwelt) etwas zu entlasten gibt es eine Regelung, dass an einem Tag nur Autos mit ungerader Endziffer des Kennzeichens, am anderen Tag nur Autos mit gerader Endziffer fahren dürfen, Elektro- und Hybrid-Autos sind davon ausgenommen. Wer es sich leisten kann, fährt ein solches bzw. hat zwei Autos mit unterschiedlichen Endziffern bei den Kennzeichen. Eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen ist kompliziert und zeitaufwändig, abgesehen von den Kosten dafür. Am 29. Oktober waren in Kolumbien Kommunalwahlen und abgesehen von Fragen der Sicherheit war die Metro in Bogota ein großes Thema. Soll sie, wie vorgesehen, unterirdisch gebaut werden oder sollen die Pläne geändert und eine S-Bahn gebaut werden?

Für mich „bekennenden Land-Bewohner“ hat es etwas Bedrückendes, kilometer- und stundenlang zwischen den Hochhäusern hindurch zu fahren.

Wobei wir bei unserem Ausflug die Stadt im Norden verließen, wo die besser gestellten Menschen leben, die Armen konzentrieren sich eher im Süden.

Auch das hat etwas Bedrängendes: das Nebeneinander von arm und reich. Slum(-ähnliche) -Viertel und Malls, Einkaufszentren wie in den Zentren europäischer Hauptstädte in unmittelbarer Nachbarschaft. Etwas ernüchtert frage ich mich, wie wir einen Ausgleich zwischen arm und reich auf Weltebene schaffen sollen, wenn das schon im „kleinen Raum“ nicht gelingt.

Dienstag, 17. Oktober 2023

Chile

„Nanu, was ist denn das für ein Auto, mit dem uns Luis da am Flughafen abholt?“ So dachte ich mir beim Anblick dieses Chevrolet-Jeep, Viersitzer mit offener Ladefläche. Beim Mitleben und Erleben der pastoralen Wirklichkeit verstand ich es wenig später sehr gut.

Nach Peru steht also jetzt Chile auf dem Programm, seit zehn Tagen sind wir im Land, zunächst im Süden und nun in der Hauptstadt Santiago.

Unsere Mitbrüder im Süden („Nord-Patagonien“) sind in zwei Pfarreien in Purranque und Valdivia. In der Gegend gibt es – durch Einwanderer - viele „deutsche Spuren“. Purranque gehört zur Diözese Osorno – und diese Stadt ist unter den Städten Chiles die am meisten „deutsch geprägte“. Außer deutschen Familiennamen finden sich viele Hinweisschilder auf „Kuchen“, das deutsche Wort wurde übernommen.

Die Pfarreien der Mitbrüder sind von der Fläche her riesengroß, außer der Pfarrkirche selbst gehören Kapellengemeinden dazu. Von Purranque aus fuhren wir an einem Tag zur weit entferntesten Kapelle San Pedro an die Pazifikküste. Bestimmt die Hälfte der Straße ungeteert, mit Schlaglöchern, bergauf und bergab. Auf dieser Fahrt verstand ich die Notwendigkeit des Autotyps, über den ich mich am Flughafen in Osorno noch gewundert hatte. Der Mann, der uns in San Pedro die Kapelle zeigte, setzte dafür mit dem Boot über eine kleine Bucht (eben die „Bahia San Pedro“) über.


Die meisten Häuser in der Gegend sind aus Holz. Auch die Pfarrkirche in Purranque ist aus diesem Material gebaut. Eine wunderschöne, neue Kirche steht hier, im vergangenen Jahr wurde sie eingeweiht. Der Neubau war notwendig geworden, weil der Vorgängerbau im Jahr 2016 abgebrannt war.

Purranque gehört zur „región de los lagos”. Es gibt recht große Seen hier, praktisch alle sind Vulkanseen. Auch die Vulkane sind zu bewundern. Vom Kirchturm in Purranque war praktisch in jeder Richtung einer zu sehen.

Einen Tag nutzten Juan und ich zu einem Ausflug zu den Naturthermen von „Aguas Calientes“, ganz nahe an der Grenze zu Argentinien.

Von Purranque aus ging es weiter nach Valdivia, Hauptstadt der „región de los rios“ – eine wunderschöne Stadt. Bekannt geworden ist sie durch das Erdbeben von 1960 – mit der Stärke 9,3 auf der Richterskala war es das in der Geschichte der Erdbebenmessung bisher stärkste. Tatsächlich hat es die Landschaft verändert. Eine hohe Welle schwappte vom Pazifik her ins Landesinnere (Tsunami) und das Wasser blieb zum Teil. Unser Weg nach Valdivia führte durch Gebiete, die wie Hochmoore oder Sumpflandschaften aussehen, Tümpel mit Schilf.

Früher hatten die Missionare hier drei Pfarreien, inzwischen nur noch eine, zu der aber ebenso wie in Purranque Außenstationen gehören. An einem Nachmittag fuhren wir mit Padre Nicanor zu solch einer Kapelle, 20 Kilometer von der Pfarrkirche entfernt. Einmal im Monat an einem Werktag-Nachmittag versammeln sich die Leute dort zur Messe. Und es ist auch ein sozialer Treffpunkt. Nach der Messe wurde ein großes Holzbrett über die Kapellenbänke gelegt und aufgetischt.


Wie in Purranque trafen wir uns auch in der Pfarrei in Valdivia an einem Abend mit dem Pfarrgemeinderat, engagierten Leuten. Und an einem weiteren Abend wurden wir nach der Messe in einer Kapelle, die quasi Pfarreistatus hat, zur Katechese eingeladen. Hier werden Kinder im Grundschulalter auf Taufe und Erstkommunion vorbereitet. An diesem Abend waren auch einige Eltern vertreten und sehr offen waren sie im Gespräch mit dem Pfarrer über das Thema „Hochzeit“. Denn viele sind entweder gar nicht oder nur standesamtlich verheiratet.