Sonntag, 15. Mai 2016

Ehepaare

Bei einer Tagung lerne ich sie kennen, E. und P. Sie sind eines von drei Ehepaaren, die teilnehmen. Ich bin einer der vier oder fünf „Singles“, die dabei sind. E. und P. dürften schätzungsweise „rund um die Goldene Hochzeit“ sein. E. geht mühsam, mit einem Stock, bzw. einer Krücke. Wenn ich recht verstanden habe, hatte sie einen Unfall. Und ist froh, dass sie sich wieder einigermaßen bewegen kann. Was mir auffällt, ist, wie die beiden miteinander umgehen. Beim Frühstück gibt es ein Buffet. Und sie sind sehr aufmerksam füreinander, ob der/die andere alles hat, was er/sie braucht. Nicht wie frisch Verliebte, aber doch mit einer ganz großen Achtsamkeit und – im guten Sinn – Fürsorge. „Brauchst Du noch einen Orangensaft?“
Beim Friedensgruß in der Messe umarmen sich die beiden, was überhaupt nicht aufgesetzt oder künstlich wirkt. E. ist katholisch, ihr Mann P. evangelisch. Und gerade er hat mich beeindruckt. Im Gespräch habe ich verstanden, wie sehr ihn seine Herkunft geprägt hat. Seine Mitgliedschaft im CVJM war ein Versuch, sein Christ-Sein bewusst und entschieden zu leben. Gleichzeitig bekomme ich mit, wie gut er sich in katholischer Liturgie und Kirche auskennt, vermutlich besser als mancher Katholik. Und es ist auch wahrzunehmen, dass diese gemischt-konfessionelle Ehe mit allerhand Schwierigkeiten konfrontiert war. Gerade der Umgang damit, die Freiheit, die daraus leuchtet, beeindruckt mich sehr. Und: ein ganz merkwürdiges Gefühl in mir, es ist mir neu, aber es ist nicht zu verleugnen. Ich habe den Eindruck, dass ich von P. als evangelischem Christen beschenkt werde, gerade in seinem Evangelisch-Sein. Derart, dass ich ihn fast bitten möchte: „P., bleib Deiner Konfession treu. Ich brauche Dein Zeugnis als evangelischer Christ!“

Dann noch ein anderes Paar: B. und S. Beide flohen aus Eritrea, ihre Heimatdörfer liegen nicht so weit auseinander. Wenn ich recht verstanden habe, dann lernten sie sich auf der Flucht kennen. Und haben in München geheiratet, beide sind koptisch-orthodox und nehmen ihren Glauben sehr ernst.
B. erzählte, dass ihm bei der Ankunft in Italien der Fingerabdruck abgenommen wurde, seine Frau kam da irgendwie durch, ohne registriert zu werden. Was zur Folge hat, dass sie mit unterschiedlichem Rechtsstatus in Deutschland sind. Ihm droht aufgrund der Dublin-Regelung die Abschiebung nach Italien, wo er ja registriert wurde.
Konkret lebt also sie in einer Asylbewerberunterkunft und er im Kirchenasyl, welches seine Abschiebung verhindern soll. Es ist sein dritter Kirchenasyl-Standort. Weil er einmal untergetaucht war, ist die Kirchenasyl-Zeit verlängert worden. Er macht sich große Sorgen um seine junge, hübsche Frau. Welche in der Unterkunft mit vielen Männern zusammen lebt.
Um den 1. Mai herum, als die Kopten Ostern feierten, konnte sie ihn für zwei Tage besuchen: welch ein Fest. Wobei es beinahe dramatisch begann. Aufgrund des strengen Fastens vor Ostern, vielleicht aber auch, weil sie das Auto-Fahren nicht verträgt, klappte sie kurz nach der Ankunft zusammen. Ihr Mann B. wusste aber wohl Bescheid, konnte mit der Situation umgehen und half ihr. Welch ein Fest für die beiden, die zwei gemeinsamen Tage. Er zeigte sich in seinem Hochzeits- und Festgewand, wunderschön weiß mit goldenen Borten. Und strahlte und freute sich.
Als S. wieder heim fahren musste, machte sich B. wiederum große Sorgen. Dummerweise war ihre SIM-Card für das Handy kaputt gegangen. Und er konnte ja nicht aus dem Kirchenasyl heraus, um irgendwo eine neue zu besorgen. Seine Idee war gewesen, ihr via Telefon unterwegs zu helfen, damit sie auch beim richtigen Bahnhof umsteigt. Im Gegensatz zu ihm hat sie bisher kaum Deutsch gelernt. Es scheint, als verließe sie sich da auch sehr auf ihren Mann.
Dafür hatte sie in ihrer Unterkunft eritreisch gekocht und die Speisen mit gebracht – was natürlich die Oster- und Wiedersehensfreude der beiden noch einmal vergrößerte.
Welch eine Welt, die es jungen Ehepaaren so schwer macht...

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