Donnerstag, 15. November 2012

"Chancen des Alters"

Dieses Thema hatten sich Ordensfrauen gewünscht, für die und mit denen ich in den vergangenen Tagen in zwei Altenheimen in der Schweiz und in Deutschland Besinnungstage gehalten habe. Apropos: eine jüngere Ordensfrau erzählte mir vor kurzem schmunzelnd, dass es manchmal Leute gäbe, die sich unter „Ordensfrau“ oder „Klosterschwester“ nichts vorstellen könnten. Also spreche sie schlicht von „Nonne“ - und das verstünden dann die Leute.

Also, mit Frauen diesen Typs, bzw. Lebensentwurfes hatte ich zu tun und bin tief beeindruckt von den Begegnungen. Ach was: „beeindruckt“ klingt so „allerwelts-mäßig“. Nein: bereichert und beschenkt bin ich nach dem Zusammensein mit den Schwestern, die mich wie einen Bruder aufnahmen.

Wir hatten einen „Deal“ vereinbart. Da ich ja für „Berufungspastoral“ zuständig bin, also idealerweise junge Männer finden sollte, die Mitglieder in meiner Ordensgemeinschaft werden möchten, waren die Besinnungstage für Schwestern eher außerhalb meines unmittelbaren Arbeitsbereiches. Da kirchliches „head-hunting“ bzw. „personal-recruting“ aber noch einmal anders funktioniert als dasjenige der Wirtschaft, habe ich die Schwestern im Rahmen der Besinnungstage jeweils um ihre Gebetsunterstützung für meine Tätigkeit gebeten, diese zugesagt bekommen und vertraue nun auch auf sie.

Von dem, was ich den Schwestern erzählte, möchte ich eine Kleinigkeit an dieser Stelle anführen. Außer dem alt gewordenen König David aus der Bibel erwähnte ich noch andere älteren bzw. alten Menschen. Einer davon ist Don Dino.

Der 73jährige italienische Missionar vom Kostbaren Blut ist ein Pionier der afrikanischen Mission dieser Gemeinschaft und war 45 Jahre in Tansania. Herzkrank kam er nach Europa zurück und wurde zum Spiritual der Seminaristen unserer italienischen Provinz. Im September waren diese italienischen Seminaristen zu einer Woche Urlaub in Kufstein, bei der ich sie begleitete. (In einem früheren Post hatte ich schon davon berichtet). Und mit dabei war eben Don Dino. Ein ganz wacher und offener Zeitgenosse. Könnte ich mir vorstellen, dass so jemand nach 45 Jahren in Afrika in Erinnerungen schwelgt und diese auch weiter geben möchte, so war Don Dino im Gegenteil am Leben und der Umwelt des konkreten Augenblickes interessiert und fragte mit großem Interesse nach. „Wieso heißt Kufstein so, was bedeutet das? `Stein´ verstehe ich, aber `Kuf´?“ Oder auch: „wenn das hier `Kleinholz´ heißt, gibt es dann auch ein `Großholz´? Aber auch andere Dinge weckten das Interesse von Don Dino: „ich habe gesehen, dass du einen Artikel in KONTINENTE geschrieben hast: worum geht es denn da?“ Oder: „wie ist das jetzt mit der Pfarrerinitiative in Österreich?“ Gut informiert und mit großer Aufmerksamkeit zuhörend zeigte sich Don Dino als höchst angenehmer Gesprächspartner. Und ich freute mich nicht wenig, festzustellen, wie er auch die Studenten zu animieren versuchte, mit Offenheit und Interesse in der für sie neuen Umgebung, in einem anderen Land, unterwegs zu sein. „In Italien haben wir unsere Eigenheiten, denkt an die Dörfer am Berg, die Häuser eng aneinander gebaut. Jetzt sind wir hier: schaut euch das genau an, versucht die Eigenheiten kennen zu lernen und zu verstehen. Und eigentlich fände ich es gut, wenn wir gegen Ende der Woche das `Vater unser´ auf Deutsch gelernt hätten“. Sehr konkret! Ja, so stelle ich mir „missionarischen Geist“ vor...
Trotz Gehbeschwerden machte Don Dino praktisch das ganze Ausflugsprogramm in diesen Tagen mit, das mich selbst jeden Abend ziemlich erschöpft sein ließ. Schmunzeln musste ich, als er die Seminaristen, 20 junge Männer zwischen 20 und 30 Jahren, nach der Erfahrung der Fahrt im öffentlichen Bus in Salzburg, zwei Tage später vor dem Einsteigen in die Münchner U-Bahn aufforderte, sich in der Lautstärke etwas zu mäßigen: „es muss ja nicht gleich jeder wissen, woher wir sind“. Aber auch das sagte Don Dino so, dass es für die jungen Männer akzeptabel war – und funktionierte!