In den ersten drei Septemberwochen war die XXII. Generalversammlung der Missionare vom Kostbaren Blut. Diese ist die höchste Autorität in der Gemeinschaft und findet im Regelfall alle sechs Jahre statt, 2019 waren wir dazu in Polen, diesmal in Italien. Rund 40 Teilnehmende waren es, Missionare, einige Gäste und – eine Übersetzerin und ein Übersetzer.
Unter den vielen von den Teilnehmenden gesprochenen Sprachen gibt es zwei offizielle: Englisch und Spanisch. Mehr als zwei Jahrzehnte war Marcelo unser Übersetzer, ein in Spanien lebender Argentinier. Wir scherzten, dass er schon zu übersetzen beginnen kann, bevor ein Teilnehmer spricht, weil er sowohl die Missionare als auch deren Themen kennt. Seit mehr als einem Jahr ist Marcelo jedoch der Kommunikationsbeauftragte der weltweiten Gemeinschaft der Missionare vom Kostbaren Blut. Da er in Madrid auch Übersetzer ausbildet, hat er uns zwei solche vermittelt. Zum einen Jorge, zum anderen Marua, die als Kind marokkanischer Eltern in Teneriffa zu Hause ist. Beide sind meiner Schätzung nach Mitte 20 Jahre. Diese beiden waren also diesmal fürs Übersetzen zuständig, Englisch-Spanisch und umgekehrt. Im Unterschied zu Marcelo, der einen religiösen Hintergrund hat, bezeichnen sich Jorge und Marua als ungläubig. Also in gewisser Weise eine spannende Ausgangsbedingung für das Übersetzen bei der Generalversammlung einer katholischen Ordensgemeinschaft. Sie nahmen zum Beispiel im Normalfall nicht an unseren Liturgiefeiern teil. An einem Ausflugstag, wir waren in San Felice di Giano, unserem Gründungsort in Umbrien, da saßen sie unter uns, und Jorge behielt in der Kirche seine Baseballkappe auf.
Bei den Mahlzeiten waren wir zusammen und natürlich wird davor gebetet. Eileen, welche für unsere Companions (die angeschlossenen Laien) in den USA zuständig ist, hatte die Aufgabe, Vorbetende für das Tischgebet zu suchen. Und sie fragte auch Jorge und Marua.
Höchst interessant! Die beiden sprachen natürlich kein Tischgebet, es war jeweils eine kurze Reflexion. An einem Tag klang aus den Worten Maruas die Dankbarkeit heraus, in dieser Gemeinschaft herzlich aufgenommen worden zu sein. Jorge nutzte die Gelegenheit, vor dem Essen diejenigen zu erwähnen, die sich mit Hilfsgütern auf Schiffen auf den Weg Richtung Gaza machen.
An einem Tag wurde ich Zeuge, wie Luigino, der Provinzial unserer Atlantischen Provinz (mit Sitz in Toronto/Kanada) Jorge fragte: „wie siehst Du uns?“ Und Jorge antwortete: „ich gebe zu, ich hatte schon ein wenig Bedenken. Und meine Freude warnten mich quasi vor: `Du wirst schon sehen, eine katholische Gemeinschaft, pass nur auf…!´ Aber ich finde, Ihr seid cool!“
Ich fand unsere gemeinsame Zeit sehr besonders. Zwar könnte ich mir vorstellen, dass einige die Nase rümpfen und die Qualifikation unserer Übersetzenden anfragen: hätte man da nicht kirchenintern, bei anderen Ordensgemeinschaften etwa, suchen können?
Auf der anderen Seite fanden Begegnungen zwischen Menschen bzw. Welten statt, die sich wohl sonst im Alltag nicht so ohne weiteres begegnet wären. Vielleicht also geschah da mehr an Übersetzung als nur die von einer Sprache in eine andere…
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