Dienstag, 15. August 2023

Armut?

„Denn wenn du in den Vatikan gehst, könntest du zu zweifeln beginnen, ob die dort wirklich etwas mit dem Evangelium zu tun haben. Sie sind organisiert wie ein Staat im 16. Jahrhundert, Darstellungen von Luxus, erlesener Marmor, und auch eine solch geordnete Schönheit kann Anstoß erregen“. (Dall’Oglio Paolo, Il mio testamento, Milano 2023, S.48, meine Übersetzung). In der Folge dieser Zeilen beschreibt P. Dall’Oglio dann seine Empfindungen während Besuchen in den vatikanischen Büros für den interreligiösen Dialog und bei der Glaubenskongregation.

Mir selbst ist unvergesslich ein viele Jahre zurück liegendes Erlebnis in Traunstein, wo unsere Gemeinschaft ein Haus besitzt, welches „Kern-Schloss“ heißt. Wikipedia weiß, dass dieses Gebäude einst als Gartenschlösschen errichtet wurde. In verschiedenen Jahren lebte auch ich in diesem Haus, das erste Mal als Diakon. Und während dieser Zeit hörte ich einmal dem Gespräch zweier Grundschüler zu, die vor dem Haus standen. Dabei sagte einer zum anderen: „in diesem Haus müssen ganz schön reiche Leute wohnen!“ Als Hausbewohner wusste ich nicht, ob ich schmunzeln oder mich schämen sollte.

Solch gemischten Gefühle hatte ich immer wieder in dem ein oder anderen unserer Häuser, wenn ich beobachtete, wenn Familien mit (kleinen) Kindern zu Besuch waren. Die Kinder entdeckten und benutzten schnell die langen Gänge als Spielfläche. Herrlich, so einen langen Gang entlang rennen zu können! Und ja: ich freue mich mit den Kindern. Und bin mir bewusst, dass die meisten Kinder eine solche Möglichkeit zuhause nicht haben. In Baumgärtle kommentierte sogar unser Br. Anton trocken-scherzhaft: „im Gang im ersten Stock könnten wir eigentlich eine Kegelbahn einrichten“. Wie hieß es zu Beginn eines Artikels der Süddeutschen Zeitung am 5. August: „Deutsche Wohnungen sind wie deutsche Autos: sehr dick und sehr teuer.“ Im Artikel ging es im Folgenden speziell um Schlafzimmer, eventuell ließe sich das Thema auch einmal besonders auf „Wohnen in Pfarrhäusern“ anwenden…

In Rom gibt es eine wunderbare Solidarität verschiedener Ordensgemeinschaften mit geflüchteten Menschen. Der Gemeinschaft Sant’Egidio gelingt es immer wieder, Menschen aus Kriegsgebieten auf sicheren Wegen über sogenannte „Humanitäre Korridore“ nach Italien zu bringen. Sant’Egidio arbeitet dabei mit Ordensgemeinschaften zusammen, die solche Geflüchtete dann, für kürzere oder längere Zeit in ihrem Kloster oder Ordenshaus aufnehmen, den Menschen einen Start im für sie neuen Land ermöglichen.

Vor kurzem war ich im Gespräch mit einer Schwester aus einem Haus, in dem immer wieder geflüchtete Menschen leben. Zurzeit ist dort eine syrische Familie, die Eltern mit zwei Buben, 11 und 15 Jahre alt. Einer der beider Elternteile ist Zahnarzt, auch der andere Akademiker. Die Buben spielen beide Gitarre und Klavier. Eine Gitarre war schnell aufzutreiben, mit dem Klavier war es etwas schwieriger. Aber auch da fand sich eine Lösung: jemand brachte ein Keyboard vorbei. Und die Schwester sagte: „dabei haben wir im Haus bestimmt fünf Klaviere stehen. Die sind zwar alle verstimmt und es spielt niemand mehr darauf. Aber…“ Da stehen wohl Strukturen dagegen, weil die Klaviere im Bereich der Schwestern stehen oder ein Keyboard leichter zu transportieren ist als ein Klavier. Aber…

Es macht nachdenklich.

"Ach, wie möchte ich eine arme Kirche für die Armen!", so sagte es Papst Franziskus bereits kurz nach seiner Wahl 2013 zum ersten Mal. Und er wiederholt es hin und wieder.