Am Palmsonntag war ich zur Messe mit Papst Franziskus auf dem Petersplatz. Die Sonne schien, aber der Wind war kalt. Und es schien mir zunächst fast unwirklich: so viele Menschen! Das gab es ja in den vergangenen beiden Pandemie-Jahren nicht. Noch immer habe ich das Bild vom 27. März 2020 vor meinem inneren Auge: der Papst auf dem leeren Petersplatz. Und jetzt wieder: Massen! Wobei andere, mit denen ich mich darüber austauschte, meinten, wir hätten einfach ein wenig vergessen, wie das vor der Pandemie war, da kannten wir gar nichts anderes.
Abgesehen davon nahm ich in mir ein Gefühl wahr, das ich von früheren ähnlichen Anlässen kenne: Freude. Oder auch Dankbarkeit, zur Gemeinschaft der Glaubenden zu gehören. Sehr konkret wurde das etwa, als wir uns beim Lesen der Leidensgeschichte hinknieten, an der Stelle, an der vom Tod Jesu berichtet wird. Ganz still war es auf dem sonst schon auch einmal lauten Petersplatz! Vor der Messe kam ich ins Gespräch mit einem Mann aus Porto in Portugal, der mit seiner Frau und den beiden Kindern da war. Auf meine Frage hin, ob er denn auch Ostern in Rom sein würde, verneinte er entschieden. „Nein, ich muss nach Hause, unser Pfarrer besucht in diesen Tagen die Familien, da müssen wir zu Hause sein“. Und er erzählte mir, wie das dort im Dorf abläuft. Die Familien, die den Besuch des Priesters wünschen, stellen irgendein Zeichen vor die Tür, z.B. Blumen, und der Priester weiß Bescheid. Und am Vortag gibt es eine Info via WhatsApp, wann etwa mit dem Besuch des Priesters zu rechnen ist, der durch die Straßen des Dorfes zieht.
Dieser Palmsonntag ließ mich an eine andere Erfahrung vor wenigen Wochen zurückdenken. Die Diözese Rom hatte eingeladen zur Wallfahrt mit Gebet um den Frieden in der Ukraine. Es gibt sie regelmäßig, die nächtliche Fußwallfahrt von Rom zum Heiligtum Divino Amore etwas außerhalb der Stadt. Und in der Nacht von 19. auf 20. März hatte sie dann ein besonderes Gesicht. Ab 20.00 Uhr gab es Gelegenheit, in der Lateranbasilika vor dem Gnadenbild aus dem Heiligtum Divino Amore zu beten, um 23.30 Uhr war dann die „Auftakt-Gebetszeit“ zur Wallfahrt und um Mitternacht brachen wir auf, mit dem Gnadenbild, welches wir sozusagen zurückbegleiteten. Dafür wurde die große mittlere Eingangstür der Basilika geöffnet, die im Normalfall geschlossen ist. Und es waren Tausende, die sich auf den Weg machten. Ich ging nicht so weit entfernt hinter dem Auto, auf welches das Gnadenbild geladen worden war. Und wir beteten, angeleitet von jemandem im Auto über Mikrofon und Lautsprecher. Anhand des Mitbetens und – singens hatte ich den Eindruck, unter glaubenden Menschen zu sein und zu gehen. Ich gebe es zu, es tat gut, es war wohltuend. In Divino Amore angekommen feierten wir morgens um 6.00 Uhr die heilige Messe: ich war müde und fror und war zufrieden.
Zweimal das Erlebnis des „Eingetaucht-Seins“ in eine große Gruppe Glaubender, das mich nach der Bedeutung der anderen für meinen Glauben fragen ließ. Ich war dann dankbar von einem Gottesdienst „zu zweit“ in der Kapelle eines österreichischen Krankenhauses zu lesen. Es war nur eine Person zum Palmsonntagswortgottesdienst gekommen, so dass die Gottesdienstleiterin diesen Mann einlud, gemeinsam die Leidensgeschichte zu lesen. Was sie dann taten! Und auch dort war Gott gegenwärtig…
Und ich selbst will mich bei aller Freude über das Gemeinsame nicht davon „abhängig“ machen. Es ist gerade die Einsamkeit Jesu, ja sein Verlassen-Sein von Gott, welches mich „anzieht“ und mich ihn suchen lässt in den bisweilen mühsamen Erfahrungen des eigenen Lebens. In denen ich ihm dann in ganz anderer Weise nahe bin als durch das spürbare Glauben-Teilen mit vielen…
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