Montag, 15. August 2016

Welcher Maßstab?

„Zeigen Sie uns eine Powerpoint-Präsentation oder haben Sie uns etwas zu sagen?“ Diese Frage sei ihm vor kurzem gestellt worden und er werde uns tatsächlich keine Powerpoint-Präsentation zeigen, so erklärte der Referent zu Beginn seines Vortrags. Und dieser war kurzweilig und interessant, ja fesselnd.
Auf der anderen Seite habe ich gelernt, dass „Visualisieren“ durchaus hilfreich und sinnvoll sei. Und das kann eben heute nicht nur mit Kreide auf einer Wandtafel, mit Stiften auf großen Papierbögen, sondern auch mittels Computer und Beamer geschehen.

Eine Erfahrung, die manche dabei machen: Du hast zu Hause die schönste Powerpoint-Präsentation vorbereitet. Und was dann auf der Projektionsfläche erscheint, sieht irgendwie anders aus als das, was Du auf Deinem kleinen Bildschirm gesehen hast. „Vertragen sich“ Computer und Beamer nicht? Die Darstellung ist jedenfalls anders.

Lustig war es vor kurzem, als der Pfarrer und ich die Höhe unseres Ambos in der Kirche messen wollten. Ich hatte einen Zollstock mit genommen und neben den Ambo gehalten. „128 Zentimeter“: „kann doch gar nicht sein! Wie gibt’s das?“ Der Pfarrer sagte zwar nichts, aber ich sah seinen ungläubigen Gesichtsausdruck. So dass ich automatisch noch einmal auf meinen Zollstock schaute. Ich – „perfekter Heimwerker“, der ich nun einmal bin – hatte ein Teil nicht ausgeklappt, so dass natürlich ein falsches Ergebnis entstehen musste. „111 Zentimeter“ konnte ich nach korrektem Anlegen des Zollstocks dem Pfarrer anbieten und seine Miene hellte sich deutlich auf.

Mir geht diese Szene nach. Wenn ich zu einem falschen Ergebnis komme: kann es sein, dass die Voraussetzungen nicht stimmen? Wenn ich einen anderen Menschen falsch einschätze: kann es sein, dass das an meinen blinden Flecken liegt? Zwar verlasse ich mich immer mehr auf mein Bauchgefühl, aufgrund der schmerzlichen Erfahrung, öfter einmal falsch entschieden zu haben, wenn ich das nicht tat. Aber doch möchte ich Vorsicht dabei walten lassen.

Welchen Maßstab lege ich an? Und lege ich ihn richtig an?

Was Papst Franziskus in Amoris Laetitia im Hinblick auf Ehegatten schreibt, gilt nicht nur für deren Umgang miteinander. Es ist nicht „die Naivität dessen, der die Schwierigkeiten und Schwachpunkte des anderen nicht sehen will, sondern es ist der Weitblick dessen, der diese Schwächen und Fehler in einen Zusammenhang stellt. Er erinnert sich, dass diese Mängel nur ein Teil und nicht das Ganze des Wesens des anderen sind. Ein unliebsamer Tatbestand in der Beziehung ist nicht die Gesamtheit dieser Beziehung. Man kann also schlicht und einfach hinnehmen, dass wir alle eine vielschichtige Kombination aus Licht und Schatten sind. Der andere ist nicht nur das, was mir lästig ist. Er ist viel mehr als das. Aus demselben Grund verlange ich nicht von ihm, dass seine Liebe vollkommen sein muss, damit ich ihn wertschätze. Er liebt mich wie er ist und wie er kann, mit seinen Grenzen, doch dass seine Liebe unvollkommen ist, bedeutet nicht, dass sie geheuchelt oder gar nicht echt ist.“ (AL 113)

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