„Mutig neue Wege gehen“ - so lautet
das Motto des Glaubenstages am 1. März in der Pfarreiengemeinschaft
Tussenhausen. Ob ich einen Kurs, einen Workshop dabei halten kann?
Mir gefällt die Idee des Glaubenstages
und ich überlege, wie diese Thematik angegangen werden kann. Und
bald habe ich es: wer geht denn mutig neue Wege? Mir kommen bald
einmal Flüchtlinge in den Sinn, die zu Hause alles aufgeben und sich
in eine ungewisse Zukunft aufmachen.
Außerdem ist das Thema omnipräsent in
den Medien.
Also setze ich mich mit der
Caritas-Migrationsberaterin in Verbindung. Ob sie jemand weiß, der
bereit und fähig wäre, seine (Flucht-)Geschichte zu erzählen?
Tatsächlich ist das ja nicht so einfach. Es fängt mit der
Sprachbarriere an. Aber dann gibt es tatsächlich Trauma-Erfahrungen
durch die Flucht, die es den Betroffenen schwer bis unmöglich
machen, davon zu erzählen. Und dazu kommt Misstrauen: die Syrer etwa
kommen aus einem Staat, in dem der Geheimdienst überall aktiv war.
Und auch Geheimdienstleute sind geflohen. Wer weiß, so fragt sich
der syrische Flüchtling, wem ich mit meiner Erzählung eventuell
schade?
Aber wir, d.h. die
Caritas-Mitarbeiterin, finden jemand. Eine syrische Familie aus
Damaskus, die vor zwei Jahren die Flucht angetreten hat und seit
einigen Monaten in Deutschland lebt. Mohammed, seine Frau Mysam und
ihren beiden entzückenden kleinen Söhne. Mohammed hatte zu Hause
ein Restaurant, die Familie hatte ein Haus und zwei Autos. Aber die
Lage war trotzdem unerträglich für sie. Und so flohen sie nach
Ägypten - dem einzigen Land, in dem sie als Syrer kein Visum
bezahlen mussten. Bis auch dort die Lage für die Syrer gefährlich
wurde. Also hatten sie die Wahl, nach Syrien zurück zu kehren oder
nach Europa weiter zu fliehen. Und entschieden sich dafür. Wobei
Mohammed mit nassen Augen erzählte: „wenn ich von den
Fluchtbedingungen geahnt hätte, dann wäre ich nach Syrien zurück
gekehrt, um dort zu sterben.“ Wie so viele landeten sie auf einem
einfachen, kleinen Fischerboot, auf dem 600 Menschen zusammen
gepfercht waren, ohne Nahrung und Wasser. Und darunter eben die junge
Familie mit den kleinen Kindern. Sie hatten ohnehin nur das Nötigste
mit genommen, wobei die Schlepper zwei von den drei Rucksäcken über
Bord warfen.
Der Kapitän hatte sein
Satellitentelefon über Bord geworfen, um nicht geortet zu werden.
Ein großer Tanker fuhr am Flüchtlingsboot vorbei. Welch enttäuschte
Hoffnung! Endlich ein Flugzeug über ihnen, aus dem Fotos gemacht
wurden. Un kurz darauf ein Schiff des Roten Kreuzes, welches Rettung
brachte.
In der Schlussrunde äußerten mehrere
Kursteilnehmer ihre Betroffenheit. Und den Unterschied, den es
ausmacht, solche Geschichten zu lesen, im Fernsehen zu sehen oder sie
einen lebendigen Menschen erzählen zu hören.
Zwei afrikanische Flüchtlinge kamen
aus einer anderen Flüchtlingsunterkunft, Samson aus Eritrea und sein
Freund aus Senegal. Leider hatten wir nur noch Zeit für Samsons
Geschichte, der auf der Suche nach Freiheit seine Heimat verlassen
hatte. Sein jüngerer Bruder ist in der Schweiz gelandet.
Welch eine dichte Atmosphäre in diesen
90 Minuten Workshop in einem Klassenzimmer. Dass die beiden Kinder
von Mohammed und Mysam zwischendurch Krach machten, störte überhaupt
nicht. Und am Ende eine gegenseitige Dankbarkeit: die Flüchtlinge
dankten für die Gelegenheit, erzählen zu können, spürten wohl
auch die ihnen entgegen gebrachte Offenheit. Und wir waren voller
Dank, solche Geschichten aus erster Hand zu hören zu bekommen.
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